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IEA warnt eindringlich: Die gefahr einer Versorgungskrise wächst

„Die Sirenen schrillen“

Die im Interview von Fatih Birol gemachten Aussagen sind dermaßen brisant, dass die von ihm getroffenen Gegenwarts- und Zukunftsprognosen hier auszugsweise veröffentlicht werden sollen. Interviewerin war die Energiepolitikerin Astrid Schneider; einleitend zum Interview mit Dr. Birol wird festgestellt:

„Energiehunger trifft Energieknappheit: Während die Nachfrage nach Öl wächst, sinkt die Förderung es drohen Lieferklemmen, eskalierende Preise, Inflation.“

IEA-Chefökonom Fatih Birol fordert daher die Mitgliedsstaaten zu einem Politikwechsel auf. Sein Motto: „Wir sollten das Öl verlassen, bevor es uns verlässt.“

Als Grund für die Warnung der IEA, die erstmals im November 2007 im „World Energy Outlook“ (WEO), der wichtigsten Publikation der IEA zu Energiemärkten und -ressourcen, veröffentlicht wurde und von der Annahme ausgeht, dass es zu einem Einbruch und eskalierenden Preisen in der Zeit von heute bis 2015 kommen könnte, sieht Birol die Problematik, dass gegenwärtig zu wenig in die Ölförderung investiert wird. Hierzu nennt er drei Gründe:

  • Der erste ist die sehr stark wachsende Nachfrage, hauptsächlich aus China, Indien und den Mitteloststaaten selbst. Diese Länder sind die Hauptmotoren des wachsenden Ölkonsums. „Selbst wenn es in den USA eine Rezession gäbe, berührt das diese Länder weniger, da Indien und China ein stärker binnengetriebenes Wirtschaftswachstum haben, während die hohen Ölpreise die Wirtschaft im Mittleren Osten ankurbeln. Die Ölnachfrage wird daher stark bleiben.“
  • Der zweite Grund ist, „dass wir auf Seiten der Ölförderung ein steiles Absinken der Fördermengen aus den existierenden Ölfeldern sehen, speziell in der Nordsee, den USA und etlichen Nicht-OPEC-Ländern. Allein hier müsste viel Geld investiert werden, um dieses Absinken zu verlangsamen.“
  • Der dritte Grund, „warum wir ein Risiko für die Gesamtförderung erwarten, ist, dass wir weltweit alle neuen Ölförderprojekte angesehen haben: insgesamt 230, in Saudi-Arabien, Venezuela, der Nordsee, überall. Selbst wenn alle diese bereits finanzierten Projekte in den nächsten Jahren realisiert werden, ist die Gesamtkapazität, die sie an neuer Ölförderung bringen können, zu gering.“

Auf die Frage, wie viel Öl (derzeit) fehle, beziffert Birol dies mit 12,5 Millionen Barell pro Tag (!), das sind rund 15% des Weltölbedarfs. Birol: „Diese Lücke bedeutet, dass wir in den nächsten Jahren eine Lieferklemme und sehr hohe Preise erleben könnten.“

Diese Meinung vertritt auch Jörn Schwarz, 1. Vorsitzender von kεkk, in allen seinen bisherigen Vorträgen; so auch auf der 7. KK-Fachtagung am 26. Februar 2008 in Bingen. Um den Ausweg zu schaffen gibt es nur drei Wege, so Fatih Birol in seinem Interview am 8. April in der Zeitschrift „Internationale Politik“: Erstens müssen wir die Energieeffizienz drastisch steigern und insbesondere sparsamere Autos, Lastwagen und Flugzeuge bauen, um den Anstieg des Ölkonsums zu verlangsamen. Zweitens müssen wir mehr alternative Treibstoffe im Verkehrssektor nutzen. Und drittens brauchen wir viele zusätzliche Ölförderprojekte, besonders in den Schlüsselländern der OPEC.

Wie ernst die Situation der Ölförderverknappung ist oder demnächst wird, ist auch dem „World Energy Outlook 2007“ zu entnehmen, der darin die Aussage trifft, dass die gesamte erforderliche zusätzliche Ölmenge aus den OPEC-Staaten und spe­ziell dem Mittleren Osten kommen muss.

Was das kostet? Dazu hat Salem el-Badri, der Generalsekretär der OPEC, im Februar dieses Jahres auf einer Konferenz zur Energiesicherheit in London angekündigt, dass die OPEC bis 2012 etwa 200 Milliarden ­Dollar investieren will, um fünf Millionen Barrel (mb) pro Tag neue Förderkapazität zu schaffen.

Das ist ein klarer Widerspruch zur Einschätzung der IEA siehe WEO 2007 worin prognostiziert wird, dass bis zum Jahr 2020 rund 24 mb (!) pro Tag an neuer Kapazität notwendig seien, um den wachsenden Öl-Verbrauch zu decken. Somit kündigt der OPEC-Generalsekretär auch jetzt schon an, dass die OPEC die Erwartungen der Industriestaaten nicht erfüllen wird!

Aus diesem Grund will die IEA in diesem Jahr zum ersten Mal die Situation eines „Supply Crunch“, einer Versorgungskrise, darstellen. „Denn“, so Birols Aussage im Interview, „zwischen der Höhe des Weltmarktbedarfs an Öl und dem, was wirklich aus dieser Region auf den Markt gebracht werden wird/gebracht werden kann, besteht eine Kluft. Wir sind der Ansicht, das die Ölproduzenten ihre Fördermenge bedeutend erhöhen müssen, wir sind uns aber nicht sicher, dass sie es tun werden oder können!“

Wie viel weiß nun die IEA überhaupt über die ihren Berechnungen zugrunde gelegten Ölreserve-Kapazitäten? Die „Energy Watch Group“ hat nämlich ihrerseits in eigenen Studien herausgearbeitet, dass die Ölreserven im Mittleren Osten wahrscheinlich um rund 50 Prozent zu hoch eingeschätzt werden. Dieser Einschätzung will auch Fatih Birol nicht widersprechen und erklärt: „Eine Hauptaussage, die ich vom World Energy Outlook (WEO) 2008 erwarte, ist mehr Transparenz in Bezug auf die Ölreserven, sowohl der staatlichen als auch der inter­nationalen Ölgesellschaften.“

Die IEA würde daher gerne mehr Offenheit in Bezug auf die Ölreserven sehen und gesteht ein, dass man im Moment fast blind fliege, deshalb benötige man mehr Klarsicht! Birol präzisiert noch einmal seine Negativ-Perspektive: „Selbst wenn die Ölreserven Saudi-Arabiens um 50 Prozent falsch eingeschätzt sein sollten, könnten sie ihre laufende Produktion von 12 mb pro Tag auf 18 mb erhöhen. Aber ich glaube nicht, dass sie mit ihrer Förderung in den nächsten 25 Jahren so stark anziehen. Das Hauptproblem ist also dreifacher Natur: Geologie, Investitionen, Produktionspolitik der Hauptförderländer. Diese drei Aspekte zusammen führen dazu, dass die Zukunft des Öls äußerst schwierig sein wird!

Es gibt dazu auch Länder, die eine restriktive Politik gegenüber ausländischen Ölkonzernen und gegen marktorientierte Ölkonzerne betreiben sie sollen hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden auf die westliche Industriestaaten keinen Einfluss nehmen können. Obwohl diese Länder 60 Prozent der Welterdölreserven besitzen. Man habe jedoch de facto keinen Zugang zu ihnen, weder politisch noch wirtschaftlich. Als Beispiel soll Fatih Birols Aussage hierfür gelten:

„Wenn ich mir die Zukunft ansehe, sehe ich drei strategische Herausforderungen: Die erste ist die Öl- und Gassicherheit. Gerade erst hat Russland seine Gaszufuhr in die Ukraine um 25 Prozent abgesenkt. Die zweite ist der Klimawandel. Und die dritte, und man muss eingestehen, wir sprechen nicht viel darüber, ist die Verbindung zwischen Energie und Armut, zum Beispiel in Afrika. Heute leben 40 Prozent der Weltbevölkerung, das sind 1,6 Milliarden Menschen, ohne Zugang zu Strom!“

Somit als Zusammenfassung und Schlussfolgerung ist zu konstatieren: Viele Experten gehen davon aus, dass die weltweite Öl- und Gasproduktion schon bald in schwieriges Fahrwasser geraten könnte, aber dies liege nicht nur an der Erschöpfung der Ressourcen. Mangelnde Investitionen seien ein anderes Problem, ein weiteres sei es, dass manche Ölländer die Produktion nicht erhöhen wollen.

Fatih Birol selbst sieht eine derartige Entwicklung ähnlich und betont: „Ich wäre sehr überrascht, wenn die Ölförderung in den nächsten 20 bis 25 Jahren leicht, sagen wir auf 120 Millionen Barrel pro Tag, problemlos ansteigen würde. Selbst wenn das Potenzial da sein sollte, werden wir dieses Öl nicht auf den Markt bekommen! Die Schlussfolgerung lautet, dass wir darauf gefasst sein sollten, in den nächsten Jahren äußerst enge, turbulente und hochpreisige Ölmärkte zu sehen für die Wirtschaft wird es nicht gut sein.

Ein Fazit für die Kälte- und Klimatechnik

Möglicherweise wird sich mancher KK-Leser fragen, was die Alarmmeldung der Internationalen Energieagentur (IEA) mit dem Kälte- und Klimaanlagenbau zu tun hat. Nichts? Die Antwort ist falsch. Weil die zu erwartende weitere Ölpreisverteuerung negative Auswirkungen auf Wirtschaft und privaten Lebensstandard haben und ein Spiegelbild sein wird bei der Inanspruchnahme von­ Elektro-Endenergie, deren Preisgestaltung an den Ölpreis gekoppelt ist. Einen Ausweg für die Branche bietet die konsequente Steigerung der Energieeffizienz in Kälte-Klima, worum sich derzeit kεkk (Kompetenzzentrum Energieeffizienz Kälte- und Klimatechnik e.V.), das große Anwendungsspektrum koordinierend, bemüht.

P.W. -

Links

https://internationalepolitik.de/de

https://www.iea.org/

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