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Natürliche Kältemittel aus wirtschaftlichen Gründen?

Propan + CO2 = sehr gute Partner

    Die Anforderungen des Betreibers der ­Kälteanlage waren recht einfach: 130 kW Kaltsole bei -35 °C. Und man sei für inno­vative Lösungen offen. Zur ersten Projektbesprechung wurden zwei Vorschläge unterbreitetet:

    klassischer Verbund mit drei halbhermetischen Bitzer-Schraubenverdichtern; Kältemittel R 507 A,

    innovative Kaskadenanlage mit je drei Hubkolbenverdichtern; Kältemittel – obere Stufe R 290, untere Stufe R 744, subkritischer Betrieb.

    Die Vorschläge enthielten neben den geschätzten Investitionskosten auch eine Abschätzung der Betriebskosten. Der Endkunde kannte seine Strompreise und die zu erwartenden Betriebsstunden. Damit fiel die Entscheidung recht schnell zugunsten der Kaskade. Beide Kältemittel zeichnen sich durch hervorragende thermodynamische und umweltfreundliche Eigenschaften aus. Sie haben aber auch sehr spezifische Eigenschaften, die bei der Planung der Kälteanlage berücksichtigt werden müssen.

    R 744 (CO2): In dieser Anlage wird R 744 unterkritisch eingesetzt. So funktioniert der Kältekreis wie bei einer gewöhnlichen Kälteanlage. Damit der Prozess auch unterkritisch bleibt, muss die Verflüssigung unterhalb des kritischen Punktes, der bei 31 °C liegt, erfolgen. Für Kaskaden dieser Art liegt die typische Verflüssigungstemperatur bei ca. 5 °C. Unterkritische R 744-Anlagen werden gewöhnlich auf einen maximal zulässigen Druck (ps) von 40 bar ausgelegt.Das Problem ist, dass bei Stromausfall die Temperatur und damit auch der Druck auf Umgebungstemperatur ansteigen kann, beispielsweise beträgt der Druck bei 30 °C schon ca. 70 bar. Um den zulässigen Druck nicht zu überschreiten, müssen auf jeden Fall Sicherheitsventile vorgesehen werden. Diese würden bei Überschreiten des maximal zulässigen Druckes abblasen. Da beim Abblasen auch ein Teil des Kältemittels entweicht, ist nach Ende des Stromausfalls ein ordnungsgemäßer Weiterbetrieb evtl. nicht mehr möglich. Um diesen Fall zu verhindern, wurde bei dieser Anlage ein Notkühl- und ein Notstromaggregat vorgesehen.

    R 290 (Propan): R 290 besitzt zwar hervorragende thermodynamische Eigenschaften, ist jedoch in der EN 378 in die Kategorie A3 als brennbar eingestuft. Zugleich gibt die EN 378 dem planenden Ingenieureinen Leitfaden an die Hand, um eine sichere Anlage zu erstellen. Zunächst muss die maximal zulässige Füllmenge der Anlage bestimmt werden. In diesem Fall: alle kältemittelführenden Teile in einem Maschinenraum oder im Freien. Die Aufstellung erfolgt hier in einem Maschinenraum im Obergeschoss, zu dem nur befugte Personen Zutritt haben. Somit gibt es gemäß EN 378 keine Füllmengenbeschränkung. Anforderungen an den Maschinenraum: innen und außen Not-/Aus-Schalter, Bauweise in F 60, Beschilderung der Gefahrenquellen, Beleuchtung in EX-Ausführung mit separater Stromversorgung. Anforderungen an die Gaswarn- und Lüftungsanlage: Damit brennbare Luft nicht in Nebenräume gedrückt wird, muss der Maschinenraum im Unterdruck gefahren werden, d. h. der Lüfter in EX-Ausführung muss in der Abluft installiert werden. Die Abluft wird im Maschinenraum von unten abgesaugt und muss ins Freie geblasen werden. Die Zuluft wird frei von außen angesaugt und von oben zugeführt. Kurzschluss mit der Abluft ist zu vermeiden. Die Gaswarnanlage sollte in zwei Stufen ausgeführt werden. Voralarm: Bei Zuschaltung der Lüftung wird Voralarm gemeldet. Hauptalarm: Lüftung läuft mit maximaler Leistung, optischer und akustischer Alarm [90 dB (A)] aktiv, Kälteanlage wird spannungsfrei geschaltet und der Alarm wird an eine besetzte Stelle (z. B. Leitwarte oder Mobiltelefon) weitergeleitet.

    Besonderheiten der Kälteanlage

    Damit entweichendes Propan nicht an andere Komponenten strömt (z. B. die CO2- Anlage), muss die Propan-Anlage unten stehen. Bauteile sollten eine Herstellerfreigabe bzw. CE-Zeichen für Propan haben. Motorschutzschalter müssen im Schaltschrank montiert werden. Der Schaltschrank muss außerhalb des Maschinenraums aufgestellt werden. Um eine hohe Dichtheit der Kälteanlage zu gewährleisten, sollten alle Rohrleitungsverbindungen gelötet werden. Bördelungen sind nur ausnahmsweise mit Löt-adapter zugelassen. Abblaseleitungen sollten nach außen geführt und die Sicherheitsventile dort montiert werden. Der Hersteller muss eine Risikobeurteilung mit Berücksichtigung der besonderen Gefahren von Propan erstellen. Der Betreiber muss eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Dadie Anlage überwachungsbedürftig ist, muss die Abnahme vom Betreiber gemäß Betriebssicherheitsverordnung erfolgen. Damit wird klar, dass erhöhte Anforderungen an die Anlage gestellt werden. Diese lassen sich aber organisatorisch und finanziell leicht umsetzen.

    Energieeffizienz

    Die Kälteanlage wurde auf ein Betriebskostenminimum hin optimiert. Folgende Maßnahmen wurden ergriffen:

    drehzahlgeregelte Verdichter mit Frequenzumrichter

    drehzahlgeregelte Verflüssigerlüfter mit Frequenzumrichter. Die Verflüssigungstemperatur wird abhängig von der Außentemperatur gleitend gefahren.

    luftgekühlter Unterkühler für R 290

    elektronische Einspritzventile

    Wärmeübertrager-Flüssigkeit / Sauggas; zur Vermeidung von Gasbildung vor dem Expansionsventil ist das bei R 744 besonders wichtig

    luftgekühlter Heißgasenthitzer für R 744

    großzügige Dimensionierung sämtlicher Wärmeübertrager

    Bestimmt man unter Einbeziehung der Flächenreserven die Leistungszahl (COP) bei einer Außentemperatur von 32 °C und Soletemperatur 35 °C, erreicht man den sehr guten Wert von 1,45.

    Während der Ausführung hat es sich als sehr vorteilhaft herausgestellt, mit der Firma Heilmeier in Pöttmes einen Kälteanlagenbauer zu haben, der das ganze Projekt schlüsselfertig anbieten konnte. So kam neben der eigentlichen Kälteanlage die komplette Steuerungs-, Lüftungs-, Sicherheits- und Notstromtechnik einschließlich TÜV-Abnahme aus einer Hand.

    Inbetriebnahme

    Im Oktober 2012 konnte die Anlage in den Probebetrieb genommen werden. In Bezug auf die Eigenarten dieser Anlage verlief die Inbetriebnahme ohne Probleme. Im November erfolgte die endgültige TÜV-Abnahme, seitdem läuft die Anlage störungsfrei im Produktionsbetrieb. Als besonders effektiv hat sich die gleitende Regelung des Verflüssigungsdruckes erwiesen. Bei den im Dezember herrschenden, tiefen Außentemperaturen stellte sich bei stabiler Überhitzung eine Verflüssigungstemperatur von 11 °C ein. Auch bemerkenswert sind die thermodynamischen Eigenschaften der Kältemittel. So konnte bei Teillast kaum noch ein Temperaturgradient im Kaskaden-Wärmeübertrager festgestellt werden. Bestimmt man mit den abgelesenen Betriebswerten wiederum den COP, so ergeben sich bei einer Sole­austrittstemperatur von jetzt 38 °C beeindruckende 2,3.

    Förderungen

    Aufgrund des Einsatzes von natürlichen Kältemitteln, der hohen Energieeffizienz und der Wärmerückgewinnung wird die Anlage von dem BAFA mit dem Höchstsatz gefördert. Der Höchstsatz beträgt 35 Prozent und bezieht sich auf die gesamte Investitionssumme für die Kälteanlage mit allen benötigten Komponenten. Die Restsumme kann mit dem KfW-Energieeffizienzprogramm 242, 243, 244 zu vergünstigten Konditionen finanziert werden.

    Fazit

    Jeder Anlagenbetreiber, der sich Gedanken über die Investitionssumme, Betriebskosten und Zukunftssicherheit einer zu planenden Kälteanlage macht, wird auch eine hocheffiziente Kälteanlage mit natürlichen Kältemitteln in Betracht ziehen. Der Anlagenbetreiber, die Firma Hopsteiner, hat sich diese Gedanken gemacht und plant schon die nächste Kälteanlage. Aufgrund der Anforderungen zwar keine Kaskadenanlage, aber „natürlich“ mit Propan. -

    Vorteil: microox

    Um den Anforderungen an die Kälteanlage gerecht zu werden, entschied man sich auf der wärmeabführenden Seite für microox-Produkte von Güntner. Die microox-Technologieist nicht nur vielseitig einsetzbar, sondern insbesondere auch für Kältemittel, die in der EN 378 der Sicherheitsgruppe A3 zugeordnet sind, also brennbare Kältemittel, zugelassen. Ausschlaggebendes Argument bei diesem Projekt war allerdings die durch diese Technologie bedingt besonders niedrige Kältemittel-Füllmenge.

    Es kamen drei Geräte der Baureihe GVHX/GVVX mit unterschiedlichen Funktionen zum Einsatz: einmal als Enthitzer für R 744, einmal als Verflüssiger und Unterkühler für R 290. Beispielweise konnte beim Verflüssiger dank microox das innere Volumen von 130 l auf unter 30 l reduziert werden. Die Kälteleistung der Anlage beträgt 140 kW bei 40 °C, trotz der Unterkühler wird aber nur eine Füllmenge von 44 kg für die R 290-Stufe der Kälteanlage benötigt.

    Dipl.-Ing. Robert Baust

    Anwendungstechnik, Robert Schiessl GmbH, Oberhaching

    Robert Baust, Oberhaching

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