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Bonitäten und Scorewerte von Auskunfteien sind oft ein Lotteriespiel

Unwahrscheinliche Geschäfte mit Wahrscheinlichkeiten

    Betriebsinhaber, Kreditinstitute, Leasinggesellschaften und Dienstleister können bei Auskunfteien abfragen, ob ein potenzieller Kunde, Antragsteller oder Interessent seinen vertraglichen Verpflichtungen bislang regelmäßig nachgekommen ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies auch künftig der Fall sein wird. Doch wie zuverlässig sind solche Bonitätsauskünfte?

    Eine vom Bundesministerium für Verbraucherschutz beauftragte Studie gibt Anlass zur Sorge: Nahezu jede zweite Bonitätsauskunft basiert auf fehlerhaften, überalterten oder unvollständigen Daten. Viele Kredit- und Bonitätsauskünfte beruhen zum Teil auf geschönten Eigendaten aus der gewerblichen Wirtschaft, teils auf subjektiven Informationen von Geschäftspartnern. Mitunter beziehen sich die Informationen auch auf nicht mehr aktuelle Geschäftszahlen.

    Damit degradiert sich das statistisch kalkulierte Krediturteil und hat mit einer umfassenden Bonitätsbewertung nichts mehr gemein, wie dies beispielsweise beim Rating durch die Hausbank der Fall ist. Oftmals erhalten Kunden wegen einer negativen Bewertung eine Absage und wissen meist nicht, wie diese zustande gekommen ist.

    Die Münchner GP Forschungsgruppe hatte im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz bei den führenden Kreditauskunfteien angefragt und dabei eine Überprüfung gespeicherter Verbraucherdaten vorgenommen. Sofern überhaupt Scorewerte zur Bonitätsbeurteilung den Betroffenen übermittelt werden, ist das Zustandekommen der Daten nicht nachvollziehbar und die Aussagekraft ist äußerst zweifelhaft. Bisher sind Scoring-Verfahren weder von einer neutralen Stelle offiziell zugelassen noch werden diese regelmäßig auf ihre ­Plausibilität hin geprüft.

    Handwerkerbonitäten besonders fehlerhaft

    Die Bonität von Handwerkern wird dem Vernehmen nach meist über die Kreditauskunftei Bürgel beurteilt. Dort sind nach Erkenntnissen der GP-Forschungsgruppe in noch stärkerem Maße, als dies bei der Schufa der Fall ist, die vorhandenen Daten in vielen Fällen völlig unzureichend oder falsch.

    Das Ergebnis der Studie zeigt, dass bei keiner der in die Untersuchung einbezogenen Auskunfteien Daten in befriedigender Weise abgespeichert wurden. Die Verfasser des Berichtes bemängeln, dass die Fehlerquote und die Quote der Unvollständigkeit der Datensammlung im Umfang von bis zu 45 % unvertretbar hoch seien.

    Falk Lüke, Datenschutzexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., ist von den Ergebnissen der Untersuchung überhaupt nicht überrascht: Die Studie zeichnet ein drastisches Bild. Die Scoring-Unternehmen speichern demnach nach wie vor oft falsche und falsch zugeordnete Daten. Für die Berechnung kreditorischer Risiken scheint der Würfel eine nur unwesentlich schlechtere, aber deutlich günstigere und datensparsamere Alternative zu sein. Die Auskunfteien erledigen ihren Job offenbar unzureichend und lagern die Qualitätskontrolle an die Betroffenen aus die von den Betreibern wiederum unzureichend informiert werden.

    Wie alle übrigen betroffenen Kreditauskunfteien ermuntert die Schufa nun dazu, dass die Verbraucher die über sie gespeicherten Daten überprüfen sollen, denn unverlässliche Daten nutzen niemandem; weder demjenigen, der solche Daten im Rahmen einer Bonitätsüberprüfung eines potenziellen Mieters oder Kunden für den Abschluss eines Geschäftes oder Vertrages ermittelt, speichert und nutzbar macht, noch demjenigen, der diese Daten für sein Geschäft benötigt. Und schon gar nicht demjenigen, über den solche Daten erhoben, gespeichert und verbreitet werden.

    Das Bundesverbraucherschutzministerium hat das Ergebnis der Studie zusammengefasst und entsprechende Schlussfolgerung aus dem Bericht Verbraucherinformation Scoring gezogen: Bei keiner der in die Untersuchung einbezogenen Auskunfteien sind Daten in vollständiger oder befriedigender Weise abgespeichert. Die Fehlerquote und die Quote der Unvollständigkeit der Datensammlung sind unvertretbar hoch. Sofern überhaupt Scorewerte zur Bonitätsbeurteilung den Verbrauchern übermittelt werden, ist ihr Zustandekommen nicht nachvollziehbar und ihre Aus­sagekraft äußerst zweifelhaft.

    • Bei Arvato Infoscore liegen nur Informationen zu Eidesstattlichen Versicherungen und Privatinsolvenzen vor, die auch von jeder anderen Auskunftei gespeichert werden, da sie über amtliche Daten zugänglich sind. Möglicherweise darüber hinausgehende für Verbraucher relevante Bonitätseinschätzungen werden Konsumenten im Rahmen der Eigenauskunft nicht automatisch mitgeteilt.
    • Creditreform ist bei Eigenauskünften ebenfalls nicht aussagekräftig, da dort nur selektiv gespeichert wird und das Datenmaterial veraltet ist. (Vorhandene) Scoringwerte werden bei Anfragen in der Regel nicht mitgeteilt.
    • Bürgel liefert nur sehr unvollständiges Material und zu wichtigen Kriterien wie Bankverbindungen, Kreditaufnahmen, Familienstand etc. liegen keine oder nur sehr unvollständige Informationen vor.
    • Im Vergleich mit den vorgenannten Auskunfteien liefert die Schufa die ausführlichsten Angaben zum Finanzverhalten. Aber diese Informationen sind in starkem Maße fehlerhaft bzw. unvollständig. Der Score der Eigenauskunft ist in keiner Weise aussagekräftig, da zum einen nicht nachvollziehbar ist, wie die Scorewerte zustande kommen, zum anderen welche Bedeutung die einzelnen Scorewerte haben und zum dritten aufgrund der fehlerhaften Unterlagen die Konstruktion des Scorewertes generell in Zweifel gezogen werden muss.

    Trifft das Ergebnis der GP-Untersuchung hinsichtlich des Anteils der zu beanstandenden Datensätzen zu, so sind im ungünstigsten Falle mehr als 60 Millionen Datensätze, die jährlich im Rahmen von Bonitätsprüfungen genutzt werden, unzureichend. Eine erschreckende Vorstellung.

    Ob die über ihn gespeicherten Daten vollständig oder fehlerhaft sind, kann jeder Verbraucher und jeder Geschäfts- und Betriebsinhaber in Erfahrung bringen, indem er Selbstauskunft bei den Kreditauskunfteien beantragt. Es besteht auch die Möglichkeit, bei nachgewiesenermaßen falschen Daten, diese korrigieren zu lassen.

    Dr. Dieter Korczak, Geschäftsführer der GP Forschungsgruppe, hält es für geboten, dass Konsumenten ihre bei den Auskunfteien gespeicherten Datensätze überprüfen. Das Problem, so der Scoring-Experte, besteht darin, dass die Auskunfteien für diese Überprüfung Geld verlangen. Wenn die Daten falsch sind, liegt der Fehler ja bei der Auskunftei. Ich würde daher anraten, eine sofortige Überprüfung nur bei berechtigtem Zweifel durchführen zu lassen und ansonsten die Möglichkeit einer kostenfreien Überprüfung abzuwarten. Zum 1. April 2010 tritt die bereits im Mai 2009 verabschiedete Datenschutznovelle I über das Scoring in Kraft. Dann hat jeder Verbraucher gegen­über den Auskunfteien einen Anspruch auf eine detaillierte wie kostenlose Selbstauskunft. Dadurch soll die Transparenz von Scoring-Verfahren, Bonitätsauskünften und des Zustandekommens der gespeicherten Daten deutlich erhöht werden. Außerdem können die Betroffenen folgende Auskünfte über sich einmal im Kalenderjahr kostenlos einholen und dabei ihre persönlichen Daten prüfen und notfalls reklamieren und korrigieren. -

    Was ist Scoring?

    Scoring ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, bei dem aus einer Anzahl von gesammelten persönlichen Daten eines Kunden per Knopfdruck eine Prognose darüber erstellt wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit dieser eine Ware oder Leistung vertragsgemäß (ab)bezahlt, einen Kredit ablöst, Versicherungsprämien regelmäßig entrichtet oder als Mieter seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen wird. Die Scoring-Skala reicht bis zu einem Scorwert von 100. Dieser Maximalwert bedeutet, dass ein Kunde mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent einenKredit zurückzahlen bzw. Leistungen mit 100-pro­zentiger Wahrscheinlichkeit bezahlen kann. Ob er auch bezahlen wird, steht dabei auf einem anderen Blatt. Unter dem Begriff „Bonitätsinformationen“ lassen sich unterschiedliche Inhalte zusammenfassen. Es handelt sich hierbei einerseits um Informationen über vorliegende konkrete Zahlungsstörungen, wie z.B. Schuldnerverzeichnisdaten oder Daten aus gerichtlichen Mahnverfahren. Bonitätsprüfungen sind eine Dienstleistung von Auskunfteien. Mithilfe einer Bonitätsprüfung wird ein potenzieller Kunde anhand vorliegender Informationen zu seinem Zahlungsverhalten auf Kreditwürdigkeit hin überprüft. Ziel ist es, frühzeitig risikobehaftete Geschäftsbeziehungen zu erkennen und entsprechend zu bearbeiten.

    Umstritten ist das Scoring vor allem wegen der Einbeziehung persönlicher Daten und wegen der Geheimhaltung der Berechnungsformeln. Nach Ansicht des Verbraucherschutzes sei die Prognosefähigkeit von Scoring-Verfahren lediglich eine Behauptung von Scoring-Anbietern und Geldinstituten und sei wissenschaftlich in keiner Weise bewiesen. Die Verbraucher­zentrale Bundesverband kritisiert, dass Verbraucher beim Scoring in „Schubladen gesteckt“ werden, ohne zu erfahren, wie, warum und mit welchen Merkmalen sie dort gelandet sind. Der Bundesdatenschutzbeauftragte befürchtet, dass Scoring zur Diskriminierung von Verbrauchern führt und hält es für nicht akzeptabel, wenn Betroffenen die Auskunft verweigert wird, welche Daten bei Bonitätsbewertungen zu Grunde gelegt werden.

    Ralf E. Geiling

    ist Wirtschaftsjournalist, ­Mitglied der Landespressekonferenz NRW und akkreditiert beim Bundespresseamt

    Ralf E. Geiling, Neuss

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