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Vorsicht brennbar: Risikoanalysen in der Kältetechnik

Herausforderung für Kältemaschinen-Hersteller

Die Zeit der halogenisierten Kohlenwasserstoffe als Kältemittel geht zu Ende, der Klimawandel fordert seinen Tribut. Laut der F-Gase-Verordnung der Europäischen Union sind Hersteller gefordert, vermehrt Kältemittel mit geringem Treibhauspotenzial einzusetzen. Bis 2021 sollen EU-weit die Emissionen der F-Gase im Vergleich zu 2015 halbiert und bis 2030 um 80 Prozent verringert werden.

Bislang gängige Kältemittel, wie FKW (Fluorkohlenwasserstoff) oder teilhalogenisierter Fluorkohlenwasserstoff (H-FKW), besitzen ein hohes Treibhauspotenzial („Global Warming Potential“, GWP). Ab 2022 dürfen geschlossene gewerbliche Kälteanlagen mit diesen Mitteln nicht mehr verkauft werden, da sie einen GWP-Wert von mehr als 150 haben.

Das Problem dabei: Viele Gase unter diesem Wert sind brennbar, beispielsweise CO2, Isobutan, Propan oder Ammoniak. Besonders deutlich wird die Feuergefahr bei Propan, das auch als Flüssiggas für Heizungen und als Autogas (LPG) eingesetzt wird. Als Kältemittel R 290 wird es in Kühlanlagen und Wärmepumpen genutzt.

Die Konstruktion an brennbare Kältemittel anpassen

Für Hersteller entsteht eine Herausforderung: Die Konstruktion der Kältemaschinen muss erneuert werden, da für sie andere Sicherheitsvorschriften gelten. Es reicht also nicht, einfach das Kältemittel zu ersetzen. Eine mögliche Leckage führt nun nicht nur zum üblichen Verlust von Kühlleistung, sondern beinhaltet auch ein Brandrisiko. Elektrische Bauteile müssen deshalb im Gehäuse so platziert werden, dass keine Zündquellen entstehen.

Das wird wahlweise durch die Abschirmung von Relais und Schaltern erreicht, durch die Nutzung eines getrennten Gehäuses oder die Verwendung von Komponenten,
welche nachweislich keine Zündquellen darstellen können. Weitere Maßnahmen sind beispielsweise das Abschalten der Stromversorgung bei einem Leck und der (teils vorgeschriebene) Einbau einer Lüftungsanlage, um ausgetretene Gase schneller abzuführen und die Entstehung einer entzündlichen Atmosphäre zu verhindern.

Im Rahmen der CE Produktkonformitätsbewertung wird eine umfassende Gefahrenanalyse verlangt. Dabei sind alle Komponenten des Gerätes, alle Anwendungsszenarien und alle bekannten Gefahren zu berücksichtigen. Dieser umfassende Gefahrenbewertungsprozess hat unter anderen die folgenden Einzelpunkte:

  • Festlegen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs sowie der Einsatzgrenzen
  • Erkennen von Wechselwirkungen zwischen Komponenten und Vorgängen innerhalb der Geräte
  • Erkennen potenzieller Zündquellen
  • Erkennen von Wechselwirkungen zwischen Komponenten und Stoffen in den Geräten
  • Bestimmen der Wahrscheinlichkeit der erkannten Gefahren
  • Schätzen des Schweregrads eines möglichen Schadens
  • Ermitteln von Restrisiken
  • Erstellen von Benutzerinformationen, die über alle Gefahren informieren
  • Zu jeder Risikoanalyse gehören Praxistests

    Diese Anforderungen gehen deutlich über das bisher Gewohnte hinaus. Für Geräte mit nicht brennbaren Kältemitteln haben die Hersteller lediglich die elektrische Sicherheit durch eine CE-Selbstdeklaration und darüber hinaus die Ungefährlichkeit hinsichtlich einer Brandgefahr erklärt. Durch die neuartigen Kältemittel reicht das bei weitem nicht mehr aus.

    Um valide Aussagen zu Risiken und Eintrittswahrscheinlichkeiten zu erhalten, ist eine umfassende Analyse mit ausführlichen, physikalischen Tests notwendig. Sie ist nicht nebenbei umzusetzen, da sie sehr kostspielig und zeitaufwendig ist. Viele Hersteller werden wohl nicht alle denkbaren Tests ausführen, sondern sich auf plausible Risiken be­grenzen. Dies kann im Einzelfall aber ein zu großes Restrisiko für die Nutzer bedeuten.

    Eine kostengünstige Ergänzung zu aufwendigen und personalintensiven Testreihen sind Computersimulationen. Sie sind hilfreich sowohl bei der Entwicklung neuer oder geänderter Produkte, da die Simulationsanwendung alle Arten von Leckagen bei einem Kältegerät überprüfen kann. Entscheidende Parameter dabei sind der Ort und die Rate des Gasaustritts sowie die Position der Zündquelle. Nur in einer Computersimulation können diese Parameter be­liebig variiert werden.

    Darüber hinaus berücksichtigt das Simulationsprogramm auch Umgebungsbedingungen wie beispielsweise die Raumtemperatur oder das Verhalten einer Belüftungsanlage im Zusammenspiel mit dem Kältegerät. So ist es möglich, die Wirkung eines Gasaustritts bei hunderten oder sogar tausenden unterschiedlicher Gerätekonfigurationen zu bewerten. Zudem haben Simulationen eine kurze Durchlaufzeit, sodass der Zeitfaktor nicht ins Gewicht fällt.

    Computersimulationen begrenzen die Kosten für Tests

    Am Ende erhält der Hersteller eine Reihe von Szenarien, die er vergleichen und nach dem Risiko einschätzen kann. Allerdings ist eine Simulation nur so gut wie das Datenmodell. Es muss valide sein und präzise die Ergebnisse eines entsprechenden Praxistests ergeben. Dies ist keine triviale Anforderung. Das Prüflabor UL hat für Risikoanalysen in der Kältetechnik ein eigenes Simulationsmodell entwickelt. Dabei werden verschiedene Kältegase mit unterschiedlich angeordneten Leckagen und Zündquellen in einem definierten Testaufbau simuliert. Diese Konstellationen inklusive der Gasaustritte und Zündquellen sind in der Realität nachgebaut und in der Praxis überprüft.

    Für Hersteller, aber auch Importeure und Anlagenbauer im Bereich Klima- und Kältetechnik, drängt die Zeit. Denn die EU hat ihnen die Pflicht zum Nachweis der entsprechenden Zertifizierungen und Risikoanalysen übertragen. Computersimulationen helfen dabei, die gesamte Produktpalette auf Kältemittel mit geringem GWP umzustellen.

    Elena Finocchi
    seit 2018 bei UL, derzeit als Industry Marketing Manager. Bevor sie zu UL kam arbeitete sie 18 Jahre lang in der Geräteindustrie mit Schwerpunkt auf Produktentwicklung und Konformitätsbewertung. Sie verfügt über weitreichende Erfahrung mit Energieeffizienzvorschriften in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.

    Bild: Finocchi

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