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Passivhaustechnik ist auf dem Weg zum Standard

Viele Stellschrauben vorhanden

    Energieeffizientes Bauen muss nicht teuer sein, so das Ergebnis der 22. Internationalen Passivhaustagung in München. Bei sorgfältiger Planung und rationellen Baumethoden ist der Passivhaus-Standard sogar fast ohne Mehrkosten gegenüber der aktuell gültigen EnEV 2016 realisierbar. So kann mit einer exakten Detailplanung der energieeffizienten Maßnahmen und dem Einsatz von Serienbauteilen ein Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh/m2 und Jahr erreicht werden.

    Auf Heizkostenabrechnung verzichten

    Für Wolfgang Feist, Gründer des Passivhaus Instituts in Darmstadt, eignet sich das Konzept des Passivhauses (PH) inzwischen auch für den leistbaren Wohnungsbau“. Die bisherigen Hemmnisse in dieser Kategorie seien weniger technischer oder wirtschaftlicher Natur, sondern eher eine Frage der Fortbildung bei den Akteuren. Allerdings ignorieren Teile der Wohnungswirtschaft wesentliche Kostenblöcke zur Einsparung von Bau- und Unterhaltskosten, so Wolfgang Feist. Dazu zählen die Verkleinerung bzw. der Wegfall der konventionellen Heizungsanlage, das Entfallen der Gebühren für die Heizkostenabrechnung sowie die geringeren Wartungs- und Betriebskosten von Passivhäusern.

    Wichtig seien ein intelligentes, gewerkeübergreifendes Planungssystem und die Einhaltung der Passivhausregeln von der Vorplanung bis zur Bewirtschaftung der Immobilie, betont Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführung der ABG Frankfurt Holding. Ein wichtiger Meilenstein zu mehr Kosteneffizienz ist die Ausnahmeregelung für Passivhäuser von der Heizkostenverordnung, wenn der Heizwärmebedarf unter 15 kW/m2 und Jahr liegt. Ein Monitoring in einer Wohnanlage hat bestätigt, dass durch die Warmmiete keine zusätzliche Belastung für den Vermieter entsteht. Erfahrungen zufolge sind Passivhausgebäude bei der Errichtung heute nur noch etwa 3 bis 5 Prozent teurer als solche nach EnEV 2016, haben aber längerfristig ein höheres Mietsteigerungspotenzial.

    Weniger Dämmdicke durch Lüftungen mit Wärmerückgewinnung

    Bei der Planung von Passivhäusern kommt den Komponenten Fenster“ und Lüftung“ eine wichtige Rolle zu, so Wolfgang Feist. Diese seien in den letzten Jahren bei stabilen bis sinkenden Preisen bedeutend effizienter geworden. Daher wird empfohlen, bei beiden Gewerken die höchstverfügbare Qualität zu verbauen, denn dann ist eine geringere Dämmstärke möglich, was sich insbesondere im Geschosswohnbau auszahlt.

    Während reine Abluftanlagen als Minimalausstattung mit rund 1250  Euro je Wohneinheit im Passivhausbereich eher als Notlösung ohne Einsparbeitrag gelten, bieten die neuen Wohnungslüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung in Passivhausqualität nicht nur mehr Komfort, sondern auch einen höheren Einsparbeitrag für die Passivhauszertifizierung. Solche Anlagen wurden in der Vergangenheit mit etwa 4500 Euro je Wohneinheit (ca. 80 m2, montiert) kalkuliert; heute gibt es bereits Systeme in der Größenordnung von 3000 Euro je Wohneinheit inklusive Montage. Diese Preise sind allerdings nur durch eine ausgefeilte Baustellenlogistik zu erreichen, wo es ebenso wie bei Systemtechnik und Vorfertigung hohe Kostensenkungspotenziale gibt. Weitere Einsparungen sind beim Stromverbrauch der Lüftungssysteme zu erwarten.

    PH-Zertifizierer hilft, Fehler zu vermeiden

    Wer als Passivhausneuling ganz sicher gehen will, schaltet bereits bei Beginn einer Passivhausplanung einen Zertifizierer ein, denn dadurch lassen sich die typischen Anfangsfehler vermeiden. Doch auch bei eher routinierten Passivhaus-Planern können Zertifizierer noch zwischen 20 und 40  Hinweise auf eine Passivhaus-konforme Planung und Ausführung geben. Martin Sambale vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!) nennt als typische Fehler:

    falsche Klimadatensätze

    falsche Flächenangabe

    Abweichung des realen Baugrundstücks von der geplanten Himmelsrichtung

    Fehleinschätzung von Verschattungen (führen zur Überhitzung im Sommer)

    Planungsfehler bei der Lüftung (sehr häufig) und bei den Fenstern (häufig)

    Auch der Verbrauch von Hilfsstrom für Regelungs- und Steuerungsaufgaben wird oft unterschätzt.

    Hohes Potenzial zur Vereinfachung der Heiztechnik

    Ein Einfamilienhaus im Passivhaus-Standard kann auch bei kaltem Winterwetter theoretisch mit 15 bis 20 Teelichtern beheizt werden, so Burkhard Schulze Darup, Ar-chitekt und Städteplaner, Berlin/Nürnberg. Dies veranschaulicht das hohe Potenzial zur Vereinfachung der Heiztechnik. Dazu müssen erneuerbare Wärme und regenerative Stromgewinnung zusammengeführt werden. Durch einfachere Systemlösungen für Heizung und Trinkwassererwärmung können 15 bis 40  Euro/m2 Wohnfläche eingespart werden. Das gilt insbesondere für Wärmepumpenkonzepte, bei denen neben dem Aggregat sowohl primärseitig als auch auf der Heizseite jeweils deutlich kleinere Lösungen als für den EnEV-Standard gefordert sind.

    Auch bei der Lüftungstechnik muss sich laut Schulze Darup bei den Kosten (Investition und Wartung) noch etwas bewegen. Die bisherigen Investitionskosten liegen bei 50 bis 100 Euro/m2 Wohnfläche, innovative Lüftungslösungen können aber heute schon ab 35 Euro/m2 Wohnfläche bzw. 3000 Euro je Wohneinheit im Geschosswohnbau um-gesetzt werden.

    Fazit

    Der Passivhaus-Standard dürfte bei der Investitionssumme zukünftig mit den konventionell erstellten Gebäuden nach EnEV- bzw. KfW-Effizienzhausstandard gleichziehen. Denn es sind weitere Effizienzverbesserungen bei Fenstern, Wohnungslüftungssystemen und Wärmepumpen zu erwarten. Im Geschosswohnbau spielen künftig die Vorfertigung, der rationelle Einbau und die Baustellenlogistik eine tragende Rolle zur Senkung der Baukosten.

    Nachhaltigkeitsbewertung mit PER

    Zur Bewertung der energetischen Nachhaltigkeit eines Gebäudes hat das Passivhaus Institut 2014 den sogenannten PER-Faktor (Primary Energy Renewable) eingeführt. Mit der Version 9 des Passivhaus-Planungstools PHPP sind diese PER-Faktoren weltweit als Zertifizierungsgrundlage eingeführt.

    Definiert ist PER als Quotient aus Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen“ und Endenergiebedarf Gebäude“. Direkt genutzter Wind- und PV-Strom weisen einen PER-Faktor von 1,0 auf; aus Windstrom mittels Elektrolyse generiertes Gas dagegen einen PER-Wert von 1,75. Im Idealfall sollte Strom aus erneuerbaren Quellen mittels Wärmepumpe in Wärme umgewandelt werden. Dadurch ist eine hohe erneuerbare Versorgungseffizienz zu günstigen Kosten gegeben, die im Bereich zwischen 0,03 bis 0,05 Euro je kWh Wärmeenergie liegt. Allerdings muss die Versorgung in Zeiten ohne Sonne und Wind (Dunkelflaute) noch geklärt werden. Ein wesentliches Qualitätskriterium für alle Arten von Gebäuden dürfte die Größe der Lastspitze zu Zeiten der Dunkelflaute werden. Der Passivhaus-Standard hat jedenfalls das Potenzial für kostengünstige regionale und nationale Versorgungsstrukturen.

    Wolfgang Schmid,

    freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München

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