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Im Gespräch mit Jean Janssen und Rainer Dietrich

Emerson ist eine Engineering-Company

KK: Herr Janssen, Emerson ist ein Weltkonzern mit vielen Business Units resp. Geschäftsbereichen. Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Konzernstruktur geben und Ihren Bereich die Emerson Climate Technologies einordnen?

Jean Janssen: Emerson mit Hauptsitz in St. Louis, Missouri/USA ist in über 150 Ländern mit 235 Produktionsstandorten und rund 133000 Mitarbeitern weltweit präsent.Das Unternehmen wurde 1890 gegründet und wird heute von David N. Farr (Präsident und CEO) geleitet. 2011 stand Emerson an 120ster Stelle unter den 500 größten Unternehmen der USA und erwirtschaftete 24, 2 Mrd. US-$.

Der Emerson-Konzern gliedert sich in fünf Marktbereiche: Mit 28 Prozent Umsatzanteil ist der Bereich Process Managementder größte, gefolgt von Network Power mit 27 Prozent, Industrial Automation mit 21 Prozent, Climate Technologies mit 16 Prozent und schließlich Commercial & Residential Solutions mit acht Prozent. Die Absatzgebiete sind mit 45 Prozent in den USA und Kanada am größten. 23 Prozent des Absatzes von Emerson werden in Asien erwirtschaftet. An dritter Stelle folgt Europa mit 22 Prozent. Die Absatzanteile in Lateinamerika und Afrika/Mittlerer Osten betragen jeweils fünf Prozent.

Von den erwähnten 24,2 Mrd. US-$ Umsatz wird mit 10,8 Mrd. US-$ der größte Anteil in den USA und Kanada erwirtschaftet. An zweiter Stelle folgt der asiatisch-pazifische Raum mit 5,6 Mrd. US-$. An dritter Stelle steht Westeuropa mit 4,2 Mrd. US-$; in Osteuropa und Russland werden 1,1 Mrd. US-$ erzielt. Lateinamerika, der Mittlere Osten und Afrika tragen zusammen etwa 2,5 Mrd. US-$ zum Umsatz bei. War Emerson 1990 noch mit 64 Prozent Umsatzanteil im eigenen Land USA am aktivsten der Auslandsumsatz lag damals bei 36 Prozent, so hat sich dieses Verhältnis im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte fast umgekehrt. 2011 betrug der Umsatz im internationalen Geschäft bereits 59 Prozent. Unser Ziel ist es, diesen auf 65 Prozent zu steigern. Wachstum erreicht man heute nicht in gesättigten Märkten, wie USA oder Europa, sondern in den neuen Märkten.

KK: Wie ist Emerson Climate Technologies weltweit und auf dem europäischen Markt aufgestellt?

Jean Janssen: Weltweit erwirtschaftet Emerson Climate Technologies mit rund 17 000 Mitarbeitern einen Umsatz von vier Mrd. US-$. Den Schwerpunkt des Geschäfts bildet ganz eindeutig der Bereich der Verdichter mit 74 Prozent. Die restlichen 26 Prozent teilen sich im einstelligen Prozentbereich Temperatur-Kontrollelektronik,Temperatursensoren, Elektronik und andere Produkte. Der Schwerpunkt der Absatzaktivitäten liegt mit 54 Prozent in den USA und Kanada, gefolgt von Asien mit 23 Prozent und Europa mit 13 Prozent. Die restlichen zehn Prozent verteilen sich auf Lateinamerika, den Mittleren Osten und Afrika.

In Europa selbst ist Emerson Climate Technologies mit fünf Produktionsstätten vertreten: Copeland-Produkte werden in Nordirland, Belgien und Tschechien hergestellt, Alco-Produkte ebenfalls in Tschechien und Dixell-Produkte in Italien. Insgesamt beschäftigt Emerson Climate Technologies in Europa rund 1500 Mitarbeiter und erwirtschaftet 332 Mio. Euro. Aufgeteilt in Absatzsegmente werden 39 Prozent unserer Produkte in der Kältetechnik verkauft, 31 Prozent in der Klimatechnik, 15 Prozent im Bereich der Regeltechnik und 15 Prozent in der Heizungstechnik. Mit 62 Prozent nehmen die Scrollverdichter dabei den größten Produkt-anteil ein.

KK: Wie würden Sie die Unternehmensphilosophie von Emerson Climate Technologies beschreiben?

Jean Janssen: Emerson ist eine Engineering-Company. Wir sind kein reiner Komponentenlieferant mehr, sondern wir entwickeln Technologien, um den Kunden vor Ort zu helfen. Das ist unsere wichtigste Aufgabe! Wir können nur wachsen und Emerson wächst jedes Jahr , wenn wir ständig neue Produkte entwickeln, die dem Kunden das Leben vor Ort vereinfachen! Umsatz zu generieren steht für uns im Vordergrund, aber auch der Gewinn. Denn den Gewinn brauchen wir, um die Entwicklung neuer Produkte zu finanzieren. Und das schaffen wir nicht über den Preis, sondern über die Qualität der Produkte, die wir anbieten. Daher sind wir in der Regel auch im oberen Preissegment angesiedelt. Allein im Jahr 2011 hat Emerson 801 Mio. US-$ in Entwicklung und Forschung investiert. Dafür arbeiten allein 8760 Ingenieure weltweit. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist es, dass bereits heute 35 Prozent des Umsatzes mit Produkten erzielt wird, die jünger als fünf Jahre sind.

KK: Nun ist Emerson der Name der Company, aber darunter subsumieren sich ja Marken wie beispielsweise Copeland.

Jean Janssen: Richtig. Wenn wir von Emerson Climate Technologies sprechen, sprechen wir von Markennamen wie Copeland, Alco Controls, Vilter und Dixell, und diese würden wir nie ersetzen wollen, sondern bewusst erhalten. Diese Brandnames sind bei unseren Kunden fest verankert und das soll auch so bleiben.

Rainer Dietrich: Auf der anderen Seite kaufen und verwenden wir beispielsweise in unseren Verdichtern auch Motoren von anderen Herstellern. Emerson ist da völlig frei, wir sind nicht gehalten, nur Motoren aus der eigenen Produktion zu verwenden.

KK: Wie ist eigentlich Emerson Climate Technologies entstanden?

Jean Janssen: Emerson Climate Technologies ist 1987 hauptsächlich aus der Übernahme von Copeland durch Emerson entstanden. In Europa waren an der DWM Copeland GmbH1, Berlin, noch die Familien Branché aus Frankreich und Quandt aus Deutschland beteiligt, die im Rahmen der Übernahme ihre Anteile an Emerson verkauften. Vor 25 Jahren startete Emerson Climate Technologies mit einem Jahresumsatz von 480 Mio. US-$. Damals begann auch der Verkauf von Scroll-Verdichtern. Heute sind es vier Mrd. US-$! Davon werden allein zwei Mrd. mit Scrolls erwirtschaftet. Die dafür notwendigen Investitionen hätte ein Familienunternehmen nie bewältigen können. Insofern war die Übernahme durch Emerson damals ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir produzieren heutzutage acht Mio. Scrolls im Jahr. Durch die zunehmende Bedeutung der Elektronik in der Kälte- und Klimatechnik kamen später Alco Controls (1994) und Dixell (2010) hinzu.

KK: Wie sieht Ihre Qualitätsphilosophie aus?

Jean Janssen: Emerson-Produkte kann man nicht im Supermarkt kaufen! Wir haben heute Prozesse, die uns zwingen, darüber nachzudenken: Was ist der Wert für unsere Endkunden? Damit ist nicht unbedingt der OEM-Kunde oder der Installateur gemeint, sondern der End-User. Das spielt eine ganz wichtige Rolle. Wenn Sie sich heute unsere neuen Produkte ansehen, also die bereits erwähnten Produkte, die unter fünf Jahre alt sind und mit denen wir bereits 35 Prozent unseres Umsatzes erzielen, spielt dort die Elektronik die wichtigste Rolle. Und das wird sich in Zukunft noch verstärken: Alle neuen Produkte sind vollgepackt mit Elektronik.

Der neue semihermetische Verdichter Stream verfügt über eine CoreSenseTechnologie, die dem OEM-Kunden und dem Installateur alle Informationen des Herzstücks der Anlage gibt. Das gab es vor wenigen Jahren so noch nicht. Der Verdichter ist ja das Herz der Kälteanlage, und wir bei Emerson Climate Technologies haben uns überlegt, wie wir dem Kälteanlagenbauer darüber die bestmöglichen und umfangreichen Infor­mationen vermitteln können. Alles, was wir heute weiter entwickeln, hat die Reduzierung des Energieverbrauchs und die CO2-Reduzierung im Fokus. Jede Elektronik-Komponente, die wir entwickeln, muss dem Endnutzer einen Wert geben, d. h. eine Anlage muss mit so wenig Energie wie möglich gefahren werden können.

KK: Immer weniger Energie verbrauchen ist sicher ein hehres Ziel. Aber wo ist das Ende?

Rainer Dietrich: Natürlich ist auch bei modernen Scroll-Verdichtern irgendwo ein physikalisches Limit für die Energieverbrauchsoptimierung gegeben. Mit der Elektronik habe ich allerdings nicht nur die Möglichkeit, die Wertigkeit der Mechanik optimal zu nutzen, sondern auch Synergieeffekte der gesamten Anlage optimal zu steuern. Kurz gesagt: Mit der modernen elektronischen Kommunikation habe ich heute die Möglichkeit, die Mechanik optimal zu nutzen.

KK: Welche Werte erhält der Kunde bei Emerson Climate Technologies für sein Geld?

Jean Janssen: Wir sind mit der Philosophie, die wir 2008 begonnen haben, sehr gut gefahren: Wir bieten dem Kunden Lösungen an! Wenn Sie in unsere Kataloge schauen, dann können Sie einen Verdichter und ein Expansionsventil kaufen, aber wir bieten Ihnen auch die Elektronik, die das Ganze steuert. Das heißt also: die Verantwortung liegt bei uns. Wir haben uns gesagt: Lasst uns Lösungen entwickeln! Emerson Climate Technologies verkauft heute nicht mehr nur Kompressoren und Komponenten, sondern integrierte Lösungen! Wir stehen dafür, dass diese Lösungen beim Kunden so funktionieren, wie der OEM oder der Installateur das spe­zifiziert haben. Das heißt, der Kunde braucht sich nicht mehr mit mehreren Ansprechpartnern auseinanderzusetzen. Darüber hinaus nehmen wir ihm auch viel Entwicklungsarbeit ab. Das ist der erste Faktor!

Der zweite Faktor ist die Energieeffizienz: Wir müssen dem Kunden die Technologie und die Lösungen an die Hand geben, mit denen er so wenig wie möglich Energie verbraucht, um ein Gebäude zu klimatisieren oder ein Kühlregal im Supermarkt wirtschaftlich zu betreiben.

KK: Wie steht es angesichts der zunehmenden Elektronisierung von Kälte- und Klimaanlagen eigentlich mit der Qualifikation des Anlagen bauenden Handwerks?

Jean Janssen: Darum sieht es leider nicht ganz so gut bestellt aus. Die Entwicklung der Elektronik in der Kälte- und Klimatechnik schreitet bei den Herstellern zügig voran, das Handwerk hinkt da eindeutig hinterher. Ich habe jetzt 122 Entwicklungsingenieure in Europa. Da ist der Mindest­level der Bachelor-Abschluss also der ­ehemalige FH-Ingenieur. Um sich der Herausforderung zu stellen, die Vielfalt der angewendeten Systeme zu verstehen, werden also auf allen Ebenen entsprechende Fachqualifikationen benötigt. Kommt es aber beispielsweise zu einer Reparatur, bei der elektronisches Fachwissen zu Energieeinspar-Technologien gefragt ist, wird es nicht selten problematisch.

Das Problem der Fehlersuche bei einzelnen Komponenten unterschiedlicher Hersteller in traditionell geplanten und installierten Anlagen nehmen wir mit unseren integrierten Lösungen den Kunden resp. dem Kälteanlagenbauer ab, indem wir sagen: Wenn bei unserer Lösung etwas nicht mehr funktioniert, liefern wir euch die gesamte Lösung neu! Oder sie bauen von Anfang an unsere Steuerung ein, die das System überwacht und rechtzeitig eingreift. Emerson steht dafür, dass das Ganze zehn bis 15 Jahre läuft! Wir müssen den Kälteanlagenbauern das Leben wesentlich einfacher machen!

KK: Einmal unabhängig von den einfach zu handelnden integrierten Lösungen, die Sie anbieten, müssen die Anlagenbauer auch über deren Funktionsweise und das Zusammenspiel der Komponenten Bescheid wissen. Was muss getan werden, damit die Anlagenbauer da auf den stets aktuellen Wissensstand kommen?

Jean Janssen: Früher und bis heute läuft der Servicefall doch so: Der Kunde ruft beim Handwerker an, meldet den Störfall. Der Handwerker kommt und prüft, was sich machen lässt, repariert, wenn er das Problem gefunden hat, und die Anlage läuft wieder innerhalb einer halben Stunde oder auch später. Wieviel später, weiß weder er noch der Kunde. Das Ganze kann auch komplizierter sein und mehrere Anläufe benötigen. Wir bieten unseren Kunden und dem Kälteanlagenbauer integrierte Lösungen, damit sich solche Störfälle schneller und leichter bewältigen lassen.

KK: Ich muss da noch mal nachhaken. Wie kann das Defizit zwischen technischem Fortschritt in Sachen Elektronik auf Herstellerseite und Ausbildung resp. aktuellem Kenntnisstand beim Handwerk ausgeglichen werden?

Jean Janssen: Wenn ich mir die Kälte- und Klimatechnik im Vergleich zur Wärmepumpentechnologie betrachte, behaupte ich: Würden die kälte- und klimatechnischen Anlagen mithilfe von elektronischen Regel- und Steuersystemen so überwacht und kontrolliert wie die modernen Wärmepumpenanlagen, könnten in diesem Sektor gut zehn Prozent und mehr Energie eingespart werden. Hier kann und muss in Zukunft von Herstellerseite aus noch weitaus mehr gemacht werden. Außerdem sollte ein jährlicher TÜV für Kälte- und Klimaanlagen Pflicht werden, um den energieeffizienten Betrieb zu gewährleisten.

Wir werden in den nächsten zehn Jahren dahin kommen, dass wir in der Kälte- und Klimatechnik das Niveau der heutigen Wärmepumpentechnologie haben. Auch der Diagnosestecker zur Fehlersuche wird dann da sein. Ferndiagnose, die heute schon vielerorts in der Anwendung ist, wird gang und gäbe sein. Um OEMs und das Handwerk auf diese Möglichkeiten hin zu schulen, werden wir ein Schulungszentrum bauen. In den kommenden Jahren werden wir auch Trainingseinheiten für OEMs und das Handwerk anbieten, um unsere integrierten Lösungen zu verstehen.

Parallel dazu ist es wichtig, dass sich die klassischen Ausbildungsstätten, Berufsschulen und Fachschulen den technischen und elektronischen Trends anpassen müssen. Den klassischen Anwendungstechniker ohne Zusatzausbildung können Sie an solche elektronisch komplizierte Anlagen gar nicht mehr ranlassen. In unseren Unternehmen stellen wir inzwischen Mitarbeiter ein, die von der Elektronik kommen und in Thermodynamik ausgebildet werden, da die Elektronik als wichtiges Steuerungselement heute in der Kälte- und Klimatechnik immer wichtiger wird. Das ist der Trend der kommenden Jahre!

KK: Herr Janssen, Herr Dietrich, wir danken Ihnen für das Gespräch. -

1 Anm.: Zur Geschichte von Copeland in Deutschland resp. Europa gibt es eine kleine übersichtliche Dokumentation von den DKV-Senioren unter: http://www.vhkk.org/geschichte/pdf/DWM_Unternehmensgeschichte.pdf

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