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Umweltfreundliche Versorgung von Rechenzentren (Teil 1)

Wege zu weniger fossiler Energie

Die Herausforderung besteht in der komplexen Verknüpfung der technischen Infrastruktur eines Rechenzentrums mit den vorgelagerten Energieversorgungssystemen. Im ersten Teil werden der Ansatz des Projektes und wichtige Grundlagen erläutert.

Einleitung

Der Energieverbrauch von Rechenzentren liegt in Deutschland heute bei ca. 10 000 GWh/a und steigt momentan ungefähr um 3 Prozent pro Jahr [1]. Seitens der IT-Branche werden intensive Anstrengungen unternommen, den Energieverbrauch zu senken [2]. Effektiv führen jedoch eine intensivere Nutzung bzw. neue Anwendungen zum stetigen Anstieg des Energieverbrauchs. Das heißt, um energie- und umweltpolitische Ziele zu erfüllen, kann man den Rechenzentrumsbetrieb nicht mehr singulär betrachten. Demzufolge liegt dem hier vorgestellten RenewIT-Projekt [3] ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde. Das Hauptziel besteht darin, Rechenzentren fast vollständig mit erneuerbarer Energie (höher als 80 Prozent) zu versorgen. Dieses Ziel kann man nach Auffassung der Autoren nur über ein abgestimmtes Maßnahmenpaket (holistischer Ansatz) erreichen. Im Projekt werden deswegen folgende Hauptthemen bearbeitet:

Analyse und Systematisierung bestehender Rechenzentren, verfügbarer Komponenten in Rechenzentren, erneuerbarer Energiequellen in Europa und Techniken zur Bereitstellung,

Bewertung des Betriebs von Rechenzentren, insbesondere unter Beachtung der vorgelagerten Versorgungssysteme, und neue Ansätze wie die Nutzung der Abwärme,

Entwicklung von Software-Komponenten zur Bestimmung und Prognose des Energieverbrauchs von IT-Prozessen sowie zur Optimierung nach Anforderungen eines ökologischen Betriebs (z. B. Konsolidierung1 , Ausschalten von Servern ohne Berechnungsaufgaben2, zeitliche Verschiebung von Berechnungsaufgaben3),

Entwicklung eines flexiblen, webbasierten Monitoring-Tools für IT- und Versorgungsprozesse zur Analyse und Optimierung des Rechenzentrumsbetriebs,

ein Katalog für beispielhafte technische Lösungen zur Stromversorgung und Kühlung unter Beachtung der verschiedenen Randbedingungen (Beschreibung in Teil 2 dieser Veröffentlichung),

detaillierte Untersuchung von Servern mit dem Schwerpunkt der Wärmerückgewinnung mit einer Kühlung durch Flüssigkeiten,

dynamische Simulation der Systeme (Rechenzentrum bestehend aus Gebäude, IT, technische Gebäudeausrüstung und Stromversorgung, Kühlung, Heizung usw.), Erstellung neuer TRNSYS-Modelle für den Rechenzentrumsbetrieb und deren Validierung,

Parametervariation mit einer sehr hohen Anzahl an Eingangsgrößen einschließlich der Systemauslegung sowie Identifikation signifikanter Abhängigkeiten,

intuitives, webbasiertes Tool zur Voruntersuchung auf der Basis umfangreicher Simulationen (Beschreibung in Teil 3 dieser Veröffentlichung).

Die Öffentlichkeitsarbeit, die Einbeziehung der Industrie sowie die Mitarbeit in Gremien (z. B. Arbeitskreis VDI 2054) sind flankierende Maßnahmen. Weitere Informationen liefert [3]. Die oben genannte Aufzählung zeigt, dass dieser Beitrag nur Teilergebnisse beschreiben kann. Weiterhin bestehen komplexe Zusammenhänge zwischen den einzelnen Aufgaben, die dieser Beitrag nur in einer stark vereinfachten Form wiedergeben kann.

Struktur und Stromverbrauch von Rechenzentren

Bild 1 stellt einleitend den grundlegenden Aufbau von Rechenzentren vor. Insbesondere für den Betrieb der IT und der elektrischen Antriebe (z. B. Verdichter von Kompressionskältemaschinen, Pumpen, Ventilatoren) ist eine Stromversorgung notwendig4.

Man kann davon ausgehen, dass die eingesetzte Elektroenergie letztlich in Wärme umgewandelt wird. Kühl- und Klimaanlagen übernehmen dann die Wärmeabfuhr aus dem Rechenzentrum. Jede Reduzierung des Stromverbrauchs führt direkt zu einer Reduktion der Kühllasten. Deswegen haben Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz eine besondere Bedeutung.

Bild 2 zeigt beispielhaft die Verteilung des Stromverbrauchs. In den letzten Jahren hat der Anteil der IT-Prozesse zugenommen, weil vor allem der Anteil der Klimatisierung bzw. Kälteerzeugung reduziert wurde.

Rechenzentren sind unterschiedlich aufgebaut (vgl. mit [6], [7], [8]). Die Aufgaben bestimmen die Auswahl der informationstechnischen Komponenten (Server, Netzwerk, Speicher) und deren Umfang. Weiterhin wirken sich die Sicherheitsanforderungen (sog. Tier-Level) auf die Redundanz der Strom- und Kälteversorgung aus.

Die Redundanzstufe I stellt die geringsten Anforderungen an die Versorgungssicherheit. Es sind keine redundanten Komponenten installiert. Dagegen stehen in Stufe II nach dem (n+1)-Prinzip Ersatzkomponenten für die Stromerzeugung und die Kälteerzeugung zur Verfügung. Dies ermöglicht z. B. die Kompensation des Ausfalls einer Kompressionskältemaschine. In der Redundanzstufe III werden die Kälteerzeugung und die Stromerzeugung bzw. die Verteilung vollständig redundant ausgelegt. Selbst bei einem Ausfall des kompletten Systemstrangs kann der redundante Strang den reibungslosen Betrieb garantieren. Bei höheren Anforderungen entstehen durch die Betriebsbereitschaft zusätzliche Lasten. Banken realisieren aufgrund des Geschäftsbetriebs eine sehr hohe Absicherung (z. B. Tier-Level IV). Bei universitären Hochleistungsrechnern (Bild 3) wird das verfügbare Budget vorzugsweise in Hardware investiert. Ausfälle wirken sich nicht so gravierend aus, sodass man Tier-Level I umsetzt.

Ansatz im RenewIT-Projekt

Die im ersten Absatz skizzierten Aufgaben, die Rechenzentren umweltfreundlicher machen sollen, zeichnen sich durch eine vergleichsweise hohe Komplexität aus. Folgende Punkte und Zusammenhänge sind dabei zu beachten:

Die Verfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen hängt von der Standortwahl ab (Bild 4)5. In vielen Fällen können verschiedene Techniken zur Wandlung und Speicherung eingesetzt werden. Die energetischen Erträge und Kosten sind jedoch stark von den Standortparametern abhängig.

Rechenzentren übernehmen verschiedene Aufgaben (z. B. wissenschaftliches Hochleistungsrechnen, Webservice, Geschäftsprozesse, Speicherung bzw. Archivierung). Mit der Aufgabe ist oft der Standort festgelegt (z. B. Bank in der Innenstadt). Es gibt aber auch große Rechenzentren (z. B. in Skandinavien für Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Cloud-Dienstleistungen6), die zentral weltweite Anfragen abwickeln. Mit den Aufgaben entstehen entsprechende Strom- und Kühllasten. Im Projekt wurde folgende Systematisierung vorgenommen (Bild 5): a) Rechenzentrum in einem Gebäude, b) Rechenzentrum als eigenständiges Gebäude in einem Bebauungsgebiet oder c) entfernt von Ansiedlungen. Die Fälle a) und b) zeichnen sich durch das Vorhandensein einer technischen Infrastruktur (Netzwerk, Stromversorgung, Kälte- und Wärmenetze) aus. Jedoch kann die Anwendung von erneuerbaren Technologien eingeschränkt sein (z. B. Aufständerungsfläche für PV-Module oder Solarkollektoren, Abstände zu Windgeneratoren, Emissionen bei Biomassetechnologien, hochpreisige Grundstücke in Innenstädten, Entfernung zu Seen für Kühlzwecke). Bei unbebauten bzw. ländlichen Standorten können diese Probleme umgangen werden, jedoch sind die Bedingungen für die Anbindung an eine städtische Infrastruktur (z. B. Fernwärme) sehr schlecht.

Der oben genannte Sachverhalt steht in engem Zusammenhang mit der eingesetzten Technologie zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen:

Erzeugung vor Ort (on-site generation),

Verfügbarkeit und Wandlung vor Ort (on-site generation from on-site rene-wables), z. B. PV-Module auf dem Dach des Rechenzentrums,

keine Verfügbarkeit vor Ort, Transport des Energieträgers zum Standort des Rechenzentrums und Wandlung dort (on-site generation from off-site rene-wables), z. B. Biomasse-Transport bis zum Rechenzentrum und Wandlung in einem Blockheizkraftwerk,

Erzeugung an einem anderen Standort (off-site generation),

z. B. Windkraftanlagen mit Einspeisung und Einkauf des erneuerbaren Stroms.

Die technische Betriebszeit der IT-Komponenten liegt im Bereich von vier bis acht Jahren. Heiz- und Kühlsysteme sollten mindestens 20 Jahre genutzt werden. Die Nutzungsdauer von Energieversorgungssystemen (Strom, Wärme, Kälte) beträgt mindestens 40 Jahre. Aufgrund der unterschiedlichen Techniken treten starke Unterschiede hinsichtlich der technischen Nutzungszeit auf. Das könnte ein Hindernis in der hier forcierten Verschränkung sein.

Der oben genannte holistische Ansatz umfasst im RenewIT-Projekt [3] folgende Gebiete (Schritte):

(1) Gestaltung des Gebäudes,

(2) IT-Lastmanagement (Konsolidierung, Ausschalten der Server im Leerlauf, Scheduling),

(3) Stromverteilung im Rechenzentrum (modulare USV, USV mit Bypass und USV mit Blindleistungsregelung),

(4) Kälteerzeugung bzw. Kühlung (freie Kühlung, Warm- und Kaltgang, variabler Luftstrom, Erhöhung der Zulufttemperatur in den IT-Räumen, Erhöhung der Differenz zwischen Zu- und Ablufttemperatur sowie Einsatz von hocheffizienten Komponenten),

(5) Wärmerückgewinnung (Nutzung von flüssigkeitsgekühlten Servern),

(6) Einsatz von erneuerbaren Energiequellen zur Kühlung,

(7) Einsatz von erneuerbaren Energiequellen zur Stromversorgung.

Die Reihenfolge beginnt mit den kostengünstigen Maßnahmen, um eine anschließende Umsetzung der regenerativen Maßnahmen zu gewährleisten bzw. zu fördern. Die Reduktion der Lasten und der Einsatz von effizienteren Komponenten in Schritt 1 bis Schritt 4 ist auch technisch sinnvoll, weil die Nutzung erneuerbarer Energiequellen (Schritt 6 und Schritt 7) oft mit höheren finanziellen Aufwendungen verbunden ist. Der Schritt 5 nimmt eine Sonderrolle ein, da hier die Wärme als Abfallprodukt der Stromversorgung einer neuen Anwendung zugeführt und vermarktet wird (Bild 4).

Mitarbeiter des Projekts

Die Namen der Autoren sind unterstrichen.

(v. l.) David Wesdorp4, Josep Maria Herrera3, Eduard Oró3, Jaume Salom3, Andrew Donoghue5, Mieke Timmermann4, Mario Macias6, Daniela Isidori7, Thorsten Urbaneck1, Massimiliano Manca7, Mauro Canuto6, Bastiaan Beerens4, Nirendra Lal Shrestha1

Nicht auf dem Foto

Noah Pflugradt1, Verena Rudolf1, Bernd Platzer1, Oscar Càmara2, Angel Carrera2, Albert Garcia3, Hans Trapman4

1 Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Maschinenbau, Chemnitz, Deutschland

2 AIGUASOL, Barcelona, Spanien

3 IREC Katalanisches Institut für Energieforschung, Barcelona, Spanien

4 Deerns Nederland B. V., Nijmegen, Niederlande

5 451 Research, London, Großbritanien

6 Barcelona Supercomputing Center, Barcelona, Spanien

7 Loccioni Group, Ancona, Italien

Fußnoten

1 Bei der Verwendung von virtuellen Maschinen wird versucht, diese auf eine minimale Anzahl von Servern zu konzentrieren. Damit steigt die Auslastung bzw. die Effizienz dieser Server. Die anderen Server befinden sich im Leerlauf (idle) und benötigen nur noch Ruhestrom.

2 Server im Leerlauf können ausgeschaltet werden, um den Stromverbrauch weiter zu senken.

3 Das Scheduling soll verschiebbare Aufgaben (z. B. Berechnungen, Simulationen) zu einer späteren Zeit ausführen, wenn nach dem hier gezeigtem Ansatz die Bedingungen besser sind (z. B. höhere Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie).

4 Die Stromversorgung selbst ist mit Verlusten behaftet (z. B. durch Wandlung und Speicherung). .

5 Durch den Standort sind weiterhin festgelegt: das Klima, die Preise für Strom und andere Energieträger, die Primärenergiefaktoren, die Verfügbarkeit von Wasser usw.

6 Unter Cloud Computing versteht man die Nutzung eines entfernten Rechenzentrums. Dieses Rechenzentrum kann verschiedene Dienstleistungen zur Verfügung stellen (z. B. virtuelle Maschinen, Plattformen).

Abkürzungsverzeichnis

ASHRAE American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers

dcData centre

ITInformationstechnik

RZRechenzentrum

USV unterbrechungsfreie Stromversorgung

Literatur:

[1] Hintemann, R.; Ostler, U.: Der Energieverbrauch von Rechenzentren steigt und steigt. http://www.datacenter-insider.de/rechenzentrum/versorgung/articles/472958/. Aufruf 27.10.15

[2] Ackermann, L.; et al.: Energieeffizienz in Rechenzentren. Berlin: Bikom (Hrsg.) 2015

[3] Salom, J.; et al.: www.renewit-project.eu. Projektseite, 2013–2016

[4] Bitcom e. V. (Hrsg.): Energieeffizienz in Rechenzentren, Leitfaden. Berlin, 2015

[5] Data Center Site Infrastructure Tier Standard (Hrsg.): Topology. Uptime Institute. Verfügbar unter: http://www.onepartner.com/Portals/4/Docs/uptime_institute_standard_tier_topology.pdf. [Zugriff am 04.08.2014]

[6] Pflugradt, N.; Urbaneck, T.; Oppelt, T.; Platzer, B.: Kühlung von Rechenzentren – Teil 1: Server. HLH Lüftung/Klima, Heizung/Sanitär, Gebäudetechnik, Springer 65. Jg. (2014), Heft 10, S. 42–45, ISSN 1436-5103

[7] Pflugradt, N.; Urbaneck, T.; Oppelt, T.; Platzer, B.: Kühlung von Rechenzentren – Teil 2: Rechenzentrumsstruktur und Kühllasten durch die Peripherie. HLH Lüftung/Klima, Heizung/Sanitär, Gebäudetechnik, Springer 65. Jg. (2014), Heft 12, S. 30–33. – ISSN 1436-5103

[8] Pflugradt, N.; Oppelt, T.; Urbaneck, T.; Platzer, B.: Kühlung von Rechenzentren – Teil 3: Kühlkonzepte. HLH Lüftung/Klima, Heizung/Sanitär, Gebäudetechnik Springer 66. Jg. (2015), Heft 2, S. 22–28, ISSN 1436-5103

[9] Barcelona Supercomputing Center: https://www.bsc.es/marenostrum-support-services/mn3. 2016

[10] van der Ha, B.; Nagtegaal, B.: Data Centres: Market Archetypes and Case Studies. 2014

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