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Potenziale, Hemmnisse und Musterbeispiele

Groß-Wärmepumpen in der Industrie

    Als Ergebnis des Forschungsvorhabens Industrielle Großwärmepumpen Potenziale, Hemmnisse und Musterbeispiele wurden Informationen über vorteilhafte Einsatzmöglichkeiten für Wärmepumpenanlagen in der Industrie und dem Gewerbe in Deutschland bereitgestellt. Dazu wurde eine Marktanalyse, eine Potenzialabschätzung und eine Hemmnisanalyse durchgeführt. Es zeigte sich, dass Großwärmepumpen in der Industrie bisher kaum eingesetzt werden. Die Analyse identifizierte vorteilhafte Anwendungsfälle für Großwärmepumpen in der Industrie und das technische Potenzial für den Einsatz von industriellen Großwärmepumpen in Deutschland wurde abgeschätzt.

    Hintergrund und Zielsetzung

    In Industrie und Gewerbe lassen sich Wärmepumpenanlagen vorteilhaft zur Bereitstellung von Raum- und Prozesswärme sowie zur Abwärmenutzung einsetzen. Neben der Verwendung der üblichen Wärmequellen (Luft, Erdreich und Grundwasser) sind in der Industrie häufig Wärmequellen auf höherem Temperaturniveau, z.B. Abwärme von Kühlprozessen und Prozessabluft, verfügbar. Diese teilweise nicht direkt nutzbaren Wärmequellen können durch den Einsatz von Wärmepumpen sowohl innerhalb des Betriebes als auch für die Wärmeversorgung benachbarter Betriebe oder Wohngebiete genutzt werden. Obwohl die Wärmepumpentechnologie auch in Deutschland für viele Anwendungsfälle in Industrie und Gewerbe geeignet ist, wird gemäß Angaben des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg (vgl. [1]) das große Potenzial der günstigen Industrieabwärme bisher kaum genutzt. Dies ist möglicherweise auf eine unzureichende Information der potenziellen Anwender sowie die meist individuelle Planung und Ausführung der Anlagen zurück- zuführen.

    Ziel des Forschungsvorhabens Industrielle Großwärmepumpen Potenziale, Hemmnisse und Musterbeispiele war es deshalb, vorteilhafte Einsatzmöglichkeiten für Wärmepumpenanlagen in Industrie und Gewerbe in Deutschland zu identifizieren und deren Potenzial abzuschätzen. Hierzu wurden für ausgewählte Einsatzfälle in Betrieben unterschiedlicher Branchen Best-Practice-Beispiele analysiert, bei denen u.a. die Wirtschaftlichkeit und die Einsparung von Endenergie, Primärenergie und CO2-Emissionen detailliert untersucht wurde. Darüber hinaus wurden bestehende Hemmnisse bezüglich einer weiteren Verbreitung der Wärmepumpentechnik erfasst und Möglichkeiten zu deren Überwindung aufgezeigt. Um günstige Anwendungsfälle für industrielle Wärmepumpen zu identifizieren und die technische Machbarkeit zu beurteilen, wurden sechs Arbeitsschritte durchgeführt, deren Vorgehensweise und Ergebnisse im Folgenden beschrieben werden.

    Technische Grundlagen

    Nach VDI 2067 Blatt 6 ist eine Wärmepumpe eine Einrichtung, die einen Wärmestrom bei niedriger Temperatur aufnimmt (kalte Seite) und unter Aufwand hochwertiger Energie bei höherer Temperatur wieder abgibt (warme Seite) [2].

    Der Kältemittelkreislauf einer Wärmepumpe ermöglicht es, Wärme auf ein höheres Temperaturniveau zu pumpen. Das Herzstück einer Wärmepumpe ist der durch einen Verdichter angetriebene Kältemittelkreislauf. Je nach Art der Verdichtung unterscheidet man verschiedene Wärmepumpen-Typen (z.B. Kompressionswärmepumpen, Absorptionswärmepumpen, Gasklimageräte, Brüdenverdichter). Der Kältemittelkreislauf einer Wärmepumpe ist vom Aufbau her identisch mit dem eines Kühlschranks, nur die Aufgabe ist dabei umgekehrt. Beim Kühlschrank wird dem Kühlgut Wärme entzogen und an seiner Rückseite an den Raum abgegeben. Bei der Wärmepumpe wird der Umwelt Wärme entzogen und dem Heizungssystem zugeführt. Die wesentlichen Bauteile einer Kompres­sionswärmepumpe sind Verdichter, Verdampfer, Verflüssiger und das Expansionsventil (siehe Bild 1).

    Stand der Kenntnisse

    Bisher in Deutschland zum Wärmepumpeneinsatz durchgeführte Untersuchungen und Veröffentlichungen beziehen sich insbesondere auf die Bereitstellung von Raum- und Prozesswärme in Wohngebäuden, d.h. kleine bis mittelgroße Wärmepumpen. Hierbei steht neben Informationsbroschüren für potenzielle Anwender (vgl. z.B. [3], [4], [5], [6], [7]) der Systemvergleich mit anderen Heizungs­systemen im Vordergrund (vgl. z.B. [8], [9], [10], [11]).

    Darüber hinaus gibt es auch Publikationen zum Einsatz mittelgroßer Wärmepumpen in kommunalen Einrichtungen (z.B. Verwaltungsgebäuden, Schwimmbädern), dem Gewerbe (z.B. Hotels, Altenheimen) und der Raumheizung von Produktions- und Büro­räumen in Industriebetrieben (vgl. z.B. [12], [13], [14]). Hierbei werden insbesondere die üblichen Wärmequellen Erdreich (Erdsonde und Energiepfähle), Wasser (meist Grundwasser) und Luft (Außenluft und Abluft) dargestellt. Die Verwendung von Abwärmeströmen als Wärmequelle sowie die Kombination von Wärme- und Kälteprozessen werden bislang fast gar nicht behandelt (vgl. z.B. [1], [15], [16], [17], [18], [19]).

    Nach Angaben in [1] und in [20] ist in Deutschland der Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie und dem Gewerbe im Vergleich zu anderen Ländern (z.B. Großbritannien, USA, Spanien, Japan, China, Dänemark und Norwegen) bislang relativ gering. Vorteilhafte Anwendungsgebiete im gewerblichen und industriellen Bereich sind demnach zum Beispiel:

    • Wärmepumpen zur Heizung und Wärmerückgewinnung als Bestandteil von Großklimaanlagen in Bürogebäuden und Warenhäusern
    • Wärmepumpen zum gleichzeitigen Heizen und Kühlen von Räumen
    • Wärmepumpen zur Ausnutzung der Niedertemperaturabwärme von Prozessen
    • Brüdenverdichter und Kochereianlagen zum Eindampfen bzw. Eindicken von Flüssigkeiten
    • Wärmepumpen-Destillieranlagen zur teilweisen Wiederverwendung der eingesetzten Verdampfungsenergie
    • Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) als Tandemanlage (BHKW und Wärmepumpe) zum gleichzeitigem Parallelbetrieb eines Generators mit einer Wärme- bzw. Kältemaschine

    Dabei sind nach den bislang vorliegenden Untersuchungen folgende Branchen primär angesprochen:

    • Metallverarbeitung
    • Lebensmittelindustrie (z.B. Molkereien, Brauereien)
    • Chemische Industrie
    • Papier-, Holz- und Textilverarbeitung

    Marktanalyse zu industriellen Großwärmepumpen

    Da zurzeit noch keine Übersicht zu Großwärmepumpenanlagen für die Anwendung in Industrie und Gewerbe für potenzielle Anwender vorliegt, wurde zunächst eine angebotsseitige Marktanalyse zu großen Wärmepumpenanlagen durchgeführt. Es zeigte sich, dass Hersteller, Informationsstellen und Verbände im Moment keine aktuellen Informationen über notwendige Randbedingungen (z.B. geeignetes Temperaturniveau der Wärmequelle etc.) für den sinnvollen Einsatz von Großwärmepumpen im industriellen Bereich präsentieren. Auch Zahlen zum Bestand an industriellen Wärmepumpen waren weder für Deutschland noch auf europäischer Ebene verfügbar.

    Die Marktanalyse zeigte auch, dass nur eine geringe Anzahl von Herstellern industrielle Großwärmepumpen (thermische Leistung >100kWth) anbieten. Dabei deckte die angebotene thermische Leistung einen Bereich von 100kWth bis ca. 1500kWth ab (ein Hersteller bis ca. 34MWth). Hinsichtlich der Energieausnutzung boten diese Anlagen einen möglichen COP (engl.: Coefficient Of Performance, entspricht dem Quotienten aus Nutzenergie und eingesetzter Energie) im Bereich von 2,4 bis 5,3 mit einem Maximum bei der aktuellen Wärmepumpentechnologie von ca. 6 bis 7. Das erreichbare Temperaturniveau kommerziell verfügbarer industrieller Großwärmepumpen liegt im Moment im einstufigen Betrieb bei ca. 65°C bis 75°C und bei ca. 80°C im zweistufigen Betrieb. Diese Temperaturniveaus sind mit den im Moment verfügbaren Kältemitteln (z.B. R134a, R407c) Standard. Es sind Beispielanlagen verfügbar, die in der Lage sind, bis ca. 90°C bei einer thermischen Leistung von ca. 300kWth zu produzieren. Diese Anlagen sind jedoch individuell geplante und gefertigte Sonderanfertigungen.

    Bei den Wärmetauschern werden für Flüssigkeiten in einem Leistungsbereich von 5 bis 500kW Plattenwärmetauscher eingesetzt. Im Bereich von 50 bis 2000kW werden Bündelrohrwärmetauscher bevorzugt. Für Gase kommen im Leistungsbereich von 5 bis 500kW Lamellenwärmetauscher zum Einsatz. Gemäß dieser Analyse lässt sich feststellen, dass derzeit die Hauptanwendung von Großwärmepumpen im industriellen Bereich die Abwärmenutzung zur Brauchwarmwasser- und Raumwärmebereitstellung darstellt.

    Neben der Abwärmenutzung zeigt die Nutzung von Abwasser als Wärmequelle wachsende Bedeutung [21], [22]. Vor allem in der Schweiz sind auf diesem Gebiet bereits eine Vielzahl von Projekten erfolgreich realisiert worden. Eine weitere noch relativ neue Anwendung sind sogenannte Gas-Klimageräte [23]. Darunter versteht man gasbefeuerte Klimaanlagen, die sowohl heizen als auch kühlen können. In der Betriebsweise Heizen nutzen diese Systeme die Außenluft als Wärmequelle.

    Hinsichtlich des realisierbaren Temperaturniveaus von Großwärmepumpen sind neue Kältemittel in der Entwicklung. Untersuchungen zum Beispiel mit R227ea lassen mögliche Temperaturen von ca. 90°C realistisch erscheinen. Durch den Einsatz von R245fa sollten Temperaturen von über 100°C realisierbar sein. Wann diese neuen Kältemittel auf dem Markt verfügbar sein werden, kann im Moment nach Aussagen von Kältemittelherstellern jedoch noch nicht abgeschätzt werden.

    Best-Practice Beispiele

    Um aussagekräftige Informationen zur Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit industrieller Wärmepumpenanwendungen zu erlangen, wurden ausgewählte Anwendungsfälle, die potenziell von besonderem Interesse für den Einsatz von Großwärmepumpen sind, analysiert. Hierzu wurden Unternehmen kontaktiert, bei denen der jeweilige Anwendungsfall potenziell von Interesse ist. Für diese wurde eine Detailanalyse für den möglichen Einsatz von Wärmepumpenanlagen durchgeführt. Diese Analyse beinhaltete zum Beispiel die konkreten Anforderungen für den Einsatz von Großwärmepumpen, die Überprüfung der technischen Machbarkeit oder die Berechnung der Wirtschaftlichkeit und der Einsparung von Endenergie, Primär­energie und CO2-Emissionen im Vergleich zur konventionellen Wärmeversorgung. Darüber hinaus wurden sie bei der Abschätzung des Potenzials für Deutschland verwendet.

    Die untersuchten Anlagen decken einen Bereich von ca. 90kWth bis ca. 970kWth hinsichtlich der durch die Großwärmepumpe bereitgestellten thermischen Leistung ab. Sie wurden im Zeitraum von 1980 bis 2004 installiert. Tabelle 1 stellt die untersuchten Bespiele in einer Übersicht dar.

    Die Untersuchungen zeigten, dass im Moment die meisten der analysierten Anlagen Abwärme als Wärmequelle nutzen und sehr spezifisch auf die jeweiligen Bedingungen und Anforderungen des Unternehmens angepasst und ausgelegt sind. Die Vielzahl der Unternehmen stellt damit Raumwärme für Produktions- und Bürogebäude bereit. Ein Unternehmen nutzt Grundwasser zur Beheizung und Kühlung von zwei Hotelanlagen mit einer Heizkapazität von je 430kWth. Eine dieser Anlagen wurde 2004 in Betrieb genommen; aufgrund sehr positiver Erfahrungen wurde eine weitere Wärmepumpenanlage in einem neuen Hotelgebäude installiert und ging im Sommer 2007 in Betrieb.

    Bild 2 zeigt für die untersuchten Anlagensysteme die resultierenden Einsparungen an CO2-Emissionen, an Primär- und Endenergie sowie bei den Kosten zur Nutzenergiebereitstellung für das Gesamtsystem mit installierter Großwärmepumpe.

    Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei allen Anlagen sowohl hinsichtlich des Energiebedarfs, der CO2-Emissionen als auch der Kosten zur Nutzenergiebereitstellung Einsparungen durch den Einsatz von Großwärmepumpen realisiert werden. Die möglichen Einsparungen sind jedoch von der korrekten Integration einer Wärmepumpe in das bestehende System und insbesondere vom Anteil der Wärmepumpe an der gesamten Nutzenergiebereitstellung abhängig. Betrachtet man die CO2-Emissionen zur Bereitstellung der entsprechenden Nutz­energie erhält man Einsparungen von 2% bis ca. 45% (Mittelwert 28%). Die möglichen Einsparungen an Primärenergie liegen im Mittel bei 32% und variieren von 4% in Fall E bis zu 50% in Fall F. Die größten Einsparungen werden bei den Anlagen C, F und H realisiert. Dies kann darauf zurück- geführt werden, dass diese Anlagen sowohl zur Wärme- als auch Kältebereitstellung eingesetzt werden. Im Fall E wird mit ca. 4% die geringste Einsparung erzielt. Dies resultiert aus dem sehr geringen Deckungsanteil der Wärmepumpe, welche in diesem Fall nur 17% des gesamten Wärmebedarfs zur Verfügung stellt. Auch hinsichtlich der Kosten zur Nutzenergiebereitstellung wird in allen untersuchten Anlagen eine Einsparung durch die Wärmepumpenanlage erzielt. Diese variiert von 1% bis über 33% (Mittelwert 15%).

    Identifikation potenzieller Einsatzmöglichkeiten für Wärmepumpenanlagen

    Zur Identifikation potenzieller Einsatzmöglichkeiten für Wärmepumpenanlagen in Industrie und Gewerbe wurden auf der Basis der IEA-Studie Industrial Heat Pumps [24] die dargestellten Anwendungsfälle auf die Rahmenbedingungen und Prozesse in der deutschen Industrie übertragen. Zudem wurden durch die Auswertung von vorhandenen Branchenanalysen zu Nutzwärmetemperaturniveaus und möglichen Wärmequellen weitere potenzielle Anwendungsfelder identifiziert. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Nutzung von Abwärme als Wärmequelle und der Kombination von Wärme- und Kälteprozessen. Hieraus wurden besonders relevante Anwendungsfälle für Industrie und Gewerbe abgeleitet, wie sie beispielhaft in Tabelle 2 dargestellt sind. Die Hauptanwendungsfälle von in­dustriellen Wärmepumpen in Deutschland wurden hier durch eine prozessspezifische Analyse von Industriebranchen identifiziert.

    Aussichtsreiche Branchen stellen z.B. die Ernährungsindustrie, die chemische Industrie, die Kunststoffwarenindustrie, die Papierindustrie oder die Kfz-Herstellung dar. Bei der Papierherstellung sind zum Beispiel Trocknungsprozesse sowie der Veredelungsprozess Streichen für den Einsatz von Wärmepumpen interessant. Die aus der Mischung der einzelnen Bestandteile (v.a. Zellstoff, Holzstoff, Faserstoffe, chemische Zusätze, Altpapier) im Wasserbad entstehenden Papierbahnen müssen vor der Aufwicklung auf Rollen getrocknet werden. Dies geschieht durch Wärmezufuhr bei 100°C. Der spezifische Wärmebedarf beträgt zwischen 3960 und 6840MJ/t Produkt (differiert leicht in Abhängigkeit von der Papiersorte). Zur Veredelung der erzeugten Papiermengen kommt unter anderem das Streichverfahren zum Einsatz, bei dem eine auf 60°C erwärmte Beschichtung (Lack) auf die Papierbahn aufgetragen wird. Dabei beträgt der Wärmebedarf ungefähr 29MJ/t Produkt.

    In der Ernährungsindustrie sind im Bereich der Brauereien zum Beispiel die Prozesse Maischebereitung, Würzebereitung sowie die Reinigung von Flaschen interessant. Bei der Maischebereitung wird das Brauwasser von 11°C auf 78°C erwärmt und mit Malz vermischt. Dabei werden ca. 61MJ Nutzwärme pro Tonne Produkt auf einem Temperaturniveau von 78°C benötigt. Die Würzebereitung umfasst die Erwärmung der Maische von 73°C (bei einer Abkühlung der Maische um 5K durch Verluste) auf 100°C und das Kochen der vermischten Bierbestandteile (Wasser, Hefe, Malz, Hopfen) bei 100°C. Da die Würze überwiegend aus Wasser besteht, wird mit einer spezifischen Wärmekapazität von 4,19kJ/kgK gerechnet. Der Wärmebedarf der Würzebereitung ergibt sich somit zu 302MJ/t Produkt. Vor dem Abfüllen des Produkts in die Mehrwegflaschen müssen diese gespült werden. Hierzu wird 80°C heißes Wasser eingesetzt. Daraus resultiert ein spezifischer Wärmebedarf von 54MJ/t.

    Hemmnisanalyse

    Da der Wärmepumpeneinsatz in Industrie und Gewerbe in Deutschland im Vergleich beispielsweise zu Großbritannien, USA, Spanien, Japan, China, Dänemark, Australien und Norwegen eher gering ist, kam im Rahmen der Untersuchung der Analyse der Hemmnisse bezüglich einer weiteren Verbreitung der Wärmepumpentechnik und der Ableitung von Möglichkeiten zu deren Überwindung eine besondere Bedeutung zu.

    Um die Relevanz dieser und anderer Hemmnisse empirisch zu erfassen und zu bewerten, wurden insbesondere die Aussagen von Herstellern im Rahmen der Marktanalyse und die Erfahrungen von Industrieunternehmen im Rahmen der Best-Practice-Beispiele ausgewertet. Daneben wurden Gespräche mit Experten und Verbänden geführt. Weiterhin wurde untersucht, inwieweit Energieversorger oder Contracting-Unternehmen, z.B. durch Fachwissen oder Finanzierungsmodelle, zum Abbau der Hemmnisse beitragen können.

    Die Hemmnisanalyse zeigte, dass einige wichtige Punkte der weiteren Verbreitung von Wärmepumpen im industriellen Bereich entgegenstehen. Die meistgenannten Hemmnisse sind:

    • Konkurrenz durch konventionelle Wärmerückgewinnung
    • Kostendruck konkurrierender Versorgungstechnologien
    • Konkurrierende Technologien zur Abdeckung höherer Temperaturbereiche bereits installiert
    • Prozessspezifische Auslegung notwendig
    • Einbindung in bestehende Systeme aufwendig und kostenintensiv
    • Abtrennung des Wärmepumpenkreislaufs von konventioneller Energiebereitstellung notwendig
    • Geforderte Amortisationszeit ≤3 bis 4 Jahre
    • Risiken hinsichtlich der Produktionssicherheit
    • Realisierbares Temperaturniveau für viele Anwendungen bislang zu gering
    • Fehlendes Wissen hinsichtlich Prozesstechnologien und der Wärmepumpentechnik in der Industrie, Beratungsfirmen, Versorgungsunternehmen etc.

    Neben den technischen Hemmnissen, vor allem die für viele Prozesse zu geringe darstellbare Temperatur der aktuellen Wärmepumpentechnologie, besteht ein Informations-, Wahrnehmungs- und Erfahrungsmangel über die Einsatzmöglichkeiten von Großwärmepumpen in industriellen Prozessen sowohl bei Endkunden als auch bei Planern und Installateuren. Informationsbroschüren, gemeinsame Informationsplattformen von Herstellern oder auch Informationsveranstaltungen sind Möglichkeiten, das Wissen über die Einsatzmöglichkeiten von Großwärmepumpen in der Industrie zu verbessern. Die Zusammenarbeit von Wärmepumpen- und Komponentenherstellern zur Informationsbereitstellung, z.B. Lebenszykluskosten, aber auch zur Bündelung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten könnte die Standardisierung der Komponenten und die Weiterentwicklung der Technik voranbringen. Dadurch könnten bestehende Investitionskostennachteile (im Vergleich zu konventionellen Technologien) sowie zeit- und kostenintensive Planungs- und Auslegungsarbeiten verringert werden.

    Abschätzung der Potenziale für industrielle Großwärmepumpen in Deutschland

    Ausgehend vom Energieverbrauch einzelner Wirtschaftszweige nach dem jeweiligen Nutztemperaturniveau und den identifizierten Einsatzmöglichkeiten wurde in einem weiteren Arbeitsschritt das technisch erschließbare Potenzial für den Einsatz von Wärmepumpenanlagen in Industrie und Gewerbe in Deutschland abgeschätzt. Dabei wurden die eingesparte Primärenergie und die CO2-Emissionsminderung ermittelt. Außerdem wurde diese Untersuchung auch für unterschiedliche Betriebsgrößenklassen innerhalb der Branchen durchgeführt, um Unterschiede z.B. in der Fertigungsstruktur und in den Energiepreisen berücksichtigen zu können.

    Die durchgeführte Analyse zeigte, dass in Deutschland im Bereich der Brauchwasserbereitstellung in der Industrie ca. 14,56PJ pro Jahr durch Wärmepumpen bereitgestellt werden könnten. Für den Bereich der Raumwärme und für Niedertemperatur-Prozesswärme wurde das Potenzial für drei verschiedene Stufen hinsichtlich des darstellbaren Temperaturniveaus von Wärmepumpen berechnet (70°C, 80°C und 100°C). Mit der aktuellen Technologie (Temperaturniveau 70°C) ergibt sich ein Potenzial von 231,06PJ/a, welche durch Wärmepumpen zur Verfügung gestellt werden könnten. Falls das Temperaturniveau auf 80°C angehoben wird, steigt das Potenzial um weitere 10,56PJ pro Jahr an. Aus einer Anhebung des Temperaturniveaus auf 100°C würde ein Zuwachs von nochmals ca. 147,91PJ pro Jahr resultieren. Bild 3 zeigt das Potenzial zur Wärmebereitstellung durch Wärmepumpen (Ausgangstemperatur 100°C) nach ausgewählten Branchen.

    Dies unterstreicht die Bedeutung der Weiterentwicklung der aktuellen Wärmepumpentechnologie, um die darstellbare Temperatur von 70°C auf 100°C anheben zu können. In den Branchen Ernährung und Chemie zum Beispiel würde bereits ab einer Ausgangstemperatur von 80°C ein großer Anteil der Wärmebereitstellung durch Wärmepumpen abgedeckt werden können. Bei einer Erhöhung auf 100°C könnte sogar der Großteil des Nutzwärmebedarfs des Papiergewerbes durch Wärmepumpenanlagen zur Verfügung gestellt werden.

    Hinsichtlich des technischen Einsparpotenzials lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Wärmepumpen (Ausgangstemperatur 100°C) die Möglichkeit bieten, in Deutschland ca. 389,53PJ Nutzwärme pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht ca. 15% des gesamten Energiebedarfs und ca. 30% des Nutzwärmebedarfs der deutschen Industrie im Jahr 2006. Bisher wird jedoch nur ein sehr geringer Anteil dieses Potenzials genutzt. Hinsichtlich der CO2-Emissionen wäre dadurch eine Einsparung von ca. 6,34 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr möglich. Dies entspricht 6,2% der gesamten CO2-Emissionen der deutschen Industrie im Jahr 2005.

    Fazit

    Gemäß dieser aktuellen Analyse möglicher Anwendungsfälle und Best-Practice-Beispiele lässt sich feststellen, dass die Hauptanwendung von Großwärmepumpen im industriellen Bereich derzeit die Brauchwarmwasser- und Raumwärmebereitstellung darstellt. Für eine Vielzahl von industriellen Prozessen ist die darstellbare Temperatur der aktuellen Großwärmepumpen noch nicht ausreichend hoch. Die Nutzung von Abwärme stellt jedoch zusätzlich zu den Ergebnissen der Potenzialanalyse ein weiteres großes Potenzial für den Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie dar, welches bisher noch nicht untersucht und analysiert wurde. Darüber hinaus zeigt der Kontakt zu Herstellern, potenziellen Betreibern, Planern, Verbänden und Informa­tionsstellen, dass das Wissen über industrielle Großwärmepumpen eher gering ist. Für den Einsatz solcher Wärmepumpen müssen nach der durchgeführten Hemmnisanalyse bestimmte Rahmenbedingungen (z.B. geeignetes Temperaturniveau der Wärmequelle, Zuverlässigkeit und Umfang der nutzbaren Abwärme, Gleichzeitigkeit von Wärmebedarf und Abwärmeanfall etc.) eingehalten und beachtet werden, um zufriedenstellende Ergebnisse erzielen zu können. Doch bereits mit dem heutigen technischen Stand können Großwärmepumpen in der Industrie einen kosteneffizienten Beitrag zur Energieeinsparung und zur Reduktion der CO2-Emissionen leisten.-

    Danksagung

    Diese Untersuchung wurde in Kooperation mit der Ochsner Wärmepumpen GmbH durchgeführt und von der Stiftung Energieforschung Baden-Württemberg unter der Fördernummer A 230 05 als Teil des Projektes Industrielle Großwärmepumpen Potenziale, Hemmnisse und Musterbeispiele gefördert.

    Quellenverzeichnis

    [1] Wirtschaftsministerium BW: Mittelgroße Wärmepumpenanlagen Nutzung der Umweltwärme für Gebäude und Betrieb, Stuttgart, März 2005

    [2] Verein Deutscher Ingenieure, VDI-Richtlinien, VDI 2067 Blatt 6, Berechnung der ­Kosten von Wärmeversorgungsanlagen Wärmepumpen, September 1998

    [3] Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, IE Informationszentrum Energie (Hg.): ­Energiesparende Heizung und Trinkwassererwärmung in wärmegedämmten Wohn­gebäuden (2. Auflage), Stuttgart 2000

    [4] Landesgewerbeamt Baden-Württemberg (LGA) Informationszentrum Energie: Energie sparen durch Wärmepumpenheizanlagen (4. Auflage), Stuttgart: LGA, 2003

    [5] Ochsner, K.: Wärmepumpen in der Heizungstechnik, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, Heidelberg 2007

    [6] RWE Energe AG: Bau-Handbuch (12. Auflage). Energie-Verlag, Heidelberg 1998

    [7] Initiativkreis Wärmepumpe (IWP) (Hg.): Arbeitsordner Wärmepumpe; Marketing + Wirtschaft, München 1996

    [8] Leven, B.; Neubarth, J.; Weber, C.: Ökonomische und ökologische Bewertung der elektrischen Wärmepumpe im Vergleich zu anderen Heizungssystemen. IER-Forschungsbericht Band 80, Universität Stuttgart 2001 (Auftraggeber: Stiftung Energieforschung Baden-Württemberg)

    [9] Fischedick, M.; Schmutzler, T.: Elektrische Wärmepumpen Eine Analyse aus ökologischer Sicht. Wuppertal Papers Nr. 77, August 1997

    [10] Hoffmann, E.; Frey, H.; Klipfel, V.: Ökologischer Vergleich verschiedener Heizsysteme für Wohngebäude. EnBW Energie 1999

    [11] Feist, W.; Baffia, E.: Heizung im Niedrigenergiehaus ein Systemvergleich. Passiv-hausinstitut, Darmstadt 1998

    [12] Landesgewerbeamt Baden-Württemberg (LGA) Informationszentrum Energie: Umweltwärme für Gebäude und Betrieb Mittelgroße Wärmepumpenanlagen; Stuttgart: LGA, 1999

    [13] BINE Internetforum Innovative Energie-Projekte: Nullemissionsfabrik Braunschweig. Projekt-Nr: 134, Fertigstellung August 2002

    [14] BINE Internetforum Innovative Energie-Projekte: Zukunftsfabrik mit Wasserkraftwerk Gutach. Projekt-Nr: 88; Einweihung Mai 2000

    [15] Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein (DKV): IZW-DKV Wärmepumpen­statusbericht Nr. 2: Wärmepumpen in gewerblichen und industriellen Anwendungen. Stuttgart: DKV 2000

    [16] Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein (DKV): IZW-DKV Wärmepumpen­statusbericht Nr. 4: Wärmerückgewinnung durch Wärmepumpen. Stuttgart: DKV 2001

    [17] Weber, R.: Ammoniak-Wärmepumpe erschließt Abwärmenutzung. In: Heizung Klima 1995, Vol. 22, Nr. 8, S. 66 f.

    [18] Reiner, G.: Ammoniak-Wärmepumpe für 65°C Heizwasser. In: Luft und Kältetechnik 1994, Vol. 30, Nr. 11, S. 541 f.

    [19] Ziegler, F., Spindler, U., Alefeld, G.: Wärme-Kälte-Kopplung mit einer Kompressions-Absorptions-Wärmepumpe: Betriebserfahrungen und Einsatzmöglichkeiten. In: DKV Tagungsbericht 1994, Vol. 21, Nr. 2//PT1, S. 267 f.

    [20] Heidelck, R.; Kruse, H.; Laue, H.-J. (IZW): Wärmepumpen in Gewerbe und Industrie Ein Überblick. In: IZW-DKV Wärmepumpenstatusbericht Nr. 2: Wärmepumpen in gewerblichen und industriellen Anwendungen, Stuttgart: DKV 2000

    [21] Bundesverband Wärme Pumpe (BWP) e.V., Heizen und Kühlen mit Abwasser Rat­geber für Bauherren und Kommunen, Oktober 2005

    [22] Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Energie aus Kanalabwasser Leitfaden für Ingenieure und Planer, Osnabrück/Bern, November 2005

    [23] Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. (ASUE), Heizen und Kühlen mit Gaswärmepumpen / Gasklimageräten, Juni 2006

    [24] IEA Heat Pump Center: Industrial Heat Pumps; Final Report from Annex 21 of the Heat Pump Programme, April 1995

    Dipl.-Ing. Jochen Lambauer,

    wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart

    Dipl.-Ing. Michael Ohl,

    wissenschaftlicher Mitarbeiter am IER der Universität Stuttgart

    Dr. rer. pol. Ulrich Fahl,

    seit 1990 Leiter der Abteilung „Energiewirtschaft und Systemtechnische Analysen“ am IER der Universität Stuttgart

    Dr.-Ing. Markus Blesl,

    seit 2000 Leiter der Fachgruppe „Energiesystemmodelle“ am IER der Universität Stuttgart

    Jochen Lambauer, Ulrich Fahl, Michael Ohl, Markus Blesl, Stuttgart

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