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Arbeitspraxis

„Wasseraufnahmefähigkeit“ von Stickstoff

Frage Mir wurde von einem Kollegen geraten, beim Vakuumbrechen mit trockenem Stickstoff den Druckminderer an der Stickstoffflasche nicht zu „hoch“ einzustellen. Er sagte, dass „hohe“ Drücke weniger „effektiv“ seien, als „niedrige“ Drücke. Eine Begründung konnte er mir jedoch nicht nennen.

Antwort Üblicherweise werden Kälte- oder Klimaanlagen nach dem Aufbau evakuiert, um die in den Rohrleitungen vorhandene Restfeuchtigkeit zu entfernen. Häufig wird das „Vakuum“ anschließend mit trockenem Stickstoff gebrochen und erneut evakuiert. Dabei kann man an dem Druckminderer der Stickstoffflasche unterschiedliche Drücke einstellen – darauf dürfte sich die Frage beziehen.

Damit die Antwort nicht zu umfangreich wird, beschränken wir uns auf die folgende Fragestellung: Wie hoch ist die maximale „Wasseraufnahmefähigkeit“ von (vollkommen) trockenem Stickstoff in Abhängigkeit des gewählten Druckes?

Die folgenden Betrachtungen gehen davon aus, dass sich der Wasserdampf (Index „W“) und der Stickstoff (Index „N“) jeweils wie ideale Gase verhalten.

Das ideale Gasgesetz lautet:

Für den Wasserdampf:

(Gleichung1)

Für den Stickstoff:

(Gleichung2)

Die absolute FeuchtigkeitX ist definiert als:

(Gleichung3)

Löst man Gleichung1 nach  mw auf, dann erhält man:

(Gleichung4)

Löst man Gleichung2 nach  mn auf, dann erhält man:

(Gleichung5)

Nun kann man die Gleichungen4 und 5 in Gleichung3 einsetzen und erhält:

Nun werden sich beide Gase in dem gesamten Volumen verteilen und dort einen entsprechenden Partialdampfdruck ausüben,
d.h. 

Ferner ist davon auszugehen, dass die Temperaturen der Gase gleich sind,
d.h.

Demnach kann man diese Größen herauskürzen – die allgemeine Gaskonstante ist sowieso konstant. Man erhält:

 und damit:

(Gleichung6)

Nun setzt sich der gesamte DruckPG aus der Summe der beiden Partialdampfdrücke zusammen (d.h. aus PW und PN). Es gilt:

(Gleichung7)

Setzt man nun Gleichung7 in Gleichung6 ein, dann erhält man:

Stellt man diese Gleichung nun für den Sättigungszustand (S) auf, dann ergibt sich die folgende Gleichung:

 XS beschreibt, wie viel Wasserdampf maximal im Stickstoff-Wasserdampf-Gemisch enthalten sein kann.

Man sieht, dass bei höherem Gesamtdruck PG der Nenner größer wird und damit die absolute Feuchtigkeit XS fällt. Der maximale Partialdampfdruck des Wassers PW,S ist praktisch nur eine Funktion der Temperatur und damit unabhängig von dem (gewählten) Gesamtdruck PG. Wird also PG höher gewählt, so muss mehr Stickstoff „eingesetzt“ werden, ohne dass mehr Wasser aufgenommen werden kann.

Beispiel: Bei einer Temperatur von 20 °C soll für zwei verschiedene Drücke geprüft werden, wie viel Wasserdampf aufgenommen werden kann:

Die molare Masse von Stickstoff beträgt MN = 28 g/mol

Die molare Masse von Wasser beträgt MW= 18 g/mol

Bei 20 °C beträgt der Sättigungsdruck von Wasser: PW,S = 0,02337 bar bzw. 2 337 Pa (unabhängig vom Umgebungsdruck)

Berechnung für Gesamtdruck PG,1 = 1,01325 bar = 1,01325 x 105 Pa

Berechnung für Gesamtdruck PG,2 = 4,0530 bar = 4,053 x 105 Pa (4-facher Druck)

Dieses Berechnungsbeispiel zeigt, dass ein niedriger Druck tatsächlich effektiver ist, um die Anlage zu trocknen. Bei einem Anlagenvolumen von 1 m³ wird in beiden Berechnungsbeispielen bei einer Temperatur von 20 °C, bestimmt durch den Wasserpartialdruck, eine Menge von 17,3 g Wasser gasförmig vorliegen – unabhängig von
der Stickstoffmenge. Das liegt letztlich daran, dass der Sättigungsdruck von Wasser nur von der Temperatur beeinflusst wird. Der zugegebene Stickstoff verdünnt eigentlich nur das gasförmige Wasser in der Anlage. Die Vorstellung, dass sich Wasser im Stickstoff „löst“ und damit mehr Stickstoff auch mehr Wasser „lösen“ kann, ist also falsch.

Zum Abschluss sollte noch einmal klar darauf hingewiesen werden, dass lediglich versucht wurde, die eingangs gestellte Frage zu beantworten. Eine grundsätzliche Bewertung des Verfahrens oder ein Vergleich zur Methode des Entfernens von Feuchtigkeit durch Evakuieren der Anlage ist damit nicht gegeben.

Verwendete Formelzeichen

Ri: spezifische Gaskonstante in J/(gxK)

universelle Gaskonstante = 8,314 J/(molxK)

P: Druck in Pa

T: Temperatur in K

V: Volumen in m³

M: Molare Masse in g/mol

m: Masse in g

Indices:

N: Stickstoff

W: Wasser

G: Gesamt

S: Sättigungszustand

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