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10. Karlsruher Kfz-klima-symposium am 10. April 2008

Kfz-Klimatisierung mit R744 (CO2)

Im europäischen Straßenverkehr wird es in naher Zukunft zu bedeutenden Veränderungen kommen, meint Prof. Dr.-Ing. Johannes Reichelt vom TWK Test- und Weiterbildungszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik Anfang April in seinem Eröffnungsvortrag auf dem 10. Karlsruher Kfz-Klima-Symposium. Da sind zunächst die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Pkw, den die EU bis 2012 auf 120g/km reduzieren will. Dieses Ziel sei mit der Verbesserung der Technik heutiger Verbrennungsmotoren nicht zu erreichen.

Ein Ausweg wären emissionsfreie Fahrzeuge, also der Elektroantrieb. Hier sei die Entwicklung von Energiespeichern heute so weit fortgeschritten, dass Technologieumstellungen im innerstädtischen Verkehr und für die meisten Berufspendler in naher Zukunft möglich seien. Bereits in zwei bis drei Jahren erwartet Reichelt ein großes Angebot batteriebetriebener Autos primär für Entfernungen von 100 bis 250 km.

Hybridfahrzeuge würden eine Übergangslösung darstellen, die allerdings über viele Jahre Bestand hätte. Der reine verbrennungsmotorische Antrieb werde hingegen rückläufig sein und in fernerer Zukunft ganz verschwinden. Als besonderen Vorteil des Übergangs auf elektrische Energie in Fahrzeugen sieht Prof. Reichelt die Möglichkeiten der Klimatisierung im Stand, was einen erheblichen Komfortgewinn bedeute.

Erhöhte Umweltschutzanforderungen an Kältemittel

Neben den Emissionsbeschränkungen durch die Kraftstoffverbrennung kommen weitere Änderungen durch allgemeine Umweltschutz-Bemühungen auf die Automobil­industrie und die Verbraucher zu: Für die Klimatechnik relevant ist hierbei die Richtlinie 2006/40/EG vom 17. Mai 2006, nach der ab dem 1. Januar 2011 alle neuen Modellreihen nur noch mit Klimaanlagen ausgestattet werden dürfen, deren Kältemittel ein GWP (Greenhouse Warming Potential) kleiner 150 besitzt. Zum Vergleich: Das derzeit in Pkw eingesetzte Kältemittel R134a hat ein GWP von etwa 1300.

Ab dem 1. Januar 2017 dürfen sämtliche Klimaanlagen in Fahrzeugen nicht mehr mit fluorierten Kältemitteln befüllt werden, die einen GWP-Wert über 150 haben. Lediglich das Nachfüllen von Altanlagen ist unter bestimmten Voraussetzungen noch erlaubt.

Entscheidung der deutschen Automobilhersteller für CO2

Im Herbst letzten Jahres haben sich die deutschen Automobilhersteller unter dem Dach des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) für das natürliche Kältemittel R744 (CO2) als Nachfolger für R134a entschieden. Zu den neuen chemischen Kältemitteln bezieht der VDA in seiner Pressemitteilung ebenfalls klar Stellung: Ihr Einsatz werde nach gründlicher Untersuchung nicht mehr als Alternative verfolgt.

Auf die Besonderheiten bei der Entwicklung und Einführung der R744-Technologie in Kfz-Klimaanlagen ging Dr.-Ing. Armin Hafner von der Sintef in Trondheim ein. Sintef heißt übersetzt: Stiftung für industrielle und technische Forschung an der Norwegischen Technischen Hochschule.

Zunächst ging Hafner auf die geschichtliche Entwicklung von Kälteanlagen mit CO2 ein. Demnach gab es bereits 1850 ein britisches Patent für Kältemaschinen mit CO2 und 1861 wurden erste Kälteanlagen mit diesem Kältemittel in den USA gebaut. Mit dem Beginn des FCKW-Zeitalters etwa 1930 endete die Verwendung natürlicher Kältemittel erst einmal, dafür gab es aber 1939 die erste Fahrzeugklimaanlage, die der Autohersteller Packard seinen Kunden für $274 als Sonderausstattung anbot.

Nach dem Protokoll von Montreal 1987 rückten die natürlichen Kältemittel wieder in das Interesse von Forschung und Industrie. Die Wiederentdeckung von CO2 erfolgte, wie Hafner in seinem Vortrag erläuterte, durch den norwegischen Professor Gustav Lorentzen, der im Jahr 1988 mit ersten Untersuchungen begann. Von 1989 bis 1992 gab es dann eine Kooperation mit der Sintef, in der erste CO2-Klimaanlagen für Kfz entwickelt wurden. Eines der Hauptziele war die Erhöhung der Energieeffizienz, was vor allem für höhere Umgebungstemperaturen im Vergleich zu Prozessen mit R12 erreicht wurde.

Die Vor- und Nachteile im Vergleich zu R134a heben sich gegenseitig auf

Hafner wies in seinem Vortrag auf die Besonderheiten der R744-Technologie hin. Als Pluspunkt sei demnach die Verdichtung mit kleinem Druckverhältnis zu werten, was zu hohen Verdichterwirkungsgraden führe. Nicht nur nachteilige Aspekte haben die hohen absoluten Drücke, weil die damit verbundenen hohen Dichteniveaus eine kompakte Bauweise ermöglichen besonders bei mobilen Anwendungen ist dies ein Vorteil. Günstige Auswirkungen auf die Apparategrößen haben auch die hohen Wärmeübergangswerte von CO2 im nahe- und überkritischen Bereich. Und schließlich sei auch noch das große Arbeitsrückgewinnungspotenzial zu nennen.

Dem gegenüber stehen jedoch auch Nachteile, die Hafner bei einem Vergleich mit einem R134a-Prozess herausarbeitete. Zum einen sind dies große Temperaturdifferenzen bei der Wärmeabgabe, die zu höheren thermodynamischen Verlusten führen: Wo beim Prozess mit R134a eine Kondensation mit konstanter Temperatur stattfindet, ist bei transkritischem CO2 aufgrund der gleitenden Temperaturen eine hohe Eintritts­temperatur in den Wärme­übertragern erforderlich, um auch am Ausgang noch eine hinreichend große Temperaturdifferenz zur Umgebung zu haben. Ein zweiter Nachteil für CO2 seien höhere Drosselverluste im Vergleich zu R134a. In der Praxis zeige sich jedoch, dass diese theo­retischen Nachteile durch die günstigeren Wirkungsgrade von Komponenten ausgeglichen werden könnten. Wichtig sei hierbei, die spezifischen Eigenschaften von R744 für das Prozessdesign auszunutzen. Als Fallstrick dabei nannte Hafner den Vergleich von Kältemitteln nur im Auslegungspunkt der Anlage. Sinnvoller für die Optimierung sei die Nutzung von Jahresarbeitszahlen.

Auf Sicherheitsaspekte ging Hafner ebenfalls ein, denn der hohe Systemdruck hat beispielsweise auch eine erhöhte Explosionsenergie des eingeschlossenen Fluids zur Folge. Im Vergleich zu R134a werde jedoch die höhere spezifische Explosionsenergie durch reduzierte Füllmengen und kleinere Volumen größtenteils kompensiert: Bei Raumtemperatur setzt die R744-Anlage mehr Energie frei, bei höheren Temperaturen seien beide Systeme gleichwertig. Zudem sei die Expansionsenergie mit 10 bis 160kJ/kg auch grundsätzlich gering, zum Beispiel gegenüber dem Brennwert von Propan, der bei 46000kJ/kg liege.

Vor allem im Hinblick auf steigende Marktanteile von Elektroautos stellte Hafner noch einen weiteren Vorteil heraus: R744 sei auch für Wärmepumpenanwendungen sehr gut geeignet. Schon heute haben Fahrzeuge mit kleinen, hocheffizienten Dieselmotoren Schwierigkeiten im Winter einen ausreichenden Wärmekomfort im Fahrgastraum durch Abwärme zu schaffen. Viel problematischer wird dies noch bei Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeugen.

Vorteile für R744 bei der Energieeffizienz

Am wichtigsten beim Vergleich der beiden Kältemittel dürfte jedoch die Energieeffizienz sein, also der Kraftstoffmehrverbrauch. Hierzu zitierte Hafner Messwerte, die mit einem Kleinwagen, ausgestattet mit 1,0 dm³ Benzinmotor, ermittelt wurden. Der Mehrverbrauch an Treibstoff bei 35°C Außentemperaturen bei der Klimatisierung mit R134a liegt demnach bei 1,97 l/100 km. Signifikant seien die Unterschiede zu CO2, denn hier sind 1,4 l/100 km ausreichend.

Zusammenfassend sieht Hafner R744 als nachhaltigstes Kältemittel für Kfz-Klimaanlagen, das ein Maximum an Sicherheit und ein Minimum an Kraftstoffmehrverbrauch bietet. Am interessantesten seien hier auch die vorhandenen Entwicklungspotenziale wie Wärmepumpenbetrieb oder Rückgewinnung der Expansionsarbeit.

Nach dieser Übersicht folgten verschiedene Vorträge von Firmenvertretern, die den Stand der Entwicklung von Komponenten für R744-Klimaanlagen darstell-­ten vor allem im Hinblick auf die Massen­produktion in der Automobilbranche. Dr.-Ing. Matthäus Wollfarth, Leiter Entwicklung und Innovation der Otto Egelhof GmbH & Co. KG in Fellbach, berichtete über die Entwicklung des Expansionsventils FXV-BY. Dieses soll sich durch einen einfachen ­Aufbau und eine robuste Kon­struktion auszeichnen. Schon seit 2004 wurden verschiedene Vorläufer realisiert und in Prüfständen und Fahrzeugen teilweise in Langzeitversuchen erprobt. Insgesamt habe der Hersteller 500 Muster ausge­liefert. Im Herbst 2008 soll dann die endgültige Festlegung des Produktdesigns er-folgen, damit bis Mitte 2010 die Serien­fertigung starten könne. Damit sei auch die Versorgung der Fahrzeughersteller für das Jahr 2011, in dem die Umstellung auf R744 erfolgen soll, sichergestellt.

Spezielle Anforderungen an Schmierstoffe

Kältemaschinenöle für CO2-Anwendungen in Kfz-Klimaanlagen waren das Thema von Wolfgang Bock, Produktmanager Industrieöle von Fuchs Europe Schmierstoffe, und Christian Puhl, Anwendungstechnik Kältemaschinen- und Industrieöle, ebenfalls von Fuchs, der den Vortrag in Karlsruhe hielt. Neben den üblichen Anforderungen an ein Schmieröl für Kältemaschinen, nämlich der Abdichtung des Arbeitsraumes vom Verdichter, der Wärmeabfuhr und der Schmierung der Triebwerksteile, sind bei CO2 weitere Punkte zu berücksichtigen. Ein Beispiel ist die Bildung von Kohlensäure, falls Wasser in den Kreislauf eindringt. Hier besteht die Gefahr der Zersetzung des Schmierstoffes sowie des Angriffs auf Dichtungen oder Metalloberflächen durch Korrosion. Weitere Kriterien für die Auswahl des richtigen Schmierstoffes ist die Mischbarkeit mit CO2 wegen der Ölrückführung, die thermische Stabilität beim transkritischen Betrieb mit hohen Drücken und Temperaturen und das Schaumverhalten beim Ausgasen.

Sicherer Ölrücktransport auch mit ausgedehnter Mischungslücke

In Betracht kommen, wie Puhl berichtete, Polyolester (POE), die über den ganzen Konzentrationsbereich eine sehr gute Mischbarkeit mit CO2 aufweisen, und Polyalkylenglykole (PAG), die eine ausgedehnte Mischungslücke mit CO2 haben. Dennoch reiche auch bei den PAG die Löslichkeit für einen sicheren Ölrücktransport in der Kfz-Klimaanlage aus.

Geprüft wurden die Ölsorten auf thermische Stabilität, Schmierungseigenschaften unter hohen Drücken und das Schaumverhalten. Additive spielen dabei eine wichtige Rolle. Auf dem Hochdruck-Lagerprüfstand konnten bei Wälzlagern mit einer Belastung von 8kN bei 800U/min unter 140°C und 50bar ohne Additive nach 30h Laufzeit ­Ausbrüche, Eindrückungen und Verschleiß festgestellt werden. Keine Verschleißmerkmale zeigte der Versuchslauf mit additivierten Ölen.

Bei Schaumbildung nach plötzlichem Druckabfall ergab sich für beide Ölsorten bei entsprechender Additivierung ein sehr schneller Schaumzerfall und damit bereits nach kurzer Zeit wieder ein tragfähiger Schmierfilm. Bei nicht additivierten Ölen hielt sich der Schaum lange Zeit, was in der Praxis einen extremen Verschleiß bedeutet. Den Ausschlag für die Wahl des Schmieröls gab schließlich eine spezielle Forderung durch den Verband der Automobilindustrie (VDA), nach der es keine Beeinträchtigung des Verdichters beim Betrieb des Kfz bei 40°C und totalem Kältemittelverlust geben darf. Hier bietet das Öl auf Basis von PAG Vorteile, weil es bei niedrigen Temperaturen weniger zähflüssig ist. Trotz der Nachteile bei der Mischbarkeit erfüllt PAG die Anforderungen bei Kfz-Klimaanlagen deshalb insgesamt besser. Der Hersteller Fuchs hat mit einem Öl auf Basis von PAG umfangreiche Tests absolviert, bei denen sich das spezielle Additivsystem für CO2-Kfz-Klimaanlagen bewährt hätte.

Prozess erfordert spezielle Messtechnik

Weitere Vorträge beschäftigten sich mit anderen Komponenten für den transkritischen Kälteprozess. Reinhold Weible von der Robert Bosch GmbH referierte über einen kombinierten Druck- und Temperatursensor, der eine schnelle und präzise Erfassung der Zustandsgrößen des Kältemittels ermögliche. Die Druckmessung erfolgt dabei auf der Grundlage von Dehnmessstreifen. Zur Temperaturmessung dient ein NTC-Widerstand, der direkt in den Kältemittelstrom hineinragt.

Schaugläser erleichtern die Auslegung

Der Vortrag von Peter Klug, Teamleiter für die Entwicklung von AC-Komponenten bei Eaton-Fluid-Power in Rastatt, be-schäftigte sich mit Schlauchleitungen, der zugehörigen Verbindungstechnik, dem inneren Wärmeübertrager und einem ­Akkumulator für R744. Auch hier sind viele Komponenten bereits in der Fahrpraxis erprobt und im Abstimmungsprozess für die Serienfertigung. Besonders interessant bei seinem Vortrag war die Präsentation eines Akkumulators mit Sichtgläsern, die die Beobachtung von Interaktionen zwischen der ölreichen und der kältemittelreichen Phase ermöglichen. So lasse sich eine ausreichende Ölrückführung in der Praxis gewährleisten.

Detaillierter auf die komplexen An-forderungen für Schlauchverbindungen durch R744 ging Dr. Carlo Burkhardt, Bereichsleiter Produkt- und Verfahrensentwicklung von Witzenmann in Pforzheim, ein. Der Hersteller hat für diese Anwendung komplett neue Kältemittelschläuche ent­wickelt. Die Konstruktion baut auf permeationsdichte, flexible metallische Leitungen auf. Ein Ergebnis der umfangreichen Testverfahren auf Prüfständen war, dass der Leitungsverlauf einen signifikanten Einfluss auf die Lebensdauer hat. Eine Versuchsserie ergab für einen längeren Schlauch, der mit entsprechend geringeren Spannungen eingebaut werden konnte, eine um Faktor 250 größere Lebensdauer.

Für einen möglichst frühzeitigen Einsatz von IT in der Entwicklungsphase plädierte Klaus Martin, Kompetenzzentrum Das virtuelle Fahrzeug in Graz. Sein Argument: Bereits in der frühen Konzeptphase werden die Kosten für das Gesamtprojekt zum größten Teil festgelegt. Die Bearbeitung mit numerischen Methoden erfolge in der Regel erst sehr viel später. Hohe Einsparpoten­ziale ließen sich demnach erschließen, wenn Simulationen und begleitende Versuche gleich zu Beginn der Entwicklung gemacht würden. Hierzu brachte er als Beispiele die Entwicklung eines Gaskühlers und den Einfluss der Drossel auf den COP.

Der sichere Betrieb des Verdampfers stand bei Michael Sickelmann, technischer Teamleiter für Kältekreislaufentwicklungen bei Behr, im Mittelpunkt. Hier gelten besondere Anforderungen, weil der Verdampfer im Innenraum des Fahrzeuges installiert ist. Erforderlich ist deshalb ein Konzept für die Absicherung der verschiedenen Druckstufen durch regelungstechnische Maßnahmen, Begrenzungselemente und Berstdruck-Komponenten.

Zum Sicherheitskonzept gehört auch die Untersuchung der Emissionen durch Korrosionslecks, weil die Gefahr der Beeinträchtigung des Fahrers durch erhöhte CO2-Konzentrationen bestehen könnte. Hier erbrachten gemessene Leckraten bei Beginn der Korrosion einen Anstieg der CO2-Konzentration im Fahrerraum, der weit unterhalb des durch eine weitere Person verursachten Konzentrationsanstiegs lag.

Ein Konzept für den Serieneinsatz

Eine Klimaanlage für den Serieneinsatz stellte am Schluss der Vortragsreihe Frank Obrist, geschäftsführender Gesellschafter der Obrist Engineering in Lustenau/Österreich, vor. Durch Vergleich von verschiedenen Anlagenkonzepten und die Optimierung von Komponenten hätte seine Firma jetzt ein System für die Praxis entwickelt, das sowohl beim Mehrverbrauch von Kraftstoff als auch bei den Anschaffungskosten günstiger abschneide als eine Klimaanlage mit R134a.U.B. -

Links

http://www.twk-karlsruhe.de

U.B.

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