Ein Neubau in Neumarkt in der Oberpfalz von Bionorica SE, Marktführer bei pflanzlichen Arzneimitteln wie Sinupret, beweist: Die Anforderungen an raumlufttechnische (RLT) Geräte in der Pharmaindustrie sind aus unterschiedlichen Gesichtspunkten anspruchsvoll und verlangen ein breit aufgestelltes Repertoire an Lösungen. Robert Sauter, Burgau
Es ist naheliegend, dass bei einem Pharmaunternehmen wie Bionorica die hygienischen Anforderungen an RLT-Geräte sehr hoch sind. Wie vielfältig Anforderungen an RLT-Geräte allein in einem Bauabschnitt sein können, zeigt dieses Projekt ebenfalls. Diese reichten von einer vom Bauherren gewünschten speziellen Gehäusefarbe über eine integrierte Regelung und den Einsatz eines Hochleistungs-Kreislaufverbundsystems bis hin zu einer ATEX-konformen Ausführung.
Ungestörte Abläufe gefordert
Die Unternehmensabläufe bei Bionoricasollten während der Erweiterung des Hauptstandorts durch Baumaßnahmen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Dies galt auch für die Installation der RLT-Geräte. So ist der Innenhof, auf dem die Anlieferung vorgesehen war, zugleich auch Lieferzone des Wareneingangs von Bionorica. Deshalb erfolgte die Anlieferung in enger Abstimmung mit Bionorica und dem Fachplaner Andreas Farmbauer vom Ingenieurbüro Farmbauer: Die drei für diesen Bauabschnitt benötigten RLT-Geräte wurden auf drei Tage und neun LKW verteilt. Wartezeiten auf der Baustelle wurden so reduziert und die RLT-Geräte mit einem Kran teils direkt von den LKW an den geplanten Aufstellort gehoben.
RLT-Gerät und Regelung aus einer Hand
Des Weiteren legte Andreas Farmbauer großen Wert auf eine integrierte Regelung. Er sieht neben der kürzeren Montage- und Inbetriebnahmezeit einen weiteren bedeutenden Vorteil: Durch die Integration der Regelung entfällt die Schnittstellenproblematik zwischen verschiedenen Lieferanten. Ein optimaler Betrieb der RLT-Geräte wird so deutlich einfacher erreicht.
Insbesondere das zur Wärmerückgewinnung eingesetzte Hochleistungs-Kreislaufverbundsystem (H-KVS) stellt hohe Anforderungen an die Regelung. Die speziell für H-KVS entwickelte MSR-Technik von robatherm regelt den Solekreis anhand des Wärmestromkapazitäten-Verhältnisses der luft- und soleseitigen Mengen. Dies bewirkt ein günstiges Verhältnis von Energieausbeute und eingesetzter Antriebsenergie. Exakte Ist-Werte stellen ein elektronisches Durchflussmesssystem ohne bewegliche Bauteile und kalibrierte Ventilatoreinlaufdüsen bereit.
RLT-Gerätetechnik bei Bionorica
Bei den drei betrachteten RLT-Geräten handelt es sich um ein Zuluftgerät mit 40 000 m³/h, ein Abluftgerät mit ebenfalls 40 000 m³/h und ein Zu-/Abluftgerät mit 60 000 m³/h Luftvolumenstrom. Deren Beschichtung ist außen signalblau (Farbton RAL 5005) und innen reinweiß (RAL 9010). Innen wurden die RLT-Geräte zusätzlich antimikrobiell beschichtet. Das Abluftgerät ist mit einer ableitfähigen graphitgrauen Beschichtung (RAL 7024) versehen.
Eine Kälteanlage mit vier Verdichterstufen sowie die entsprechende MSR-Technik mit Anbindung an die Gebäudeleittechnik (GLT) sind in die RLT-Geräte integriert. Eine Wärmerückgewinnung mit Hochleistungs-Kreislaufverbundsystem (H-KVS) und die Nutzung von Fremddampf für die Befeuchtung mittels Dampflanzen sind weitere Details. Die adiabate Abluftbefeuchtung mittels Luftwascher enthält das System Hygienecontrol für das automatische Entleeren, Reinigen und Trocknen des Befeuchters. Es sorgt für einen hohen Hygienestandard und steigert die Wartungsfreundlichkeit.
Hochleistungs-Kreislaufverbundsystem
Bei der Wahl des Wärmerückgewinnungssystems sind die Rahmenbedingungen besonders zu beachten. Hohe hygienische Anforderungen verbunden mit einer effizienten Betriebsweise prädestinierte ein H-KVS für den Einsatz bei Bionorica. Hauptargument hierfür war neben der Effizienz die vollständige Trennung der Luftströme. Dadurch wird eine Stoffübertragung beispielsweise von Keimen, Schadstoffen, Feuchtigkeit oder Gerüchen sicher vermieden.
Eine hydraulische Regelgruppe dient unter anderem zur Leistungsanpassung und wurde auf einen geringen wasserseitigen Druckverlust hin optimiert. Eine drehzahlgeregelte Pumpe sowie ein Regelventil bewirken eine hohe Regelgenauigkeit auch im Teillastbetrieb.
Wirksame antimikrobielle Pulverbeschichtung
Verunreinigte Luft im Bereich der Produktion oder Lagerung der pflanzlichen Heilmittel hätte für Bionorica gravierende Konsequenzen. Aus diesem Grund entschied sich das Ingenieurbüro Farmbauer für eine zusätzliche Schutzmaßnahme: eine antimikrobielle Pulverbeschichtung der RLT-Geräte. Diese Maßnahme überzeugt spätestens bei näherer Betrachtung. Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze können auf jeder erdenklichen Oberfläche auftreten und sich ausbreiten. Dort bilden sie eine dünne Schleimschicht, den Biofilm. Im Biofilm steigt deren Immunität unter anderem gegenüber Temperaturschwankungen, Reinigungs- und Präventivmaßnahmen.
Nachweislich anhaltend wirksame Stoffe in der Oberflächenbeschichtung von RLT-Geräten können effektiv gegen die Ansiedlung von Mikroorganismen wirken. Die bei Bionorica eingesetzte antimikrobielle Pulverbeschichtung ist einer antibakteriellen Beschichtung deutlich überlegen. Denn anders als antibakterielle Wirkstoffe wirkt die antimikrobielle Beschichtung auch gegen Algen, Hefe- und Schimmelpilze. Außerdem zeigt sich die Überlegenheit in der lang anhaltenden Wirkung der robatherm-Beschichtung. Diese wurde von einem Prüfinstitut in einer mehrjährigen Studie untersucht und bestätigt.
Explosionsgefährdete Bereiche erfordern Schutzmaßnahmen
Angesichts der Verwendung von hochprozentigem Alkohol im Produktionsprozess erhält der Explosionsschutz bei Bionorica eine besondere Bedeutung. RLT-Geräte stehen dabei bezüglich des Gefahrenpotenzials an herausragender Stelle. Zum einen, weil sie eine Ex-Atmosphäre bewegen können, zum anderen, weil bestimmte Komponenten und das Gehäuse ein Risiko als Zündquelle darstellen. Wenn im Aufstellungsraum Ex-Atmosphäre auftreten kann und/oder Ex-Atmosphäre zeitweise gefördert wird, gilt für RLT-Geräte neben der EG-Maschinenrichtlinie auch die EG-ATEX-Richtlinie. Dies hat verschiedene Schutzmaßnahmen zur Folge. Rundum geerdete Metallteile beispielsweise vermeiden eine statische Aufladung. Eine spezielle, elektrostatisch ableitfähige Pulverbeschichtung des kompletten RLT-Gerätes ist zwingend erforderlich.
Fazit
Das Projekt bei Bionorica zeigt deutlich, wie vielfältig die Ansprüche an RLT-Lösungen selbst bei einem einzelnen Projekt sein können. Die anspruchsvolle Aufgabe des Fachplaners ist es, diese Anforderungen in einer Planung zu berücksichtigen. Ein breites Lösungsspektrum und eine intensive Zusammenarbeit zwischen Planer und Gerätehersteller sind die Grundlage für eine erfolgreiche und kompetente Planung. Je größer die Auswahl der verfügbaren Systeme und Gehäusevarianten beim RLT-Gerätehersteller ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, die geeignetste Lösung auch tatsächlich umsetzen zu können hinsichtlich Technik, Budget und Projektabwicklung.
