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Karlsruher Kraftfahrzeug-Symposium

Kfz-Klimatisierung bei ­elektrischer Mobilität

Die Vorstellung des neuen Fachbuches fand bereits am Vorabend des Kolloquiums statt. Prof. Johannes Reichelt würdigte das Wirken von Holger Großmann auf dem Fachgebiet der Kfz-Klimatisierung und sein soeben erschienenes Buch zu dieser Thematik, in dem alle Aspekte der Entwicklung von Kfz-Klimaanlagen auf der Grundlage der Erfahrungen des Autors in seinem Berufsleben eingehen konnten. Prof. Reichelt nannte das Buch ein Meisterwerk allererster Güte, wie es dies bisher noch nicht gegeben hat. Es werden nicht nur die bei der Fahrzeugklimatisierung vorkommenden mechanischen, thermodynamischen und sonstigen Zusammenhänge behandelt, sondern in vielen Kapiteln werden diese auch mathematisch hergeleitet.

Eine Laudatio zur Würdigung des Menschen Holger Großmann mit seinem allseitigen Fachwissen, seiner Bereitschaft, dieses vorbehaltlos weiterzugeben und mit seiner herausragenden naturwissenschaftlichen Begabung hielt Dr.-Ing. Christof Böttcher, der die fruchtbare Zusammenarbeit mit Holger Großmann würdigte und der als fachlicher Korrekturleser des Buches den besten Einblick hatte.

Holger Großmann bedankte sich für die erfahrene Würdigung mit einem kurzweiligen Vortrag über Erlebnisse und Anekdoten beim Schreiben des Buches.

Nach dieser Vorabendveranstaltung war es nur folgerichtig, dass Holger Großmann auch den ersten Vortrag in einer Folge von zehn Beiträgen, teilweise von Koautoren unterstützt, hielt.

Hybrid- und Elektroautos bedingen Änderungen in der Klimatechnik

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass bei Einführung von Hybrid- und reinen Elektroautos auch die Kfz-Klimaanlagen einschließlich Karosserien Änderungen erfahren. Jedenfalls soll auf den Klimakomfort niemand verzichten. Als Verdichter werden die bisher am Motor angekuppelten Verdichter durch elektrisch angetriebene Hermetikverdichter ersetzt. Für die Innenraumheizung braucht man eine neue Lösung mit der Wärmepumpenschaltung der Klimaanlage, weil die Motorabwärme nicht mehr verfügbar ist. Gleichzeitig wird die Standklimatisierung möglich werden, weil sie abgasfrei erfolgen kann. Und es wird nötig sein, alle Lastfaktoren auf den Prüfstand zu stellen, um die Kühlleistung so gering wie möglich zu halten. Die Karosserie wird besser gedämmt sein müssen, die Fenster werden kleiner und ihr Widerstand gegen einfallende Sonnenstrahlung wird höher sein. Im Winter wirkt das dann teilweise auch gegen Wärmeverluste nach außen. Die cw-Werte der Karosserie rücken wegen des Fahrtwiderstandes wieder mehr in den Mittelpunkt.

Reichweitenproblematik

Dabei ist die Problematik sehr stark von der Reichweitensituation überschattet. Beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung reiner Elektroautos wird mit Reichweiten zwischen zwei Ladezyklen von unter 100 km bis zu 300 km gerechnet, die sich aber reduzieren, wenn aus der gleichen Batterie auch klimatisiert wird. Viele gegenwärtige Projekte müssen sich noch mit geringen Reichweiten begnügen. Großmann nannte dazu einige Zahlenwerte, die das verdeutlichen: die Reichweite reduziert sich bis auf ein Drittel bei 6 kW Kühlleistung und bis auf die Hälfte bei 3 kW. Umso mehr kommt es darauf an, alle Potenziale zur Lastreduzierung auszuschöpfen, von der Wärmedämmung der Karosserie über die Verringerung der Luftaufheizung an der Fronthaube durch optimale Farb- und Oberflächengestaltung bis zur Größe und dem Anstellwinkel der Frontscheibe. Ein Solardach als Energiequelle für die Standbelüftung kann die Aufheizung im Kopfbereich bis auf die Hälfte und die Starttemperatur der Klimaanlage reduzieren, die Heizung im Winter erfolgt eventuell mit einem Kraftstoffbrenner. Die bedarfsabhängige Regelung der Außenluftrate verringert die Kühlleistung im Sommer und die Heizleistung im Winter.

Die Komponenten des Kältekreislaufs müssen noch viel besser als bisher aufeinander abgestimmt und energetisch optimiert sein und die richtige Kältemittel-Füllmenge ist einzuhalten. Das gesamte Thermomanagement der elektrisch angetriebenen Kraftfahrzeuge müsste auf eine neue Stufe gehoben werden.

Deutlicher Unterschied zwischen elektrischer Direktheizung und Wärmepumpenheizung

Um diese grundsätzlichen Ausführungen von Holger Großmann rankten sich die Beiträge weiterer Referenten. Christof Böttcher widmete sich weiteren Einzelheiten der Reichweitenreduzierung, die durch Vorkonditionierung des warmen bzw. kalten Fahrzeuges an der Steckdose deutlich vermindert werden kann. Die Problematik der hochgedämmten Karosserie mit zusätzlichem Kühlbedarf nach längerer Standzeit in der Sonne lässt sich ebenfalls nur durch diese Vorkonditionierung lösen. Ebenso ist ein deutlicher Unterschied zwischen elek­trischer Direktheizung und Wärmepumpenheizung zu erkennen. Eine weitere Verbesserung wäre durch die personennahe Klimatisierung zu erreichen, was aber neue technische Regeln für die Fahrzeugklimatisierung erfordern würde.

Klaus Strasser und Wolfgang Puntigam widmeten sich in ihrem Vortrag der ähnlichen Thematik, bezogen aber als zusätzliche Lastkomponente noch die Notwendigkeit der Batteriekühlung durch einen Leistungsanteil der Klimaanlage ein. Diese Aufgabe wurde auch in weiteren Vorträgen betont.

Udo Kaess stellte einen CO2-Sensor für die Steuerung der bedarfsgerechten Lüftung vor und gab einen Überblick über die damit erreichbaren Energieeinsparungen, die zu geringeren Reichweitenreduzierungen führen.

Hagen Deyhle und seine Mitautoren widmeten sich ebenfalls den Zielkonflikten, die bei der Klimatisierung der Elektrofahrzeuge auftreten, mit dem Schwerpunkt der Batteriekühlung, die mehr Kühlleistung des Klimagerätes erfordert, aber für den effektiven Batteriebetrieb unumgänglich ist. Die Verbesserung der Effektivität des Klima­systems wiederum bedingt höhere Systemkosten. Die Voraussetzung gleichbleibenden Komforts im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen reduziert die Reichweite umso mehr, mit je höheren Außentemperaturen zu rechnen ist, in Mitteleuropa z. B. um 25 und in Südostasien um 40 Prozent.

Nicholas Lemke simulierte die Kühlung und Heizung unter Einbeziehung der Entfeuchtung für ein Kühl- und Wärmepumpenaggregat mit R 744 (CO2) als Kältemittel und erkennt diese Lösung für Elektroautos als eine gute Alternative zu den konventionellen Systemen.

Zur Komponentenoptimierung leistete Tibor Györög einen Beitrag, indem er den Ejektorbetrieb mit einer Düse mit zweistufiger Entspannung zur Verbesserung des Kälteprozesses untersuchte. Die dadurch mögliche Anhebung des Saugdruckes erhöht die Kälteleistung, so dass mit verringerter Drehzahl und dadurch verringerter Verdichter-Leistungsaufnahme eine Reichweiten-Reserve entsteht.

Der Schwerpunkt im Vortrag von Stefan Elbel war die Nutzung der elektrisch angetriebenen Verdichter mit motorunabhängiger Drehzahlwahl in den Klimageräten von Elektrofahrzeugen unter Nutzung der Erfahrungen in stationären Klimaanlagen. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Scrollverdichter mit zeitlich unterbrochener Förderung (Digital-Scroll), weil bei ihm im Gegensatz zum drehzahlgeregelten Scroll der steigende Anteil der relativen Leckverluste bei Drehzahlreduzierung entfällt. Der Scrollverdichter selbst empfiehlt sich durch seine Laufruhe und seine günstigen Abmessungen.

Auch bei den Autobussen steht die voll- bzw. teilelektrische Ausführung zur Disposition. Die Klimatisierung dieser Busse betrachtete Martin Rindsfüßler in seinem Vortrag zu intelligenten Klimatisierungssystemen für Hybrid-Stadtbusse. Er entwickelte die Vision vom lastsynchronen Thermomanagement, bei dem ein ökologisch ökonomischer Betrieb durch eine bedarfsgerechte Regelung erfolgt. Das schließt alle zur Klimatisierung erforderlichen Hybridkomponenten sowie die am Fahrerarbeitsplatz und im Fahrgastraum benötigten Komponenten ein. Dazu sind alle für Energie- und Thermomanagement relevanten Komponenten kommunikativ untereinander vernetzt.

Diese Kurzfassung des einen ganzen Tag andauernden Symposiums kann nur Tendenzen und wichtige Lösungen aufzeigen. Es ist deutlich geworden, dass die Problematik an vielen Stellen vorausschauend bearbeitet wird, dass aber im Wesentlichen noch keine fertigen Lösungen verfügbar sind. Sehr deutlich sind allerdings die Anforderungen an die zukünftigen Ausführungen elektrisch betriebener Kraftfahrzeuge herausgearbeitet worden. Diese zu erfüllen, ist noch ein weites Feld für Forscher und Entwickler. U. A. -

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