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Caverion | AKTUELLES

Brandschutz für 2,5 Millionen Bücher

Im Jahr 2004 hatte ein Brand nach einem technischen Defekt in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verheerende Schäden verursacht. Das Gebäude wurde teilweise stark beschädigt und zahlreiche unersetzliche historische Bücher und Kunstwerke zerstört. Ein Jahr später zerstörte ein Feuer 19 historische Lokomotiven und Triebwagen im Lokdepot des DB-Museums in Nürnberg.  Das Gebäude selbst brannte völlig aus und stürzte ein.

Nur zwei Beispiele für eine Frage, mit der sich Bibliotheken und Museen auseinandersetzen müssen: Wie können die wertvollen Bestände am besten einerseits vor Brandschäden und andererseits vor Löschwasser geschützt werden? Denn Feuer stellt eine der größten Gefahren für Bibliotheks- und Museumsbestände dar. Aber auch heiße Dämpfe können zu enormen Schäden führen. Gesetzliche Vorschriften für den Brandschutz in öffentlichen Gebäuden sind in Deutschland sehr allgemein gehalten. Die Musterbauordnung etwa sieht nur vor, dass die Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt werden muss – und das kann auf sehr unterschiedliche Weise erreicht werden. Etwas konkreter sind Feuerversicherungen. Sie empfehlen, zusammenhängende Flächen von mehr als 400 Quadratmetern durch Sprinkleranlagen zu schützen.

Mit Hochdruck gegen den Brandherd

Derzeit entsteht auf dem Campus der Philipps-Universität Marburg nach dem Entwurf des Büros sinning architekten, Darmstadt, der Neubau der Universitätsbibliothek. Rund 2,5 Millionen Bücher, darunter einzigartige Dokumente, wird die Bibliothek beherbergen. Auf den fast 18.000 Quadratmetern Fläche stehen zudem über 1.000 Leseplätze, PC-Pools und  Arbeitsräume zur Verfügung. Die Fertigstellung ist für den Sommer 2017 geplant. Rund 108 Millionen Euro investiert das Land Hessen in das Gebäude. Mehr als 1,3 Millionen Euro fließen davon in den Brandschutz.

Die Bibliothek wird in die Brandgefahrenklasse OH1 eingestuft, für den Bereich der Verschieberegale wurde die Brandgefahrenklasse OH3 der VdS CEA 4001 festgelegt. Die Brandlastendichte gilt als mittel, die absoluten Brandlasten im Gebäude werden als mittel bis hoch eingeordnet. Oberste Priorität hatte für den Auftraggeber ein materialschonendes Löschkonzept. Die Experten identifizieren daher eine Hochdruck-Wassernebel-Löschanlage als wirksamste automatische Löschanlage. Die Entwurfs- und Ausführungsplanung wurde durch das zuständige Ingenieurbüro mit den Sachverständigen des TÜV abgestimmt. Auf dieser Grundlage entschied sich das ausführende Unternehmen Caverion Deutschland für das System Aquasys. Mit einem Mindestdruck von 50 bar tritt bei diesem System das Löschwasser in Form eines dichten Nebels aus den Sprinklern aus.

Drei physikalische Mechanismen werden dabei genutzt:  

  • Kühlung
  • Verdrängung von Sauerstoff
  • Abschirmung von Hitzestrahlung

Eine der wichtigsten Löscheigenschaften von Wasser ist die Kühlfähigkeit. Verdampfendes Wasser kann Energie von bis zu zwei Megajoule pro Kilogramm absorbieren. Das ist mehr als jedes andere Brandbekämpfungsmittel. Gleichzeitig dehnt sich Wasser beim Verdampfen aus und erreicht das 1.700-fache seines ursprünglichen Volumens. Der Sauerstoff in der Luftschicht zwischen dem Brandherd und der Umgebungsluft wird damit verdrängt – das Feuer wird erstickt. Und schließlich verhindert die enorme Dichte kleinster Tropfen wie eine Art Vorhang, dass sich die Hitze ausbreitet. Ein entscheidender Punkt für Bibliotheken, denn Papier entzündet sich bereits bei rund 233 Grad Celsius.

Das Besondere an der Hochdruck-Wassernebel-Löschanlage ist, dass sie mit gerade einmal fünf Prozent des Wassers einer herkömmlichen Sprühwasser-Löschanlage auskommt. Ein enormer Vorteil, denn im Ernstfall können Löschwasserschäden an den Exponaten sowie am Bibliotheksgebäude minimiert werden. Gleichzeitig kann durch den geringeren Wasserverbrauch die Vorratsmenge gesenkt und der Wassertank verkleinert werden. Die Anlage hat damit insgesamt einen verringerten Platzbedarf im Vergleich zu einer konventionellen Sprinkleranlage, was zu mehr verfügbaren Raum im Gebäude führt.

Labortests im Vorfeld

Für den vollflächigen Schutz der vier Etagen der neuen Universitätsbibliothek Marburg installiert Caverion Deutschland 3.450 Hochdruck-Feinsprühsprinkler. Zudem werden rund neun Kilometer Rohrleitungen verlegt. Vier Hochdruckpumpen mit einer Nennleistung von je 135 kW fördern das Löschwasser mit bis zu 140 bar an die Sprinklerdüsen.

Das Gebäude ist in 21 Löschabschnitte unterteilt. Sie sind mit vorgesteuerten Alarmventilen ausgestattet, um eventuelle Fehlauslösungen zu vermeiden. Im Ernstfall muss einerseits das Thermoelement am lokalen Sprinklerkopf und andererseits über die Brandmeldeanlage auch das vorgesteuerte Alarmventil auslösen. Die Betriebszeit der Anlage haben die Experten mit 40 Minuten berechnet. Dafür reicht ein Wasservorrat von insgesamt 24 Kubikmetern. Die Zeit genügt, um bis zur Ankunft der Feuerwehr das Feuer einzudämmen bzw. es an seiner Ausbreitung zu hindern. Sie wird automatisch von der Brandmeldeanlage im Gebäude alarmiert. Sollte die allgemeine Stromversorgung ausfallen, werden die Aquasys Sprinklerpumpen durch ein Notstromaggregat  versorgt.

Caverion Deutschland betreibt am Forschungsstandort Aachen eine Hochdruck-Wassernebel-Löschanlage zu Test- und Demonstrationszwecken. Für den Auftrag mit dem Aquasys-System führten die Entwicklungsingenieure ebenfalls Untersuchungen durch. Sie testeten die Anbindung der Sprinklerköpfe an die Unterhangdecke mittels flexibler Schläuche. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass die Verbindung im Löschfall dem großen Wasserdruck möglicherweise nicht standhalten könnte. Das Unternehmen greift daher bei diesem Projekt auf die bewährten starren Verbindungen zwischen Deckenkonstruktion und Sprinklerköpfen zurück.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Hochdruck-Wassernebel-Löschanlage die Universitätsbibliothek optimal schützt. Durch geringen Platzbedarf und Wassermenge entspricht es den Vorgaben nach einem materialschonenden Löschkonzept. Schäden wie in Weimar oder Nürnberg können damit vermieden werden.

Autor:
Thomas Gwenner
Leiter Kompetenzteam Sprinkler
Hauptverantwortliche VdS-Fachkraft
www.caverion.de