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Brandschutztechnische Fehlplanungen und -ausführungen im Bereich der Lüftungstechnik

Bitte nochmal nachdenken!

Die oftmals fehlerhaften Planungen und Ausführungen führen teilweise zu erheblichen Rechtsstreitigkeiten und Kosten bei den Beteiligten. Auch die Nutzer und Betreiber der Gebäude haben bei der Häufigkeit der Mängel das Nachsehen, da meist bei der Mängelfeststellung der Bezug des Gebäudes schon im Gange ist und eine Mängelbeseitigung dann teilweise kaum noch realisiert werden kann. Dies beruht zum einen auf der Flut neuer Bauprodukte mit deren teilweise nur schwer verständlichen Zulassungen und der daraus resultierenden Umsetzung, zum anderen auf die Einführungen neuer Richtlinien, Regelwerke und Normen, die teilweise nicht in Einklang zu anderen einzuhaltenden Rechtsvorschriften stehen. Um ein Verständnis zu der Problematik darzustellen, werden einige Beispiele aus der Praxis genannt.

Beispiel 1 zu der Muster-LüftungsanlagenRichtlinie M-LüAR, Stand 29.09.2005

In Punkt 4 der Richtlinie steht In notwendigen Fluren mit feuerhemmenden Wänden genügen anstelle von feuerhemmenden Lüftungsleitungen Lüftungsleitungen aus Stahlblech, ohne Öffnungen, mit Abhängern aus Stahl, vgl. Bild. 3.1 und 3.2.

Dies bedeutet, dass Stahlblechlüftungsleitungen durch F 30-Flurwände geführt werden dürfen, ohne dass im Bereich der Flurwanddurchführungen eine geprüfte Brandschutzabsicherung vorhanden sein muss. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Flur über die Leitungsführung nicht belüftet wird.

In Punkt 5.2.1.2 der Richtlinie wird er­läutert, dass bei der Durchführung von Lüftungsleitungen durch Bauteile, für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, die verbleibenden Öffnungsquerschnitte, wenn die Spaltbreite nicht größer als 50 mm beträgt, mit Stopfungen aus Mineralfasern mit einem Schmelzpunkt > 1 000 °C dicht zu verschließen sind. Ein Nachweis über die Ausführung der Verstopfung ist dabei nicht erforderlich.

Gemäß § 36 der HBO ist unter Abs. 3 folgender Text zu lesen: Lüftungsleitungen, die trennende Wände und Decken, für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, überbrücken, sind so herzustellen, dass Feuer und Rauch ausreichend lang nicht übertragen werden können.

Folgerung

Die im Bau installierten Lüftungsleitungen aus Stahlblech gelten als Bauprodukte ohne Brandschutznachweis und entsprechen in keinster Weise den baurechtlichen Anfor­derungen zum Absichern von Brandübertragungen. Zurzeit beträgt die Materialstärke für Lüftungsleitungen aus Stahlblech (bis zu einer Breite von ca. 800 mm) 0,75 mm. Bei größeren Lüftungsleitungen wird eine Ma­terialstärke von ca. 0,88 mm verwendet.

Wenn nun Lüftungsleitungen ohne Brandschutzklassifizierung durch Flurwände geführt werden, die der Klassifizierung F 30 entsprechen, stellt sich die Frage, ob die geprüfte Wand noch als feuerhemmend angesehen werden darf.

Es stellt sich weiterhin die Frage, welche Rechtsgrundlage höherwertig anzusehen ist: die Bauordnung der Länder oder die M-LüAR. Die Ausführung nach M-LüAR entspricht bezüglich der Brandschutzabsicherungen dabei teilweise nicht den Forderungen der Landesbauordnungen.

Da es bei der Durchführung der Lüftungsleitungen keine Begrenzung auf deren Größe gibt, ist das Verstopfen der Öffnungsquerschnitte technisch als problematisch anzusehen, da es bei größeren Kanalbreiten zu einer umso größeren Instabilität bezüglich der Durchbiegung führt. Gemäß der M-LüAR wird keine definierte Qualität auf die Stopfung im Spaltbereich gelegt. Wie hier über eine Zeitdauer von 30 min eine ausreichende Rauchdichtigkeit gewährleistet werden soll, ist und bleibt zu bezweifeln.

Bei Bränden nach Einheitstemperaturverlauf ist nach kürzester Zeit mit einer Temperaturanhebung auf 500 °C zu rechnen. Die höchste Temperatur wird sich als Erstes durch thermischen Auftrieb unterhalb des Deckenbereichs einstellen. Dort befinden sich in der Regel fast alle Lüftungsleitungsdurchführungen, auch die die durch Flurwände zu Rettungswegen führen. Da bei 500 °C Stahlblech seine Festigkeit um 50 Prozent verliert, ist davon auszugehen, dass spätestens dann die Lüftungsleitungen zusammengesackt sind.

Dies bedeutet, dass Feuer und Rauch ungehindert in einen Fluchtweg eindringen können, der nach Baurecht ausreichend lange gegen Feuer und Rauch gesichert sein muss. Die für Fluchtwege bestehende Forderung in der Klassifikation F 30 wird spätestens dann nicht mehr erfüllt sein.

Beispiel 2 zu der Muster-LüftungsanlagenRichtlinie M-LüAR, Stand 29.09.2005

Unter Punkt 5.2.1.2 Durchführung durch feuerwiderstandsfähige, raumabschließendeBauteile wird bezüglich von Lüftungskanalführungen u. a. auf die schematischen Darstellungen (Bild 1.1 bis Bild 1.4 der M-LüAR) hingewiesen.

In Bild 1.1 der M-LüAR ist zu erkennen, dass die Lüftungszentrale mit dem angrenzenden Geschoss bzw. Raumbereich brandschutztechnisch über die Lüftungsleitung in direkter Verbindung steht. In den Bildern 1.3 und 1.4 werden die Lüftungsleitungen, die über mehrere Geschossebenen führen, in die Lüftungszentrale ohne Brandschutzab­sicherung geführt. Die direkte Anbindung der angrenzenden Geschossebene ist möglich. Über die Lüftungsleitungen und Geräte in der Zentrale stehen somit alle zu versorgenden Ebenen brandschutztechnisch in direkter Verbindung.

Folgerung

Unter Punkt 6.4.4 der M-LüAR wird für Lüftungsleitungen in Lüftungszentralen auf eine Brandschutzabsicherung verzichtet, wenn die Lüftungsleitungen aus Stahlblech sind und keine brennbaren Dämmschichten haben. Wenn gemäß den baurechtlichen Vorschriften die Geschossdeckenanforderung einer Brandschutzklassifikation entsprechen muss, so müssen Wände und Decken der Zentrale nach Punkt 6.4.2 der M-LüAR der gleichen Klassifikation ent­sprechen. Dabei dürften jedoch die Lüftungsleitungen aus anderen Geschossen, egal in welcher Dimension, ohne Brandschutz­absicherung in die Zentrale führen.

Das angrenzende Geschoss darf nach den Bildern der M-LüAR jeweils unmittelbar lufttechnisch versorgt werden. Dabei ist die Brandschutzklassifikation des Decken­bereichs durch die Durchdringung mit einem nicht geprüften Bauteil aufgehoben. Diese Ausführung steht somit auch konträr zu den Forderungen zu dem § 28 Decken der HBO.

In den meisten Fällen werden die Lüftungsleitungen über brennbare Segeltuchstutzen bezüglich der Körperschalltrennung angeschlossen. Bei einem Brandfall über das Kanalsystem würden diese sofort abbrennen und das Kanalsystem würde ebenfalls sofort in offener Verbindung zur Zentrale stehen. Auch die Lüftungsgeräte sind meist nicht als geschlossene Stahlblechleitungssysteme an­zusehen, da beispielsweise die Schaugläser in den Revisionstüren zur inneren Sichtung aus Glas oder Plexiglas bestehen. Dies alles steht jedoch im Widerspruch zu der allgemeinen Bauordnung, da Stahlblechlüftungsleitungen keinen Brandschutzanforderungen entsprechen!

In den Lüftungszentralen sind immer die Schaltschränke für die Versorgung der Anlagen und deren Steuerung aufgestellt. Diese Einrichtungen, die unter ständiger elek­trischer Spannung stehen, werden bei der Betrachtung einer eventuellen Brandentstehung nicht berücksichtigt. Gerade diese Einrichtungen bergen das größte Brandrisiko in den Zentralen. Bezüglich dieser Einrichtungen besteht nach der M-LüAR keine Forderung zum Einbau von Brandschutzklappen.

Wenn jedoch eine brennbare Dämmung, und dazu zählen auch B 1-Materialien, auf den Lüftungsleitungen vorhanden sind, müssen nach Punkt 3 der M-LüAR in den Umfassungswänden Brandschutzklappen mit Rauchauslösungseinrichtungen vorhanden sein. Wenn man davon ausgeht, dass gemäß der M-LüAR über die Lüftungszentrale keine Brandweiterleitung zu erwarten ist, dann kann auch keine Entzündung der brennbaren Dämmung stattfinden. Warum dann dieser erhöhte Aufwand?

In Sonderbauten werden Küchenbereiche mit Kochstellen als Räume besonderer Art oder Nutzung deklariert und müssen der Brandklassifikation F 90/ T 30 entsprechen. Nur die Lüftungszentralen dürften nach der Richtlinie ohne Brandschutzabsicherung zu den zu versorgenden Bereichen betrieben werden. Um die Denkweise dieser Richtlinie verstehen zu können, bedarf es wahrscheinlich besonderen Anforderungen.

Es sollte auch die Überlegung bedacht werden, dass es bei einem Brandfall zu einer Verrauchung über das Lüftungskanalsystem von einem Geschossbereich bzw. einer Nutzungseinheit in einen anderen Bereich führen kann. Bei unterschiedlichen Mietverhältnissen in einem Gebäude kann dies zu ver­sicherungsrechtlichen Forderungen zwischen den Mietparteien und dem Betreiber des Gebäudes führen. Baurechtlich sind unterschiedliche Nutzungseinheiten brandschutztechnisch zu trennen. Ob dies bei den Überlegungen der Richtlinie ausreichend bedacht wurde, bleibt als fraglich anzusehen.

Fazit

Allein die Hinweise aus diesen beiden Beispielen verdeutlichen, dass ein logisches Verständnis zur Umsetzung dieser Maßnahmen kaum erreicht werden kann.

Auch bleibt die Frage offen, ob den ­Verfassern dieser Richtlinie bewusst war, dass bei der Absicherung der Rettungswege auch diese von den Einsatzkräften über einen Zeitraum von 30 min zur Hilfe­leistung benötigt werden. Eine Absicherung über nicht geprüfte Bauprodukte, in diesem Fall Lüftungsleitungen, ist da nicht gerade hilfreich.

Beispiele aus der bisher praktischen Umsetzung der Richtlinie haben gezeigt, dass die meisten Brandschutzplaner auf die sichere Seite gehen und in den Lüftungsleitungsdurchführungen durch F 30-Flurwände eine zugelassene Absicherung in der gleichen Brandschutzklassifikation fordern. In einem konkreten Fall wurde jedoch in einem Brandschutzkonzept auf die geprüfte Absicherung der Lüftungsleitungsführung durch die besagten Bauteile verzichtet und auf die Auslegung der M-LüAR verwiesen. Bei dem Objekt handelte es sich um einen recht großen Intensivstationsbereich in einem Klinikum. Man kann nur hoffen, dass es dort nie zu einem größeren Brand­ereignis kommt.

Bei den Festlegungen in der M-LüAR muss man sich die Frage stellen, ob bei diesem Maßnahmenkatalog die tatsächliche Praxis aus Brandgefährdung und Brand­weiterleitung ausreichend beachtet wurde. Ob wissenschaftliche Grundlagen ausreichend berücksichtigt wurden, bleibt fraglich. Im Gegensatz zu den genannten brandschutztechnischen Erleichterungen aus dieser Richtlinie wird bei Lüftungsschächten, in denen eine brennbare Installation vorhanden ist, eine brandschutztechnische Absicherung auch zur Lüftungszentrale in der Klassifikation der Schachtanforderung gestellt. Dies bedeutet, dass bei einem F 90-Schachtbereich eine brandschutztechnische Absicherung zur Lüftungszentrale in der Klassifikation F 90 über Brandschutzklappen, Rohrschottungen usw. erfolgen muss, obwohl alle Ausführungen aus dem Schachtbereich in die entsprechenden Geschossbereiche bereits in der Klassifikation F 90 abgesichert sein müssen. Daraus resultiert, dass Schächte mit einem großen Aufwand gesichert werden, obwohl sich dort keine Personen aufhalten. Bei der Absicherung von Fluchtwegen und Nutzungseinheiten wird jedoch auf eine gezielte Brandschutzabsicherung in der Richtlinie verzichtet.

Gemäß § 319, Abs. 1 StGB wird derjenige, der bei Planung, Leitung oder Ausführung eines Baus gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, mit Freiheitsentzug oder Geldstrafen bestraft. Spätestens nach einem Brandschaden, bei dem es zu Personenschäden gekommen ist, wird die Staatsanwaltschaft ermitteln, ob die allgemeinen Regeln der Technik oder der Stand der Technik entsprechend eingehalten wurden. Dann wird ermittelt, ob die Verfahrensweise dieser Richtlinie den allgemeinen baurechtlichen Anforderungen standhält. Die beiden Beispiele zur M-LüAR sollen dem Leser aufzeigen, wie differenziert sich die Betrachtungsweise aus baurechtlicher Sicht darstellt. -

Links

https://www.diekaelte.de/ WEBCODE 1105

Hier finden Sie die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen (M-LüAR, Stand 29.09.2005, geändert am 01.07.2010).

https://www.xing.com/communities/pages/1 Forum Fachbeiträge

Auf Xing diskutieren wir das Thema in unserer Gruppe. Wir interessieren uns für Ihre Erfahrung mit der M-LüAR. Schreiben Sie uns Ihre Meinung.

https://www.bfs-kaelte-klima.de/ Seminar Technik T 21

Die Bundesfachschule in Maintal bietet passend zum Thema das Seminar T 21 Brandschutz an.

Dipl.-Ing. Wolfgang Klaffert

ist freier Sachverständiger nach technischer Prüfverordnung und als technischer ­Prüfsachverständiger seit mehr als 25 Jahren für die ­baurechtliche Abnahme von lüftungstechnischen Anlagen zuständig.

Wolfgang Klaffert, Kelkheim

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