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15. KK-Fachtagung 2018 in Maintal bestätigt:

Bald kippt auch R134a

    Es wurde Zeit, das etwas angestaubte Veranstaltungskonzept zu überdenken“, erklärte Chefredakteur Markus Simmert im eigenen Newsticker. 2001 gestartet, ging die KK-Fachtagung am 12. April 2018 in die 15. Auflage und lockte knapp 90 Teilnehmer an die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik nach Maintal. Die Wahl einer branchenbekannten Bildungseinrichtung für die Mutter aller kältetechnischen Verlagsveranstaltungen“ war die erste Neuerung. Dazu kamen die begrillte Mittagspause und ein Praxisvortrag der etwas anderen Art über brennbare Kältemittel.

    Im Mittelpunkt stand aber auch in diesem Jahr ein aktuelles Branchenthema mit dem Titel Kältemittel – quo vadis?“ Und wer jetzt glaubt, darüber schon alles gehört oder gelesen zu haben, der irrt gewaltig. Das ist die erste Erkenntnis des Tages. Die zweite lautet: Der bevorstehende Paradigmenwechsel in der Kälte- und Klimatechnik muss so lange kommuniziert werden, bis es auch der Letzte gefressen“ hat.

    Schluss mit R404A und R507A

    Am meisten brennt es in der Gewerbekühlung bei zigtausend Bestandskälteanlagen mit den Kältemitteln R404A und R507A. Denn viele davon dürfte es gar nicht mehr geben oder müssten auf Alternativen umgestellt sein. Fast jeder Referent stieg dann auch über die (EU) F-Gase-Verordnung 517/2014 und das Phase-Down-Szenario in seinen Vortrag ein. Die vier vortragenden Kältemittelvertreter Stefan Schüssler, Honeywell Deutschland, Tobias Bargsten, Daikin Chemicals Europe, Dr. Karsten Schwennesen, Mexichem UK Ltd., und Joachim Gerstel, Chemours Deutschland, boten ihre Alternativen feil und zeigten Anwendungsbeispiele. Wenn für die Normal- und Tiefkühlung eine Umrüstung erfolgt, kann bei vertretbarem Kosten-Nutzen-Verhältnis fast nur auf ein A1-Kältemittel umgestellt werden, und zwar entweder als Drop-In oder vor allem in der Tiefkühlung im Retrofit-Verfahren. Dafür stehen aktuell zur Wahl: R407F, R407A, R449, R448, R407H, R452A, R450A, R513A. Zu dieser Liste gesellen sich noch die schwer entflammbaren A2L-Gemische R455A, R454A, R454C, R1234ze und R1234yf. Und alle haben ihre Berechtigung, aber auch Nachteile, insbesondere wenn es um veränderte Heißgastemperaturen, den Temperaturglide oder notwendigen Verdichter- bzw. Komponententausch geht. Details wurden diskutiert, welche aber in der Praxis vom Anlagenbauer projektbezogen selbst erfragt, ggf. getestet werden müssen.

    Zu viel Auswahl

    Die inzwischen unüberschaubare Auswahl ist eines der großen Probleme. Es wurde sehr kontrovers darüber diskutiert, ob für all diese Stoffe auch Verdichter und Komponenten erhältlich und freigegeben sind. Von selbstverständlich“ über abhängig von der Anwendung“ bis hin zu bislang nicht lieferfähig“ war von Referenten und Zuhörern alles zu hören. Die Lösungsfindung bleibt beim Kälteanlagenbauer. Nur er kann im Falle einer Umstellung situationsbedingt rückfragen, ob Händler oder Komponentenhersteller für eine Anlagenumstellung auch lieferfähig sind.

    Ähnlich schwammig sieht es auch bei der Verfügbarkeit aller alternativen A1-Stoffe aus. Denn für keines gibt es eine Garantie auf Lieferfähigkeit über einen längeren Zeitraum. Höchstens vielleicht für R407H, das vom einzigen Kältemittel- und Gerätehersteller Daikin verwendet wird, hat Chancen, nicht auf einer Roten Liste“ zu landen. Es bleibt für den Kälteanlagenbauer auch hier beim Kaffeesatzlesen. Besser sieht es mit der Verfügbarkeit und vielleicht auch einer gewissen Preisstabilität bei A2L-Kältemitteln aus – mit der bekannten Sicherheitseinschränkung schwer entflammbar“.

    Harald Conrad von der Westfalen AG warnte vor der stationären Anwendung von R452A: Es wird sehr bald auslaufen und die verfügbaren Mengen werden viel dringender zur mobilen Kühlung gebraucht. Dafür wurde es auch entwickelt und ist dort ohne Alternative.“ Das bestätigte auch Joachim Gerstel, dass es noch im TK-Bereich bei der Kleinkälte mit hermetischen Verdichtern eingesetzt wird. Conrad sprach dann über die mittlerweile unüberschaubare Anzahl an Stoffen, die damit verbundene Logistik und wie die Westfalen AG damit umgeht. Zuerst wird ab sofort R404A aus dem Programm genommen. Bei den Ersatzstoffen für Kälte- und Klimatechnik folgt dann eine Konzentration auf eine überschaubare Anzahl, die sich nach dem gesamten CO2-Äquivalent richtet, das der Westfalen AG in diesem Jahr zur Verfügung steht. Ansonsten kann es passieren, dass wir noch vor Jahresende nicht mehr liefern dürfen“, erklärt Conrad dazu. Bleibt zu hoffen, dass die Kampagne Machen Sie Schluss mit R404A/R507A“, die EPEE-Geschäftsführerin Andrea Voigt vorstellte, in Windeseile Wirkung zeigt. Sie wird unterstützt von den Branchenverbänden VDKF und BIV und hilft bei der Suche nach Alternativen.

    Gelbe Karte für die Klimatechnik

    Nicht nur die Gewerbekälte ist gefordert. In der Klimatechnik steht die Ampel inzwischen auf Gelb. Dort sind es vor allem die Kältemittel R410A und R134a, deren GWP-Werte die Quote fressen“. Das Problem sind synthetische Alternativen der Sicherheitsklasse A1, die es nämlich nicht gibt. Bekanntermaßen setzt Daikin schon seit 2014 auf R32. Wir werden ab diesem Jahr alle Klimageräte bis 13 kW Kälteleistung nur noch mit R32 anbieten“, stellte Volker Weinmann für Daikin Airconditioning Germany vor. Darüber bleibt es vorerst bei R410A, dessen Versorgung wir abgesichert haben.“ Nicht weil man kein R32 will, sondern weil die zu erfüllenden Sicherheitsauflagen gemäß DIN EN 60335 (Gasgeräterichtlinie) und EN 378 für Kälteanlagen und Wärmepumpen es bislang einschränken. Aus diesem Grund bleibt bis auf Weiteres die Verfügbarkeit für R410A auf breiter Basis gesichert, weil man es für VRV- und VRF-Systeme braucht, will man nicht auf Waterloop-Systeme umsteigen. Harald Conrad wies darauf hin, die Hände vom Mischen mit R32 zu lassen. Füllen Sie bitte kein R32 in eine bestehende R410A-Anlage. Ich weiß, dass es gemacht wird. Aber der Anlagenbauer verliert damit jede Gewährleistung.“

    Andrea Voigt stellte fest, dass R134a bei der Umstellung umgehend angegangen werden muss. Die aktuelle Preisentwicklung ist ein Vorbote dessen, was auf Sie zukommt. Es gibt Alternativen, mit denen Sie sich beschäftigen müssen. Ansonsten droht eine baldige Verknappung.“ Stefan Schüssler stellte beispielsweise eine Reihe von Gemischen und Reinstoffen vor, die für die Klimatechnik und auch in der Gewerbekälte in Frage kommen. Sein Kommentar: Wir müssen uns mit brennbaren Stoffen beschäftigen. Denn diese sind von der Quote ausgeschlossen.“ Joachim Gerstel stellte noch die unbrennbare Alternative R513A vor und informierte, dass sich in den USA die großen Chillerhersteller dafür ausgesprochen haben.

    Neues Sicherheitsdatenblatt

    Gerstels Statement, das Datenblatt für R32 wird geändert“, sorgte für Aufhorchen. So soll seines Wissens ab 2019 der bisherige Gefahrenhinweis extrem entzündbares Gas“ stark abgeschwächt werden. Derzeit ist das ein Showstopper in der Gebäudetechnik. So erklärte ein Tagungsteilnehmer, dass er im Gespräch mit Brandschutzbeauftragten oder der Feuerwehr nach dem Blick auf das Datenblatt überhaupt nicht mehr weiter über R32 zu reden brauche. Bislang waren Kältemittel im Gebäude für den Brandschutz unwichtig. Jetzt läuft jeder Erklärungsversuch ins Leere. Die Datenblattänderung nähme für den Anlagenbauer einiges an Gegenwind aus den Segeln. Wie wichtig es aber ist, jedes brennbare Kältemittel sorgfältig und respektvoll zu behandeln, zeigte Martin Krude von der Westfalen AG, der nach der Mittagspause eine echte Feuershow lieferte – natürlich unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften.

    Es wird kein Wunder geben

    Dass sich synthetische und natürliche Kältemittel immer ähnlicher werden, brachte Dr. Jürgen Süß, Efficient Energy GmbH, eindrucksvoll auf den Punkt: Das Periodensystem bot uns einmal acht Elemente, um alle Kältemittel zu bauen. Mit Umsetzung der F-Gase-Verordnung bleiben nur noch wenige übrig. Darum gibt es bald kaum mehr Unterschiede unter allen Kältemitteln. Auf das Wunder brauchen Sie daher nicht mehr zu warten“. Darum sein Rat, sich wirklich umgehend auch mit natürlichen Kältemitteln zu beschäftigen. Darüber sprachen dann Gavin Sands von der Norddeutschen Kälte-Fachschule und Detlef Bamberger für die Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik. Beide zeigten Wege in der Lehrlings-, Techniker- und Ingenieurs-Ausbildung, die heute schon beschritten werden, um für Kohlenwasserstoffe oder für das Hochdruckkältemittel CO2 Grundlagen- und auch Expertenwissen neu zu schaffen.

    Was sind New Entries“?

    Warum es in diesem Jahr eng für die ausgegebenen CO2-Äquivalente, verschiedene Kältemittel und die Quote wird, hängt mit deren starker Absenkung zum Vorjahr zusammen. 2018 müssen 90 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent reduziert werden“, erklärte Joachim Gerstel. Tatsächlich wächst unser Geschäft stetig, immer mehr Kältemittel werden verkauft – gleichzeitig muss die Quote auf 63 Prozent sinken“. Und warum es noch enger wird, liegt an den New Entries“. Das sind neue Quotennehmer, die ab diesem Jahr erstmals 15 Prozent erhalten. Die werden den bisherigen 79 Unternehmen (darunter die Big Five Arkema, Chemours, Daikin, Honeywell und Mexichem) abgezogen. So bleibt nur noch ein Anteil von 48 Prozent, also weniger als die Hälfte des vergangenen Jahres! Das verschärft unsere Situation als Händler zusätzlich“, fürchtet Harald Conrad. Es wird darum auch 2018 zu Verfügbarkeitsproblemen kommen, wohl heftiger und früher als 2017“. Denn damals gab es noch gehamstertes R404A aus dem Jahr 2014, auf das Anlagenbauer zugriffen, als es bei Händlern knapp wurde. Das belegte Andrea Voigt mit Zahlen der European Environment Agency. Darum wurde 2017 auch kein R404A-Supergau“ bekannt, trotz großer Aufregung. Denn man half sich gegenseitig aus. Ob das aktuell noch möglich ist, konnte während der KK-Fachtagung niemand beantworten. Und dass die 15-Prozent-Quote und Kältemittel der New Entries auf den europäischen Markt ankommen, ist eher unwahrscheinlich. Darum haben sich 1000 Unternehmen beworben“, so Dr. Schwennesen. Unter denen wird zu gleichen Teilen vergeben, was Minimalmengen unter zehn Tonnen bedeutet. Meines Wissens liefert kein Hersteller in so kleinen Mengen.“

    Recycling kann (so) nicht funktionieren

    Abschließend noch ein Wort zu recyceltem Kältemittel. Die Westfalen AG hat dafür die technischen Möglichkeiten, darf aber dieses zur Aufbereitung nur von Kunden zurücknehmen. Für die Rückgewinnung ist wiederum der Betreiber zuständig. Wir können nicht direkt vom Betreiber zurücknehmen, nur von unseren eigenen Kunden“. Harald Conrad erklärte, dass das Kreislaufwirtschaftsgesetz es in Deutschland so vorschreibt. All dies macht es schwierig, bis teilweise unmöglich, alle Anlagenbauer zu bedienen. Eine Alternative bietet Daikin Refrigerants in Frankfurt/Höchst. Dort bedeutet Recycling aber die Aufspaltung von Gemischen in ihre Grundstoffe, entweder zur Einzelverwertung oder Neumischung zu Recyclingware. Die Statistiken der European Environment Agency (EEA) zeigen einen positiven Trend bei der Rückgewinnung von Kältemitteln in der Europäischen Union“. Dennoch muss, so Tobias Bargsten, die Kreislaufwirtschaft für Kältemittel weiter ausgebaut werden, weshalb Daikin in Frankfurt/Höchst weiter investieren wird. Bleibt zu hoffen, dass vorher möglichst viele Anlagenumstellungen erfolgen und Neuanlagen mit echten Low-GWP-Kältemitteln unter einem GWP von 150 ausgeführt werden.

    Darüber kann dann wieder die nächste KK-Fachtagung informieren, die auch 2019 an der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik in Maintal stattfinden wird.

    Warten auf Godot – ein Gedankenspiel

    Vor genau 15 Jahren drehte sich auf der 3. KK-Fachtagung alles um die Frage Was darf’s sein? CO2, NH3, Kohlenwasserstoffe oder HFKW, die Fluorierten?“ Seither scheint alles anders geblieben zu sein. Anders“, weil wir inzwischen die 4. Ge- neration synthetischer Kältemittel einführen. Geblieben“, weil es sich seit Jahrzehnten ge-betsmühlenartig immer um die gleiche Frage dreht: Kältemittel – quo vadis?“

    Es ist auch der seit nunmehr 90 Jahren andauernde Dissens um natürliche oder synthetische Kältemittel. Damals entwickelte General Motors in den USA das Kältemittel R12. Das daraus resultierende Konjunkturprogramm der globalen Kälte- und Klimawirtschaft dauert bis heute an und garantiert nach wie vor solide Profite. Das ist nicht verwerflich, sondern beschert auch der deutschen Industrie, dem Handel und Handwerk seit der Nachkriegszeit bis heute ausgezeichnete Geschäfte.

    Die KK-Fachtagung zeigte aber eines deutlich: Die gesamte Kälte-Klima-Wirtschaft steht vor einem dramatischen Wendepunkt. Denn synthetische Kältemittel werden natürlichen Stoffen immer ähnlicher. Das machte Dr. Jürgen Süß eindrucksvoll mit der Aussage klar: Es wird kein neues Wunderkältemittel mehr geben!“ Wer also darauf wartet, wartet auf Godot.

    Und jetzt ein Gedankenspiel, das unsere Kältewelt auf den Kopf stellt: Was wäre, wenn bei jeder Kältemittelentscheidung ab sofort ein synthetisches Kältemittel zur Alternative würde? So, wie es bisher die natürlichen Kältemittel sind. Und wie wäre es, wenn damit der Dissens zum Konsens verkehrt wird – konsequent, von allen Marktteilnehmern? Die Chancen dieses Gedankenspiels scheinen gewaltig. Also spielen Sie doch einmal mit diesen Gedanken! Achim Frommann

    Achim Frommann

    PR Werkstatt NutzWort, Sasbach

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