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Kühlkette, Praxis Schwachstellen Verbesserungen

Lebensmitteltransport, ein Risiko für Lebensmittel?

Den ersten praxisbezogenen Beitrag gab es von Konrad Etteler zu hören, er ist Vorsitzender des Landesverbandes der Lebensmittelkontrolleure im öffentlichen Dienst, Nord­rhein-Westfalen e.V.

Grundsätzlich lassen sich die Obliegenheiten so zusammenfassen:

Die amtliche Lebensmittelüberwachung hat die Aufgabe, Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren durch Lebensmittel, [] sowie vor Irreführung und Täuschung zu schützen.

Neben den Hygienevorschriften bei der Beförderung von Lebensmitteln in Transportbehältern fällt dem Tiefkühlguttransport eine besondere Beachtung zu. Gemäß Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel gilt die Einhaltung folgender Temperaturvorschriften:

Nach dem Tiefgefrieren muss die Temperatur bis zur Abgabe an den Verbraucher an allen Punkten des Erzeugnisses ständig bei minus 18°C oder tiefer gehalten werden. Von dieser Temperatur sind Abweichungen nach oben zulässig:

  • beim Versand kurzfristige Schwankungen von höchstens 3°C,
  • beim örtlichen Vertrieb im Rahmen redlicher Aufbewahrungs- und Vertriebsverfahren Abweichungen von höchstens 3°C.

In seinen Ausführungen ging Etteler anhand von Bildinformationen auf die Sorgen der Lebensmittelkontrolleure bei der Überwachung der Kühl- und Tiefkühltransporte ein. Beanstandungen gab es vor allem bei sogenannten Kleinstunternehmern, insbesondere bei denjenigen, die aus dem Ausland kommendes Personal beschäftigen. Hier treten oft Probleme auf wie

  • die Fahrer sind der deutschen Sprache nicht mächtig,
  • Desinteresse bei der Einhaltung von Vorschriften,
  • Mangel an Hygienebewusstsein und
  • es steht für den Transport kein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung.

In zwei Grafiken zeigte Etteler noch die Zeit- und Temperaturfaktoren bei der Vermehrung von Mikroorganismen auf, woraus hervorging, dass sich Lebensmittelbakterien beim Vorliegen optimaler Voraussetzungen ca. alle 2530 Minuten verdoppeln können.

Position der TI und Änderungen an den ATP-Bestimmungen

Hierzu sprachen Peter Großkopf von der Transfrigoroute und Geschäftsführer der Firma Frigoblock, Hersteller von Transportkühleinheiten, sowie Birgit Kreß, Leiterin der ATP-Prüfstelle beim TÜV Süd Industrie Service in München.

Das ATP-Abkommen, das unter Leitung der UN (Genf) mit über 40 Mitgliedsstaaten besteht, regelt die technischen Voraussetzungen für den Kühl- und Tiefkühltransportverkehr vor allem hier in Europa, sei aber überarbeitungsbedürftig, da es u.a. nicht mehr zeitgemäße Vetorechte enthält.

Die Positionen der Technischen Inspektion, die von Peter Großkopf (Essen) geleitet wird, zielen darauf ab, dass alle notwendigen technischen Bestimmungen des ATP zukünftig in internationalen Normenausschüssen beraten und festgelegt werden. Dies betrifft insbesondere:

  • Die im ATP festgelegte Grenze für k-Werte, die grundsätzlich nur für die Typprüfungen von Neufahrzeugen gelten sollten;
  • Die Typprüfberichte, die ausschließlich von autorisierten ATP-Prüfstellen unter Einhaltung der festgelegten Bedingungen erstellt werden, sind innerhalb der Mitgliedsstaaten multilateral anzuerkennen.
  • Die bereits beschlossene 1-prozentige Toleranz des Gesamtschaumvolumens ist im ATP zu verankern.
  • Zum Nachweis einer ausreichenden Qualität und Praxistauglichkeit der Kühlfahrzeuge anlässlich der Wiederholungsprüfung nach sechs, neun bzw. zwölf Jahren sollte zukünftig der Pull-down-Test verbindlich herangezogen werden. In diesem Test werden mit angemessenem Aufwand gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Kälteanlage, der Wärmedämmung des Aufbaus sowie die Luftverteilung im Aufbau nachgewiesen.
  • Nur mit der Anpassung des ATP-Auslegungsfaktors auf 2,25 bis 2,50 kann innerhalb der ersten sechs Jahre Einsatzzeit eine Abkühlzeit der gealterten Aufbauten von maximal sechs Stunden, die im ATP für die Wiederholungsprüfungen bereits festgelegt wurde, gewährleistet werden.
  • Die neuerdings von einigen Prüfstellen vorgeschlagene Beschränkung der Gültigkeit der ATP-Typprüfberichte von Transportkälteanlagen auf sechs Jahre ist weder sachlich noch wirtschaftlich gerechtfertigt und begründbar.
  • In vielen Ländern sind heute bereits 3040% Mehrkammer-/Mehrtemperaturfahrzeuge im Einsatz, ohne dass hierfür ein abgestimmtes, sachgerechtes Prüfverfahren im ATP verankert ist.

Kalibrierung von Temperaturschreibern

Hier ging es insbesondere um die Kalibrierung von Temperaturregistriergeräten und Thermometern für den Transport, die Lagerung und die Verteilung von gekühlten, gefrorenen, tiefgefrorenen Lebensmitteln und Eiscreme, für die eine regelmäßige Prüfung vorgeschrieben ist.

Das Verfahren zur Prüfung der Temperaturmessung ist in DIN EN 13486 festgelegt. Dazu gab Frank Hebenstreit von der ATP-Prüfstelle der TÜV Süd Industrie Service GmbH nähere Verfahrenshinweise.

Was wird aus der Sicht eines Transportunternehmers in der Praxis falsch gemacht?

Hierzu referierte Karl-Magnus Riedle, geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Spedition Riedle im Allgäu. Zur Kernkompetenz eines Kühl- und Tiefkühlguttransportunternehmens zählt bei der Speditions-Lagerung die Kommissio­nierung und Konfektionierung sowie beim Transport bzw. der Warenübernahme beim Kunden (Komplettladung oder Teilladung)

  • die Unversehrtheit der Ware prüfen,
  • die Warentemperatur messen,
  • die Ladungssicherung vornehmen und
  • die Inbetriebnahme der Fahrzeugkühlung.

Die Zustellung beim Empfänger bedingt die unversehrte Bereitstellung der Ware, bei der Warenentnahme die Prüfung der vorgeschriebenen Temperatur und die zuvor festgelegte Transportzeit in Abhängigkeit vom Entfernungsort. Alles das dient dem Erreichen und Einhalten einer geschlossenen Kühlkette.

Das Problem des Spediteurs beim Transport von unterschiedlichen bzw. wechselnden Lebensmittelarten liegt vor allem in der Konvektion innerhalb des Transport-Lagerraums, das durch richtige Ventilation gelöst werden muss.

Wie wird die Qualität der Lebensmittel über die gesamte Kühlkette erhalten?

Hierbei ist ein zu berücksichtigender Sicherheitsfaktor bei der Leistungsberechnung der Transportkälteanlage in Abhängigkeit von Isolieraufbau und Luftkanal von großer Bedeutung. Als Qualitätsvorgaben im Neuzustand dienen die nationalen und europäischen Normenvorgaben und schließlich die Leistungsbestimmung mit Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors, der zwischen 1,75 und 2,25 variieren kann. Wie Rudolf Glück von der ATP-Prüfstelle beim TÜV Süd Industrie Service in München mit Grafiken und Bildmaterial anschaulich ausführte, verfügt eine Transportkälteanlage, die mit einem Sicherheitsfaktor von 1,75 berechnet wurde, im Verlauf des Alterungsprozesses eines Transportkühlfahrzeugs schon nach sechs Jahren oder etwas später über keine Leistungsreserven der Transportkälteanlage mehr. Deshalb rechne man besser mit dem Sicherheitsfaktor 2,25, um auch nach sechs Jahren Lebensdauer über eine ausreichende Leistungsreserve zu verfügen.

Die Kälteleistung wird nach DIN 8959 zweischichtig ausgelegt: einmal bei Einsatz des Transportfahrzeugs im Langstreckenverkehr, bei dem die Beförderung ohne Zwischenbe- und -entladung erfolgt, zum anderen im Verteilerverkehr, bei dem zwei oder mehr Kunden angefahren werden. Hierbei sind zusätzlich die Türöffnungen pro Stunde zu berücksichtigen. Selbst ein Zuschlagsfaktor von 2,2 setzt voraus, dass im Tiefkühlfahrzeug-Aufbau gut abdichtende, weitgehend wärmebrückenfreie Hecktürsysteme verwendet werden und der Luftaustausch während der Türöffnungszeiten durch geeignete technische Einrichtungen auf ein Mindestmaß beschränkt wird; wie z.B. durch das Vorhandensein von Streifenvorhängen, Pendeltüren oder Ähnlichem.

Wie sich die Anwendung des richtigen Sicherheitsfaktors vor allem im Verteilerverkehr äußerst progressiv auswirken kann, verdeutlichte Rudolf Glück mit anschaulichen Vergleichsbeispielen. Beträgt der Kältebedarf bei einem Lebensmittel-Transportfahrzeug mit einem Raumvolumen von 46,93m³ im Langstreckenverkehr ca. 3,2kWh, so kann die Leistungsprogression im Verteilerverkehr beim Anfahren von nur zwei Kunden und bei fünf Minuten Türöffnungszeit schon 5,6kW und bei sechs Kunden schon 19,1 kW betragen.

Weitere Negativeinflüsse ergeben Schäden am wärmegedämmten Aufbau und eine nicht sorgfältig durchgeführte Jahresinspektion durch anerkannte Fachbetriebe. Wie sich z.B. defekte Türdichtungen auf die ursprünglich berechnete Wärmedämmung negativ auswirken, demonstrierte Glück in seinem Vortrag anhand von Thermografieaufnahmen.

Zusammenfassend: Die Verordnung EG 852/2004 beinhaltet die Verpflichtung, die Qualität der Lebensmittel zu erhalten und keine nachteilige Beeinflussung an diesen zuzulassen. Die in der Praxis auftretende und von der ATP-Prüfstelle aufgezeigte Mängelkette beeinflusst die Lebensmittelqualität negativ und gibt jede für sich gewertet Anlass zum schnellen Handeln.

Energieverbrauchskennzeichnung von Transportkältemaschinen

Hierzu referierte Peter Großkopf vom Transportkälteanlagenhersteller Frigoblock in Essen sehr aufschlussreich, und es wurde klar, welche Bedeutung der Energiebedarf beim Fahrzeugtransport von Tiefkühl- und Frischdienst-Lebensmittelware hat: Eine hier abgekürzte Bewertung ergibt rechnerisch, dass der Energieverbrauch über die Lebensdauer von Frischdienst- und Tiefkühlfahrzeugen bei 6t Lkw: 7672 Mio. kWh, bei Lkw + Anhänger > 6t: 116424 Mio. kWh und bei Sattelaufliegern 257242 Mio. kWh beträgt.

Großkopf ging auch auf die Produkttemperaturen der zu transportierenden Lebensmittel mittels diverser Diagramme ausführlich ein, die auch Aussagen über die erforderlichen Abkühlzeiten bis 20°C bzw. 0°C bei unterschiedlichen Türöffnungszeiten beinhalteten.

Die Position der Transfrigoroute International (Transporteure) und des CCT (Kältemaschinen- und Aufbauhersteller) erläuterte Großkopf so:

  • Erhöhung des bisher gültigen ATP-Sicherheitsfaktors von 1,75 auf 2,25 bzw. 2,50.
  • Verlängerung der Gültigkeit der Erstzulassung von sechs auf neun Jahre.
  • Verbesserung der Aussagekraft der Wiederholungsprüfung (Zusatzheizlast) bei gleichzeitiger Verlängerung der weiteren Gültigkeit von drei auf sechs Jahre.

Demnächst soll auch ein Energie-Labelling für Motorwagenkälteanlagen eingeführt werden. Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage befinden sich gegenwärtig Transportkälteanlagen- und Kühlaufbauhersteller im Dissens mit dem deutschen Umweltbundesamt; weil u.a. auch hier die leidige Kältemittelfrage immer stärker eine Rolle spielt.

So geht man hier von unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Ohne weitere Kommentierung durch die KK sollen hier nur zwei von Peter Großkopf am 4. März in München gezeigte Grafiken dem Leser zur Kenntnis gegeben werden: Zum einen Balkendia-­ gramm über den kältemittelabhängigen spezifischen Energieverbrauch bei Netzbetrieb, zum anderen ein TEWI-Vergleich verschiedener Kältemittel bei 20°C/+30°C. Zu beachten sind hierbei jeweils die Quellenangaben in den Grafiken.

An den Vortrag von Peter Großkopf schlossen sich dann die Ausführungen von Alois Hummel, Bernhard Krone Fahrzeugwerk GmbH, zur kommenden Energieverbrauchskennzeichnung, aus Sicht der Aufbauhersteller an. Hummel ist zudem Mitglied im DIN Fachnormenausschuss Kältetechnik und leitet dort die Unterarbeitsgruppe Aufbauten.

Vortragsreferent Hummel beklagte: Seit November 2005, in unzähligen, für alle Beteiligten auch mit hohen Kosten verbundenen Treffen des Fachnormenausschusses, der Unterarbeitsgruppen, von Ad-hoc-Gruppen, gemeinsam und einzeln mit dem UBA etc. diskutierte man viel, zeigte viel Einsatz und man brachte einige immer wieder weiterentwickelte Vorschläge ein. Aber, viele Fragen blieben für uns vom UBA nicht klar beantwortet, bzw. wurde in diesen bisher keine Einigung erzielt, wie z.B.:

  • Auf welchen gefestigten Erkenntnissen kann eine bestimmte jährliche Durchschnittsalterung für die beiden Komponenten Aufbau und Kältemaschine prognostiziert werden, um für eine spätere Nachprüfung der Kennzeichnungseinstufung eine objektive Basis zu gewährleisten?
  • Wie wird dabei objektiv anteilig die Verantwortung für die Alterung dem Hersteller bezüglich Entwicklungsstand und Produktionsqualität und dem Betreiber bezüglich zweckbestimmtem Einsatz, Instandhaltung und Pflegeaufwand zugeordnet?
  • ...

Nun, die in der Transfrigoroute- und ATP-Fachtagung erwartete/gewünschte Antwort bleib aus; obwohl Dr. Axel Friedrich als zuständiger Referatsleiter im Umweltbundesamt anweswend war und das Schlussreferat jedoch ohne Zurverfügungstellung irgendwelcher Unterlagen hielt.

Ähnlich wie bei Optimierungsfragen im Bereich der stationären Kälte scheint es auch bei notwendigen Veränderungsanliegen der Transportkälte keine ausreichende praxisbezogene Konsensfindung zwischen Branchenpraxis und Obrigkeitsbehörde zu geben.

Resümee

Den Veranstaltern von Transfrigoroute Deutschland und der ATP-Prüfstelle der TÜV Süd Industrie Service GmbH ist wieder einmal eine hohe Pro­fessionalität mit Abhandlung der lebenswichtigen Thematik Kühlkette, Praxis Schwachstellen Verbesserungen zu bescheinigen. Dies trifft sowohl auf die Auswahl der Vorträge mit ihren fachkom­petenten Referenten als auch auf die mehr als 100 Teilnehmer zu.P.W. -

* ATP steht für Accord relatif aux transports inter­nationaux de denrées périssables et aux engins spéciaux à utiliser pour ces transports; übersetzt: Überein­kommen über internationale Beförderungen leicht­verderblicher Lebensmittel.

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