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Dreiste Produktpiraterie am Beispiel eines Relais-herstellers

Plagiate bergen ein hohes Risikopotenzial

Aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Relais werden Hersteller von Schaltgeräten besonders häufig plagiiert, wie auch die Gruner AG, nach eigenen Angaben Weltmarktführer für gepolt bistabile Hochstromrelais bis 200 A, erfahren musste. Dass der Kopist nur ein paar Stände weiter auf derselben Messe ausstellt, ist dem Unternehmen schon mehrfach passiert – beispielsweise auf der electronica 2016. Erstmalig hat der Hersteller jedoch rechtliche Schritte eingeleitet: Nachdem eines der ausgestellten Relais, das unter anderem im Bereich Gebäudetechnik eingesetzt wird, eindeutig als Plagiat identifiziert werden konnte, erwirkte der Anwalt des Unternehmens eine Unterlassungsverfügung am Landgericht München I.

Rund 72 Prozent aller Plagiate und Fälschungen kommen laut der Ernst & Young-Studie nach wie vor aus China. Entdeckt werden sie oft erst auf Messen, wenn Hersteller ihre eigene Ware plötzlich an fremden Ständen sehen. Auf der electronica in München am 8. November 2016 bemerkte der Hersteller Gruner an einem benachbarten Stand eine Reihe von Produkten, die Ähnlichkeit mit den eigenen Relais aufzuweisen schienen. Bei einem Muster ließ sich die Kunststoffkappe abnehmen und anhand des Innenlebens feststellen, dass es sich um einen 1:1-Nachbau eines Gruner-Patents handelte, das in allen Hochstromrelais des Herstellers zum Einsatz kommt.

Fälschung aus dem Verkehr gezogen

Da für dieses Produkt, das unter anderem im Bereich Gebäudetechnik eingesetzt wird, in Deutschland ein Patentschutz besteht, schaltete das Unternehmen sofort den Anwalt ein und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Am nächsten Tag durchsuchte die Gerichtsvollzieherin des Landgerichts München I den Stand des chinesischen Ausstellers und zog das betreffende Relais aus dem Verkehr.

Ein Teilerfolg, denn vier bis fünf weitere Relais, hinter denen Gruner aufgrund äußer-licher Ähnlichkeiten ebenfalls Kopien vermutete, durfte das chinesische Unternehmen weiter ausstellen. Gruner konnte die Ge-richtsvollzieherin nicht davon überzeugen, dass die Produkte durch das Abnehmen der Kunststoffkappe nicht beschädigt werden und ihr Aufbau leicht zu überprüfen gewesen wäre. Immerhin war der Messestand des Plagiators etwa 30 Minuten lang blockiert und Interessenten wurden abgeschreckt.

Vorkommnisse wie auf der electronica sind für Gruner kein Einzelfall. Der Hersteller wird immer wieder von Kunden um eine Einschätzung zu Relais gebeten, die Ähnlichkeit mit dessen Produkten aufweisen und die ihnen von anderen Herstellern angeboten wurden. Seit mehreren Jahren stößt Gruner zudem immer wieder auf Plagiate. Besonders dreiste Kopisten verwenden für ihre Produktkataloge sogar Originalbilder von Gruner-Relais.

Risiken des Plagiate-Kaufs

Firmen, die Original-Produkte kopieren, sparen nicht nur an der Qualität der verwendeten Materialien. Den größten Nutzen haben sie dadurch, dass jahrlange Forschungs- und Entwicklungsarbeit einfach übersprungen wird. Nur so können Plagiate auf dem Markt zu Schleuderpreisen angeboten werden.

Doch der Weg von der Entwicklung eines neuen Produkts bis zur Serienfertigung ist nie stringent: Qualität lässt sich nur dann erzielen, wenn man Schritt für Schritt vorgeht und bereit ist, bis zum letzten Schliff immer wieder Änderungen vorzunehmen. Dadurch entsteht ein tiefgreifendes Produktverständnis, das es beispielsweise ermöglicht, für Kunden individuelle Anpassungen vorzunehmen, das dem Plagiator aber fehlt. Manchen Fälschern gelingt es daher zwar, Muster in akzeptabler Qualität herzustellen, aber zum Teil sind die Firmen bereits von einer Serienfertigung überfordert, sodass mit Feldausfällen im ein- bis zweistelligen Prozentbereich zu rechnen ist.

Der Erwerb von Billigprodukten kann für den Käufer jedoch noch gravierendere Konsequenzen haben: Bei Relais kommt es durch minderwertige Materialien, falsch festgelegte Parameter und unzureichende Tests oft zu erhöhten Feldausfällen – das ursprüngliche Ziel, Geld zu sparen, wird somit verfehlt. Im Gegenteil, meist muss bei Plagiaten sogar mit erhöhten Kosten gerechnet werden, da die Relais aufgrund mangelhafter Zuverlässigkeit häufig zu Problemen im Feld führen. Solche Mängel zeigen sich oft erst nach einiger Zeit unter hoher Beanspruchung. Dabei besteht das Risiko, dass ein Relais aufgrund mangelhafter Verarbeitung thermisch überlastet. Ist das Relais etwa in einem Stromzähler verbaut, kann es im schlimmsten Fall zu einem Wohnungsbrand kommen, bei dem auch Menschenleben in Gefahr sind.

Globales Problem

Den Plagiator von der electronica haben Gruner-Mitarbeiter bereits eine Woche später auf einer Messe in Spanien wieder gesehen, Produkte mit großen optischen Gemeinsamkeiten wurden auch hier wieder ausgestellt. Das musste hingenommen werden, da für die in Spanien ausgestellten Typen kein Patentschutz bestand.

www.gruner.de

Patrick Spreitzer,

Vorstand Geschäftsbereich Relais / Magnete bei der Gruner AG, Wehingen

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