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Explodierende Rohstoffkosten trüben positive Geschäftsentwicklung

Optimierung der Energieeffizienz schneller vorantreiben

KK: Herr Kessel, wie beurteilt Armacell das Geschäftsjahr 2011?

Stephan Kessel: 2011 war ein ausgesprochen schwieriges Jahr. Wir verzeichnen zwar insgesamt in Europa ein moderates Wachstum, leiden aber in einigen Märkten unter einem erheblichen Geschäftsrückgang. Spanien und Portugal, für uns in der Vergangenheit sehr starke Märkte, sind auch 2011 weiter dramatisch geschrumpft, und wir erwarten auch für 2012 keine wesentliche Besserung. Besser lief das Geschäft dagegen in den USA und im asiatisch-pazifischen Markt, der kontinuierlich wächst.

KK: Wie haben sich die Rohstoffkosten im vergangenen Jahr entwickelt?

Stephan Kessel: Wie bereits im Jahr 2010 mussten wir auch 2011 mit einem weiteren, noch stärkeren Anstieg der Kosten für unsere Rohstoffe kämpfen. Dabei spielt der Ölpreis nur eine untergeordnete Rolle. Natürlich hat er einen Einfluss auf unsere Kosten, aber nicht so direkt wie z. B. auf die Benzinpreise. Die Preissteigerungen unserer Rohmaterialien sind nicht durch aktuelle Spekulationen auf den Rohstoffmärkten getrieben, sondern lassen sich auf den anhaltend hohen Bedarf im Markt zurückführen. Wenn Sie bedenken, dass die milliardenschwere Petrochemie insgesamt nur einen Anteil von rund zehn Prozent am weltweiten Erdölverbrauch hat, dass Rohöl zunächst in Schwerbenzin (Naphtha) aufgespaltet wird, um dann in Ethylen, Propylen, Butadien oder Benzol gekrackt zu werden und Nitrilkautschuk (Basiskomponente für Armaflex) letztlich nur einen Anteil von zehn Prozent am weltweiten Markt für synthetische Kautschuke hat, wird deutlich, wie weit der Weg vom Erdöl zu unseren Produkten ist und wie klein unsere Industrie letztlich auf dem Gesamtmarkt für synthetische Kautschuke ist.

Hans Bolliger: Lassen Sie mich die Entwicklung der Rohstoffpreise an einem konkreten Beispiel verdeutlichen. Die Automobilindustrie boomt in vielen Märkten, insbesondere in China und Indien. Entsprechend steigt der Bedarf an Reifen. Die weltweite Kapazität an Naturkautschuk ist derzeit nahezu erschöpft, also setzen die Reifenhersteller vermehrt synthetischen Kautschuk ein. Seit Januar dieses Jahres hat sich der Preis für Butadien, das ist die Basiskomponente für unsere NBR-Produkte, fast verdoppelt; Tendenz weiter steigend. Ähnliche oder noch gravierendere Entwicklungen erleben wir bei anderen Rohstoffen. Die Preise für Flammschutzmittel sind im Vergleich zu Anfang 2010 um bis zu 140 Prozent gestiegen. Diese exorbitanten Preisentwicklungen sind auch eine Folge der re­striktiven Exportpolitik einiger Länder. Insgesamt müssen wir feststellen, dass unsere Rohstoffkosten seit Anfang 2010 durchschnittlich um 55 Prozent gestiegen sind. Die weiterhin hohe Nachfrage wird dazu führen, dass sich die derzeitige Entwicklung fortsetzen wird und es bestenfalls eine Preisstagnation auf hohem Niveau geben wird.

KK: Was bedeutet diese Entwicklung für Armacell? Haben Sie die Kostensteigerung an Ihre Kunden weitergeben können?

Hans Bolliger: Selbstverständlich haben wir die Kostensteigerungen nicht in vollem Umfang an den Markt geben können. Wir haben unsere Gesamtkosten durch Spar- und Optimie­rungsmaßnahmen weiter gesenkt, müssen für 2011 aber erhebliche Gewinneinbußen hinnehmen. Da unser Standard an Qualität nicht diskutierbar ist, sind weitere Preiserhöhungen die zwangsläufige Konsequenz.

KK: Das Thema Preise wird uns also auch 2012 noch beschäftigen. Welche Trends sehen Sie für die kommenden Jahre?

Hans Bolliger: Qualität und Sicherheit in der Isoliertechnik wird das vorherrschende Thema sein. Hersteller, aber auch Verarbeiter von Dämmstoffen werden sich zukünftig an der langfristigen Funktionssicherheit ihrer Isoliersysteme messen lassen müssen. Ab August 2012 dürfen europaweit nur noch techni­sche Dämmstoffe vertrieben werden, die den europäischen Produkt­stan­dards genügen und das CE-Zeichen tragen. Armacell war maßgeblich an der eu­ropäischen Normungsarbeit beteiligt und hat den Prozess seit Mitte der 1980er Jahre mitgesteuert. Die europäischen Produktnormen bringen eine höhere Rechtssicherheit in der Planung, Ausschreibung und Verarbeitung technischer Dämmstoffe.

Parallel zur Einführung des CE-Zeichens haben wir gemeinsam mit anderen namhaften Dämmstoffherstellern Gütebedingungen für technische Dämm­stoffe aus Schaumkunststoffen verabschiedet und im März 2011 das RAL Gütezeichen FEF/PEF eingeführt. Neben Produktqualität zählt aber auch die Anwendungssicherheit. Daher schulen wir Isolierer seit Jahrzehnten in der Verarbeitung unserer Produkte und bieten ihnen mit der Armaflex-System-Garantie verlängerte Gewährleistungszeiten.

KK: Welche Bedeutung hat die Energiewende für die Dämmstoffbranche?

Stephan Kessel: Die Energiewende wird zur Verteuerung von Energie führen und damit die Optimierung der Energieeffizienz schneller vorantreiben. Steigende Energiepreise werden Gebäudebesitzer, aber auch Betreiber industrieller Anlagen geradezu zwingen, nach Einsparpotenzialen zu suchen. Während wir seit Einführung der ersten Heizungsanlagenverordnung im Jahr 1978 das Dämmniveau heizungstechnischer Anlagen in Gebäuden immer weiter verbessern konnten, gibt es für industrielle Anlagen bislang keinerlei entsprechende Vorschriften. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist das Einsparpotenzial hier jedoch ungleich größer. Genau hier setzt die EiiF (European Industrial Insulation Foundation) an und zeigt mit ihrem TIPCHECK Programm Energieeinsparpotenziale auf. Die Dämmung industrieller Anlagen ist für unsere gesamte Branche ein riesiger Wachstumsmarkt nicht nur im Anlagenbau, auch in der Wartung bestehender Anlagen.

KK: Benötigen industrielle Anlagen spezielle Dämmsysteme?

Hans Bolliger: Das kommt ganz auf die spezifischen Anforderungen an. Bei vielen Anwendungen in der Industrie können Standard-Produkte eingesetzt werden. Daneben gibt es aber beispielsweise Tiefkälteprozesse, wie die innovative LNG-Technologie, die spezielle Dämmsysteme erfordern. Außerdem tritt in der Industrie neben dem Wärmeschutz oft auch der Schallschutz. In vielen Industriezweigen wurde viel zu lange vernachlässigt, dass der enorme Geräuschpegel industrieller Anlagen mit erheblichen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für die Beschäftigten verbunden ist. Hinsichtlich thermischer Dämmungen in der Industrie gibt es noch ein enormes Potenzial für die Isoliertechnik, im Bereich Schallschutz leisten wir derzeit noch Pionierarbeit.

KK: Meine Herren, wir danken Ihnen für das Gespräch. -

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