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Regeneratives Kühlen dank umfassendem Anlageneffizienzmonitoring

Natürliche Kühlung überwachen

    Eisspeicher, diese großen, mit normalem Wasser gefüllten Betonbehälter, kommen selbst vielen TGA-Profis immer noch vor wie die schwarze Kiste bei der Zaubervorstellung: Irgendwie scheint mehr Energie rauszukommen als hineingeht. Dabei gibt es bei den individuell auf das jeweilige Projekt dimensionierten Speichern keinen doppelten Boden, keine zersägten Jungfrauen und keine Kaninchen, die aus dem Hut hüpfen. Genutzt wird vielmehr die Fähigkeit von Wasser, sehr viel Energie speichern zu können. Dazu kommt der Effekt, dass sich die Speicherkapazität von Wasser beim Gefrieren um das 80-Fache erhöht. Denn dann werden die ansonsten frei beweglichen Wassermoleküle fest in ein Kristallgitter, sprich das Eis, eingebunden. Letztlich beruht die Funktion eines Eis-Energiespeichers auf nichts anderem als gefrierendem und auftauendem Wasser, also der Nutzung von Kristallisationsenergie, sowie auf den beiden ersten Hauptsätzen der Thermodynamik.

    In Verbindung mit einer oder mehreren Wärmepumpen bevorratet der Eis-Energiespeicher antizyklisch über das Jahr erneuerbare Energie in Form von Heizwärme und Nutzkälte für die Temperierung von Gebäuden oder Prozessen. In der Heizperiode entzieht die Wärmepumpe dem Wasser Wärme für die Beheizung des Gebäudes. Logischerweise macht eine Wärmepumpe dann nicht nur Wärme, sondern im Solekreislauf auch Kälte. Dadurch kühlt das Wasser im Eisspeicher ab, bis es gefriert. Die dabei frei werdende Kristallisationsenergie wird zusätzlich genutzt. Idealerweise ist ein Eis-Energiespeicher zum Ende des Frühjahrs komplett vereist. Dieses Eis wird in der warmen Jahreszeit genutzt, um das Gebäude zu kühlen. Der Prozess dreht sich um, dem Gebäude wird Wärme entzogen, die wiederum das Eis im Speicher nach und nach auftaut. Natural cooling nennt sich der Prozess im Fachjargon. Weitere Wärmequellen sind das den ungedämmten Eisspeicher umgebende Erdreich und, je nach Anlagenauslegung, Solar-Luft-Absorber oder Power-to-Heat-Lösungen, die überschüssigen regenerativen Strom in nutzbare Wärme umwandeln (netznützlicher Betrieb von Wärmeversorgungsanlagen). Hierdurch wird der Eisspeicher zum echten Energiemanager. Im Herbst beginnt der Kreislauf wieder von Neuem.

    HOAI-Phasen 0 und 10

    Was sich in der Theorie logisch anhört und in der Praxis in mittlerweile rund 120 gebauten Eisspeicher-Anlagen im Projektgeschäft funktioniert, erfordert bei der Analyse, der Projektierung, der Planung, dem Bau und der Inbetriebnahme ein ausgefeiltes Anlagendesign und Optimierungsprozesse, damit der Eis-Energiespeicher seine Aufgabe als Energiemanager erfüllen kann. Es geht darum, ein schlüssiges dynamisches energetisches Gesamtkonzept zu erstellen. Hierbei müssen die Nutzung des Gebäudes und dessen Umgebung betrachtet werden. Es geht im Wesentlichen um Vereinfachung“, sagt Heiko Lüdemann, Geschäftsführer des Anbieters Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH in Ludwigsburg. Das Unternehmen bietet individuelle Eis-Energiespeicheranlagen ab einer Wärmepumpenleistung von 21 kW an.

    Die meisten Anlagen sind unvollständig durchdacht und deshalb oft zu komplex. Um dies zu verhindern, schalten wir im Auftrag des Kunden vor die eigentliche Planung und Ausführung nach HOAI sozusagen eine Phase 0 vor“, erläutert Lüdemann. Bevor der Kunde einen Planungsauftrag vergibt, investieren wir gemeinsam Zeit in das Warum und die zu erreichenden Ziele“, so Lüdemann weiter. Auf technischer Ebene sind lange Laufzeiten, geringe Taktung und hohe Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpe das Ziel. Ökologisch und wirtschaftlich soll am Ende der Heizperiode ein optimaler Vereisungsgrad erreicht werden, der dann die regenerative Kühlung über den Sommer möglich macht. Kernleistung dieser Phase 0 ist eine konsequente Methodik, in der Planer und Kunde ein gemeinsames Verständnis der Aufgabe, der Rahmenbedingungen und des Vorgehens erarbeiten. Hierbei wird neben den erforderlichen ausführlichen Abstimmungsgesprächen, ein umfassendes Anforderungsprofil für die Anlage und ihrer spezifisch auf das Projekt abgestimmten Leistung erarbeitet. Am Ende der Phase 0 steht dann die gemeinsame Zieldefinition für das Anlagendesign.

    Unter der Maßgabe des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik, dass Energie nicht erzeugt, sondern nur genutzt und damit exergetisch entwertet werden kann, wird die Anlage mit einer dynamischen, komplexen Gebäudesystemsimulation entwickelt und geplant. Die von uns eingesetzte Software TRNSYS erlaubt es, die Abläufe in der Anlagentechnik und des Gebäudes minutengenau über das Jahr bei unterschiedlichen klimatischen Rahmenbedingungen zu be-trachten und so die Anlage selbst und die Prozesse zu optimieren“, erläutert Dipl.-Ing. Bernd Schwarzfeld die systematische Vorgehensweise. Sein Unternehmen BZE-Ökoplan in Hamburg betreut und überwacht im Auftrag verschiedener Kunden eine Vielzahl von Anlagen mit und ohne Eis-Energiespeicher.

    So auch den Neubau der Galab Laboratories in Hamburg (siehe Infokasten). Diese Simulationen des Notwendigen und des Sinnvollen durch BZE-Ökoplan haben uns sofort überzeugt“, so Dr. Eckard Jantzen, Inhaber der Galab Laboratories, die vor vier Jahren den ersten Eisspeicher weltweit in Betrieb nahmen, der von Beginn an sowohl Wärme als auch Kälte parallel nutzt.

    Ist die Anlage fertig und abnahmebereit, tritt das Projekt aus der Bau- in die Nutzungsphase: Im Zuge des Anlageneffizienzmonitorings werden nun die Simulationsergebnisse aus der Phase 0 über die realen Anlagendaten gelegt und interpretiert. Im Prinzip ist die von uns sogenannte HOAI-Phase 10 eine erweiterte Inbetriebnahme. Entscheidend ist, ob die zuvor vereinbarten Ziele erreicht wurden oder eben noch herbeizuführen sind. Je nach Wunsch des Kunden schauen wir deshalb zwei, fünf oder sogar zehn Jahre lang auf seine Anlage, nehmen in Abstimmung mit ihm Änderungen vor oder schreiben sogar direkte Mängelanzeigen nach VOB-C“, so Schwarzfeld weiter. Neben der energetischen Optimierung werden so auch Fehleinstellungen und -funktionen diagnostiziert und potenzielle Anlagenausfälle bereits im Vorfeld erkannt bzw. verhindert. Konstante Volumenströme und optimale Systemtemperaturen anstatt möglicher Niederdruck- oder Hochdruckstörungen bei Wärmepumpen sind das Ziel, an das sich das Team von BZE-Ökoplan Tag für Tag näher heranarbeitet, Erfolgsmanagement nennt das Bernd Schwarzfeld.

    Komplexität im Sinne des Kunden reduzieren

    Für den Kunden bedeutet diese Form der Betreuung letztlich die Reduzierung von Komplexität“, so Heiko Lüdemann von Viessmann Eis-Energiespeicher. Häufig steht am Ende der intensiven Projektierungs- und Planungsphase auch ein einfacheres Anlagendesign, da Energieflüsse im Objekt besser genutzt werden. In der Betriebsphase erhält der Kunde auf Wunsch eine permanent überwachte Eisspeicher-Wärmepumpen-Anlage, um die er sich nicht kümmern muss. Dazu bekommt der Kunde Monats- oder Quartalsberichte sowie Vorschläge für Verbesserungen. Wenn der Kunde möchte, kann er aber auch jederzeit live in die Anlage hineinschauen. Das ist auch unser Anspruch, da hierdurch ein tiefes Verständnis auf Kundenseite für die reale Funktion der Anlage entsteht und ermöglicht wird“, sagt Bernd Schwarzfeld. Die Betrachtung ist über jeden Internetbrowser möglich. Die nötige Technik setzt auf die sowieso notwendige Anlagensteuerung auf. Die Gebäudeleittechnik für das Monitoring und die Visualisierung per Touchscreen im Schaltschrank oder auf dem Tablet im Büro des Kunden kostet bei üblichen Anlagen einen niedrigen fünfstelligen Betrag. Die Messeinrichtungen überwachen und protokollieren Temperaturen und Betriebszustände und messen per Radar den Vereisungsgrad des Eisspeichers. So wird sichergestellt, dass die Anlage im bestmöglichen Zustand betrieben wird. Für einen Kunden wie Galab Laboratories bedeutet dies höchste Sicherheit, sowohl auf technischer wie auf betriebswirtschaftlicher Ebene.

    Monitoring ermöglicht das Erreichen wirtschaftlicher Ziele

    Damit lassen sich dann eine Vielzahl von Datenpunkten schreiben, Werte speichern und historisieren und damit alle relevanten Anlagenparameter beobachten, bewerten und visualisieren. In der Regel wird dazu eine eigene Datenleitung verlegt oder Mobilfunk genutzt, um die Kommunikation außerhalb des Kundennetzwerks zu realisieren. Spezialisierte Firewalls gewährleisten den Datenschutz. Alternativ arbeitet die Ge-bäudeleittechnik auf den Rechnern der Kunden, das Monitoring erfolgt dann indirekt.

    Auf einem von der Firma IMAS erstellten visualisierten Anlagenschema lässt sich jederzeit verfolgen, ob die Anlage sich im Rahmen der vorgegebenen Parameter bewegt, wo es Abweichungen gibt und welche Optimierungen möglich sind. Es beruhigt, wenn zu jeder Zeit und jedem Ort die Anlage geprüft und rechtzeitig Störmeldungen empfangen werden können“, so Schwarzfeld.

    Natürlich gehört auch die betriebswirtschaftliche Sicht zum Abgleich zwischen Phase 0 und Phase 10. Denn es gilt, die einmaligen Mehrkosten einer Eis-Energiespeicheranlage durch dauerhafte Betriebskosteneinsparungen zu amortisieren. Eine Reduktion der laufenden Betriebskosten von 60 bis 80 Prozent gegenüber einer fossilen Anlage sind üblich. Dazu kommt eine Reduktion der CO2-äquivalenten Treibhausgasemissionen in ähnlicher Dimension. Durch die genannte komplexe Analyse in der Phase 0 lassen sich die Baukosten gegenüber der ursprünglichen Planung aber auch deutlich reduzieren. Insbesondere die gleichzeitige Untersuchung von Gebäudehülle und technischem Konzept im Rahmen der genannten Gebäudesystemanalyse führt zu einfacheren und kostengünstigeren Systemen. Hierbei ist der sommerliche Wärmeschutz ein ganz wesentlicher Bereich“, sagt Bernd Schwarzfeld. Denn hieraus ergeben sich sehr große und gut nutzbare Potenziale für regenerative Energie.

    Kältekosten nahe Null

    Durch den Einbau einer Wärme-Kälte-Verbundanlage mit Eis-Energiespeicher konnten die Galab Laboratories in Hamburg-Bergedorf ihre Kühlkosten für das Gebäude und die umfangreiche technisch-elektrische Ausstattung um 99 Prozent senken. Insgesamt sind die Kosten des Labordienstleisters für Lebensmitteluntersuchungen für die Gebäudetemperierung um 59 Prozent gegenüber einer fossilen Heiz- und Kühlanlage gesunken. Die Treibhausgasemissionen reduzieren sich gegenüber einem Gas-Brennwertkessel und Kaltwassersatz um circa 60 Prozent. Möglich macht es ein 1000 m3 fassender Eisspeicher unter dem Parkplatz des Gebäudes, der über den Winter vereist. Durch die technische Ausstattung liegt auch im Winter ein Kühlbedarf vor, der ebenfalls von der Anlage gedeckt wird, die zusätzlich über zwei Wärmepufferspeicher sowie zwei Kältepufferspeicher verfügt. Ist der Eisspeicher komplett vereist, stehen rund 1000 Tonnen Eis zur Verfügung. Die maximale Heizlast liegt bei 210 kW, die Kühllast bei 70 kW. Konzipiert und geplant wurde die Anlage durch BZE Ökoplan in enger Kooperation mit Galab Laboratories und der Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH.

    Volker Lehmkuhl,

    Inhaber der Lehmkuhl Presse und PR Agentur in Herrenberg

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