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Wärmepumpen, PV-Anlagen und Speicher vermindern Netzstrombedarf

Gebäude versorgen sich selbst

Im Nordosten der Stadt liegt das Neubaugebiet Herzo Base, früher ein Stützpunkt des US-Militärs. Hier wurde unter anderem ein Reihenhauskomplex mit acht Wohneinheiten errichtet, konzipiert als Niedrigenergie- und Energiespeicherhäuser.

Die Idee zum Bau kommt von der Agenda21 Gruppe, Arbeitskreis Energie Herzogenaurach. Gewünscht war ein Modell für die nachhaltige Energieversorgung eines Wohnquartiers sowie für klar definierte Forschungszwecke. Maßgeblich beteiligt daran ist die Technische Hochschule Nürnberg.

Forschung für die Energiewende

Die Wissenschaftler wollen wissen, wie energieeffizientes Bauen künftig aussehen kann und fundierte Impulse dafür setzen. Das Forschungsprojekt soll die Weiterentwicklung von Wärmedämmung, Energieerzeugung, -speicherung und -versorgung unterstützen. Dazu gehört auch ein Regelkonzept, das Energieflüsse, Verbrauch und Speicherung vor allem anhand von Wetterdaten vorausschauend steuert.

Von ihren Optimierungsmaßnahmen versprechen sich die Initiatoren wesentliche Erkenntnisse, die helfen, den Energieverbrauch im Wohnumfeld zu reduzieren. Immerhin werden laut Umweltbundesamt rund 66 Prozent der in Privathaushalten verbrauchten Energie für Heizung eingesetzt, weitere 16 Prozent für die Aufbereitung von Warmwasser, insgesamt also 82 Prozent. Das größte Potenzial, Energie einzusparen, schlummert also in den Heizungsanlagen der Republik. Das Bundeswirtschaftsministerium hat das Forschungsprojekt mit mehr als 1 Mio. Euro gefördert.

Gemeinschaftsprojekt mit Energieverbund

Entstanden sind acht Reihenhäuser in hochwärmedämmender Ziegelbauweise, gebaut mit wohngesunden Baustoffen und konzipiert als Plusenergie-Häuser nach KfW-Effizienzhausstandard 40 Plus.

Beheizt wird das Gemeinschaftsprojekt über eine gemeinsame Energiezentrale im Technikkeller. Dieser Energieverbund hat den Vorteil, dass sich die Grundkosten für Anlagentechnik, Verbrauch und Unterhalt auf alle Wohneinheiten verteilen lassen und für jedes einzelne Haus verringern.

Die Heizenergie liefern zwei Sole/Wasser-Wärmepumpen von alpha innotec vom Typ alterra SWCV 162 mit jeweils 16 kW Leistung. Den Löwenanteil ihrer Energie beziehen die invertergesteuerten, also modulierenden Geräte von einer Geothermieanlage mit sieben knapp 100 m tiefen Erdsonden. Durch ihre Invertersteuerung richtet sich die Verdichterdrehzahl der Wärmepumpen automatisch am Wärmebedarf des Gebäudes aus; daher laufen sie immer am optimalen Betriebspunkt. Das verringert den Stromverbrauch und erhöht die Lebensdauer der Maschinen.

Dadurch und wegen der effizienten Erdwärmenutzung erreichen diese Geräte einen COP (Coefficient of Performance) von knapp unter 5. Der Strom für den Betrieb der Wärmepumpen kommt zum größten Teil von einer Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von rund 88 kWp. Alle acht Häuser sind mit Fußbodenheizung ausgestattet. In vier Häusern sind zusätzlich Deckenheizungen installiert, um die Systeme in Bezug auf die empfundene thermische Behaglichkeit vergleichen zu können. Eine dezentrale kontrollierte Be- und Entlüftung mit integrierter Wärmerückgewinnung vermindert den Wärmeverlust und damit den Energiebedarf zusätzlich.

Dezentrale Versorgung mit Trinkwarmwasser

Im Gegensatz zur Heizanlage ist die Versorgung mit Trinkwarmwasser dezentral geregelt. Dazu verfügt jedes der acht Häuser über einen eigenen Warmwasser-Booster vom Typ WWB 21 mit 200 l Speicher und einer integrierten Wasser/Wasser-Wärmepumpe ebenfalls von alpha innotec. Sie werden von der Heizungsanlage ganzjährig mit mindestens 18 °C warmem Wasser versorgt. Diese Wärmeenergie nutzen sie, um das Brauchwasser auf bis zu 65 °C zu erwärmen. Da die Booster besonders leise arbeiten, lassen sie sich innerhalb des Wohnraums betreiben.

Vorteil der dezentralen Trinkwasserbereitung: Mit ihrem Speichervolumen von 200 l gelten die Booster gemäß Trinkwasserverordnung als Kleinanlage. Damit sind sie von der regelmäßigen Kontrollpflicht ausgenommen, wie sie für eine zentrale Trinkwasserversorgung vorgeschriebenen ist. Hinzu kommt, dass damit jeder Haushalt selbst für die Energiekosten verantwortlich ist, die durch seine Brauchwasserbereitung anfallen. Die Stromversorgung der Booster läuft wie bei anderen Haushaltsgeräten über den Stromzähler der jeweiligen Wohnung.

Das Gesamtkonzept des Reihenhauskomplexes sieht vor, möglichst viel des über die PV-Anlage erzeugten Stroms für die Eigenversorgung zu nutzen – entweder direkt oder indirekt über Zwischenspeicherung. Der hauseigene elektrische Speicher besteht aus Lithium-Eisenphosphat-Batterien mit einer Gesamtkapazität von etwa 39 kWh.

Vorausschauendes Regelkonzept

Der Autarkiegrad eines Gebäudes hängt bekanntlich wesentlich von einer intelligenten Steuerung ab, die Verfügbarkeit und Bedarf von Energie soweit wie möglich in Einklang bringt. Um dies zu optimieren, haben die Nürnberger Wissenschaftler ein vorausschauendes Regelkonzept entwickelt, das sich vor allem auf Verbrauchsdaten und -prognosen sowie Wettervor­hersagen stützt.

Wesentliches Element dieses Regelkonzepts ist die Betriebsführung der Wärmepumpen. Es ist so ausgelegt, dass die Wärmepumpen zu Zeiten laufen, zu denen die PV-Anlage Strom liefert. Die thermischen Speicher – also Puffer- und Warmwasserspeicher, die von den Wärmepumpen bedient werden – werden zur Überbrückung jener Phasen verwendet, in denen kein Strom vom Dach kommt.

Sobald die PV-Anlage Strom liefert, erweitert die Regelung die Speicherkapazität automatisch über drei Hebel:OK (SI)

  • Das Temperaturniveau der Pufferspeicher wird erhöht.
  • Der zweite Vorratsspeicher in der thermischen Speicherkaskade wird zugeschaltet.
  • Das Temperaturniveau in den Trinkwarmwasser-Speichern der einzelnen Häuser wird ebenfalls erhöht, nämlich auf 60 °C.
  • Umgekehrt setzt das Regelkonzept das Temperaturniveau der thermischen Speicher niedrig an, wenn die Wärmepumpen ihren Betriebsstrom aus dem Netz oder
    aus der Batterie beziehen. In diesem Fall liegt die Höchsttemperatur im Pufferspeicher bei 35 °C und im Trinkwasserspeicher bei 50 °C.

    Das Temperaturniveau bei PV-Erzeugung haben die Wissenschaftler mit einer Parameterstudie ermittelt. Sie unterscheidet zwischen unflexiblen Verbrauchern wie Haushaltsstrom, Ventilation, Technik oder elektrische Heizkörper im Bad und flexiblen Verbrauchern, hier vor allem die Wärmepumpen und ihre Peripherie wie Umwälzpumpen. Liefert die PV-Anlage Strom, versorgt das System zunächst die unflexiblen Verbraucher. Ist deren Bedarf gedeckt und es bleibt ein Stromüberschuss, laufen die Wärmepumpen an. Erst dann wird die Batterie beladen.

    Bei Batteriebezug unterscheidet das System nicht zwischen flexiblen und unflexiblen Verbrauchern. In aller Regel sind dann allerdings die Wärmespeicher gut gefüllt, und die Wärmepumpen müssen nicht arbeiten. Neben den Pufferspeichern mit insgesamt 2 800 l Fassungsvermögen dient auch die Gebäudesubstanz mit Betondecken und Ziegelwänden als thermisches Speicher­medium.

    Die Wärmepumpen können die Gebäude an heißen Sommertagen auch kostengünstig kühlen. Dabei führen sie Wärme über die Erdsonden ins Erdreich ab. Mit dieser passiven Kühlung lässt sich die Temperatur in den Wohnräumen um 2 bis 3 °C senken. Und es hat einen Langzeitspeicher-Effekt: Ein Teil der im Sommer abgeführten Wärmeenergie steht über die Erdsonden in der kalten Jahreszeit wieder zur Verfügung.

    Zu rund 63Prozent autark

    Inzwischen sind die Häuser seit mehr als einem Jahr bewohnt, die erste zwölfmonatige Monitoring-Phase ist abgeschlossen. Für ihre energetische Bilanz haben die Wissenschaftler für Netzbezug und PV-Einspeisung einen Primärenergiefaktor von 1,8 und das CO2-Äquivalent von 527 g/kWh zugrunde gelegt.

    Im Jahr 2018 erzeugte die PV-Anlage 86,18 MWh, verbraucht wurden in diesem Zeitraum 45,12 MWh. Damit gelten die Gebäude als Plusenergie-Häuser. Splittet man die Produktions- und Verbrauchswerte auf, ergibt sich folgendes Bild:

  • 42 Prozent ihres gesamten Strombedarfs einschließlich des Stroms für die Erzeugung von Heizwärme und Trinkwarmwasser haben die Bewohner direkt von der Photovoltaik-Anlage bezogen.
  • 21 Prozent kamen indirekt von der PV-Anlage auf dem Umweg über den Batteriespeicher.
  • 37 Prozent wurden aus dem öffentlichen Netz bezogen.
  • Damit ist der Reihenhauskomplex zu 63 Prozent autark.
  • Interessant ist auch ein Blick auf die Nutzung des Stroms, den die PV-Anlage erzeugt:

  • 22 Prozent flossen im vergangenen Jahr direkt als Eigenverbrauch in die Häuser.
  • Weitere 14 Prozent sind ebenfalls dem Eigenverbrauch zuzurechnen, dies allerdings über die Stromspeicher.
  • Die restlichen 64 Prozent des PV-Stroms wurden ins Netz eingespeist.
  • Damit liegt der Eigenverbrauchsanteil bei 36 Prozent.
  • In den Wintermonaten ließ sich nur ein vergleichsweise geringer Teil des Verbrauchs über die direkte PV-Produktion und Batterie decken. Daher konnte auch nur relativ wenig PV-Überschuss ins Netz eingespeist werden. In den Sommermonaten hingegen deckt die PV-Anlage fast den gesamten Strombedarf ab – entweder über direkte Nutzung oder über die Batterie. Und sie speist darüber hinaus noch viel Strom ein.

    Seit Herbst 2018 läuft die PV-optimierte Steuerung der Wärmepumpen. Die Forscher erwarten deshalb, dass sie im Winter 2018/2019 einen höheren PV-Deckungsanteil erreichen als im ersten Betriebswinter.

    Ausgezeichnete Arbeitszahlen

    Auch die Effizienz der Wärmepumpen­anlage wurde in den ersten zwölf Betriebsmonaten gemessen. Als entscheidende Größe hierfür gilt die Arbeitszahl. Sie ist die Messgröße für den Wirkungsgrad, ähnlich wie der COP. Allerdings bemisst die Arbeitszahl die Effizienz der Maschinen im praktischen Einsatz unter Berücksichtigung aller Bauteile und über einen längeren Zeitraum hinweg.

    Die gesamte Wärmepumpenanlage kommt im Durchschnitt auf eine Arbeitszahl nahe 5. Sie macht also in der Praxis aus einer Kilowattstunde Strom knapp fünf Kilowattstunden Heizenergie. Etwas niedriger liegen die Warmwasser-Booster, aber auch sie erreichen Arbeitszahlen zwischen 4 und 5.

    Namhafte Förderbeträge

    Als KfW Effizienzhaus 40 Plus gab es für jedes der acht Reihenhäuser einen KfW-Förderkredit von 100 000 Euro mit Tilgungszuschuss in Höhe von 15 000 Euro. Und da Herzo Base das erste Gemeinschaftsprojekt ist, das im Rahmen des bayerischen 10 000-Häuser-Programms für innovative Gebäude- und Heizsysteme gefördert wurde, wurde der sogenannte EnergieBonusBayern in Höhe von 10 000 Euro bewilligt.

    Dieter Degner,
    Produktmanager Bereich Wärmepumpe bei der ait-deutschland GmbH, Kasendorf
    alpha innotec / Degner

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