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Energetische Sanierung von gewerblichen Kälteanlagen

Ein Leuchtturmprojekt

Metzgermeister Ludwig Krammer führt seine Firma in der dritten Generation. Mit den Erweiterungen wuchs auch der Kältebedarf für Klima-, Normal- und Tiefkühlung. Die Kältetechnik hierzu wurde stets nur Stück für Stück nachgerüstet, um den aktuellen Kältebedarf zu decken. So kam es, dass sich ein Sammelsurium an Aggregaten angesammelt hatte. Vor der Sanierung wurden 27 Einzelanlagen gezählt. Betriebskosten standen bisher bei den Nachrüstungen nicht zur Diskussion, es ging nur um die Deckung des gerade aktuellen Kältebedarfs.

Krammers Schwiegersohn Martin Regler, Kälteanlagenbauermeister und Inge­nieur für Energie- und Gebäudetechnik aus Ilmmünster, nahm sich der Sache bei der Erweiterung 2012 in Personalunion als planendes Ingenieurbüro und ausführender Handwerksbetrieb an. Zielsetzung und Entwicklung des Konzeptes: Die Kälteanlage sollte komplett überarbeitet werden, um mit möglichst geringen Betriebskosten den benötigten Kältebedarf zu decken. Die anfallende Wärme sollte zu 100 Prozent genutzt werden, ohne die Leistungszahl der Kälteanlage unnötig zu verschlechtern. Die Wärmerückgewinnung (WRG) sollte das Brauchwasser erwärmen und die Heizung unterstützen.

Als Nächstes stand die Analyse des Bestands und die Ermittlung des Mehrbedarfs an Klima-, Normal- und Tiefkühlung für die Erweiterung an. Die 27 Einzelanlagen sollten so weit wie möglich stillgelegt werden. Der erst 2009 erstellte Verbund für Normalkühlung sollte erweitert werden und alle Normalkühlstellen versorgen.

Der Kältebedarf für Tiefkühlung und Klima sollte von einem (in dieser Kombination ungewöhnlich) neuen Satellitenverbund gedeckt werden. Die WRG sollte den Warmwasserbedarf der Metzgerei von bis zu 12000 l pro Tag weitestgehend decken. Ein Teil des benötigten Warmwassers wurde bislang elektrisch nacherwärmt, deshalb war anfangs noch die Anschaffung eines BHKWs geplant. Der Normalkühlverbund (NK-Verbund) lief bei t0 = 15 °C und tc = 48 °C bis tc = 55 °C. Ursache für die niedrige Verdampfungstemperatur war der beliebte Sicherheitsaspekt „Hauptsache, es wird kalt genug“. Die hohe Verflüssigungstemperaturergab sich aufgrund eines nicht fachgerecht installierten Radialverflüssigers. Durch schrittweises Herantasten konnte die Verdampfungstemperatur auf 7 °C erhöht werden. Das Finden der niedrigsten (möglichen) Verflüssigungstemperatur erfolgt der-zeit im Winter 2013/14 (Hinweis: eine größer werdende Überhitzung ist der Parameter für die tiefste Verflüssigungstemperatur).

Die Umsetzung

Das vorhandene Rohrsystem wurde einer Dichtheitsprobe unterzogen und die gefundenen Leckagen abgedichtet. Vereinzelt wurden in die Jahre gekommene Verdampfer gegen neue ersetzt. Mit der Betriebserweiterung wurde die gekühlte Fläche der Normalkühlung um 35 Prozent vergrößert und die gekühlte Fläche der Tiefkühlung verdoppelt. Die neuen Kühlzellen (teilweise auch die Bestandszellen) wurden mit LED-Beleuchtung ausgestattet. Durchgängig wurden für alle Kühlzellen Türkontaktschalter und Bedarfsabtauregler der Marke Cool Expert eingesetzt. Sämtliche Normalkühlstellen wurden von dem bestehenden NK-Verbund mit drei Frigopol-Verdichtern versorgt. Die Kälteleistung von 30 kW war ausreichend, auf die geplante Anlagenvergrößerung konnte deshalb verzichtet werden. Die Regelung erfolgt mit einem Kimo-Frequenzumrichter, der die Drehzahl des ersten Verdichters regelt und die folgenden Verdichter je nach Kälteanforderung dazuschaltet. Nachdem auf dem Kimo die aktuelle Software in­stalliert wurde, lief der NK-Verbund störungsfrei. Bislang war die Verbundanlage meist Sonntag bei stagnierender, niedriger Kälteanforderung aufgrund von nicht ange-passter Anlagenparametrierung ausgefallen.

Die im Hause verteilten Aggregate für TK- und Klima-Bereich wurden mit den somit nicht mehr erforderlichen Rohrleitungen stillgelegt und zurückgebaut. Für die Klima-, Normal- und Tiefkühlung wurden zwei neue Rohrtrassen aufgebaut. Die Kühlstellen werden jetzt von einem Satellitenverbund mit einem 4DC-7.2Y (7 kW) von Bitzer für den TK-Teil und zwei 4EC-6.2Y (40 kW) von Bitzer für den Klimateil versorgt. TK- und Klimateil werden jeweils mit einem Kimo-Frequenzumrichter bedarfsoptimiert und drehzahlgeregelt angetrieben.

Raffinierte Wärmerückgewinnung

Der interessanteste und schwierigste Teil der Sanierung lag aber in der WRG. Um Wärme-verluste durch die Außenverflüssiger zu verhindern, werden diese im Betriebsfall-WRG im Bypass gefahren. Eine weitere Reduzierung der Wärmeverluste wurde durch die Isolierung der warmen Komponenten der Kälteanlage erzielt. Zentraler Bestandteil der WRG sind drei Speicher mit jeweils 2,5 m³. Jeder Speicher steht für ein eigenes Temperaturniveau: Nieder-, Mittel- und Hochtemperatur. Die Speicher sind nicht mit Trinkwasser gefüllt, sondern mit entmineralisiertem Heizungswasser und versorgen sowohl drei Frischwasserstationen als auch sieben Heizkreise für Fußbodenheizung, Radiatoren, Konvektoren und Lüftungsanlagen. Die Spülmaschinen werden ebenfalls von der WRG mit Osmose-Warmwasser aus der dritten Frischwasserstation versorgt.

Ein vierter Speicher dient als Niedertemperatur-Speicher zur Aufnahme von möglichst kaltem Wasser. Dieses fällt an, wenn Warmwasser gezapft wird und kaltes Wasser aus dem öffentlichen Netz in die Frischwassermodule nachströmt. Um die Effektivität der Kälteanlage zu steigern, wird das flüssige Kältemittel zusätzlich unterkühlt. Damit die Unterkühlung möglichst groß ist, wurde nach der Trinkwasserstation ein zusätzlicher Plattenwärmeübertrager zur optimalen Auskühlung des abgekühlten Heizungswassers geschaltet. Da im Bestandteil des Gebäudes die Flüssigkeitsleitung nicht isoliert ist, muss die Regelung aber so sein, dass der Taupunkt nicht unterschritten wird.

Der Speicher MT dient zur Aufnahme der Verflüssigungswärme der Kälteanlagen.Nachrechnungen haben ergeben, dass es effektiv ist, die Verdichter bis zur Einsatzgrenze (tc, max = 55 °C) im WRG-Betrieb zu fahren, anstatt die Wärme bei niedriger Verflüssigungstemperatur an die Umwelt „wegzublasen“ und stattdessen mit dem vorhandenen Gaskessel zu erzeugen. Der Speicher HT nimmt die Wärme aus der Heißgas­enthitzung auf. Durch eine besondere Schaltung konnte der Enthitzungsanteil und die Temperatur ohne große Verschlechterung des Kälteprozesses vergrößert werden.

Der vorhandene Gaskessel arbeitet ebenfalls mit dem HT-Speicher und deckt den Wärmebedarf, der je nach Jahreszeit nicht durch die Kälteanlage gedeckt werden kann. In den Monaten März bis Oktober konnte auf Nachheizung durch den Gaskessel völlig verzichtet werden.

Die Heizkreise im Neubau sind so ausgelegt, dass mit niedrigen Vorlauftemperaturen gefahren werden kann. Die Heizungsverbraucher im Bestand sind klassisch 70/50 °C ausgelegt. Um diesen Umstand ausnutzen zu können, wurde der vorhandene Heizungsverteiler durch einen dreiteiligen Heizungsverteiler ersetzt. Die Heizstellen werden jetzt nur noch mit der minimal nötigen Vorlauftemperatur versorgt, bei Bedarf wird durch den jeweiligen Heizungsmischer die nächstwärmere Vorlaufstufe genutzt.

Ergebnisse

Da der laufende Betrieb der Metzgerei nicht unterbrochen werden durfte, konnten die beschriebenen Maßnahmen nur abschnittsweise und während der Betriebspausen (vorwiegend im dreiwöchigen Betriebsurlaub) durchgeführt werden. Seit Frühjahr 2013 läuft die Anlage mit allen Komponenten wie beschrieben. Die Anlage soll das Gebäude mit warmem Brauchwasser und Heizungswasser versorgen, daher kann man zurzeit aufgrund der noch ausstehenden Wintersaison vorerst nur über Teilergebnisse berichten. Die gesamte Anlage wird mit einer DDC gesteuert. Zur Visualisierung ist eine grafische Oberfläche vorhanden. Jeder Betriebspunkt, der über 60 Temperatursensoren wird registriert, kann jederzeit angezeigt und zur Dokumentation gespeichert werden.

Die Kälteanlage konnte den Kältebedarf im TK-, NK- und Klimabereich durchgehend und störungsfrei decken. Der anfangs als zu klein erachtete NK Frigopol-Verbund hatte auch im Sommer zur Spitzenlastzeit noch Leistungsreserven und das trotz Erweiterung der gekühlten Fläche um 35 Prozent. Die von Cool Expert beschriebene Wirkung der Bedarfsabtauregler kann zumindest qualitativ bezüglich der Energieeinsparung, Warenqualität und Warenverlustreduzierung bestätigt werden.

Der Bedarf an warmem Brauchwasser wurde in den Monaten März bis Oktober zu 100 Prozent mit der Kälteanlage gedeckt. Mehr noch, aufgrund der optimierten Heißgasenthitzung stand das für die Brauchwassererwärmung nötige Heizungswasser häufig bei 90 °C (!) zur Verfügung, eine Nacherwärmung mit fossilem Brennstoff oder Strom war nicht erforderlich. Mit den Temperatursensoren und der grafischen Darstellung wurde aufgezeigt, dass die Temperaturschichtung der Speicher beim Be- und Entladen optimal ist.

Der Heißgasenthitzer und der Verflüssiger der WRG sind mit Wärmemengenzählern ausgestattet. In dem Zeitraum vom 11. Juli bis zum 11. August 2013 wurden 7274 kWh von der Heißgasenthitzung und 8 716 kWh vom Verflüssiger erzeugt. Das entspricht 1600 m³ Gas oder 1600 l Heizöl, die nicht verbraucht wurden.

Das Bemerkenswerte ist, dass das Wasser im HT-Speicher durchweg bei 80 °C zur Verfügung stand und im MT-Speicher bei 45 °C, was in etwa der Verflüssigungstemperatur entspricht.

Im beobachteten Zeitraum stand Wärme im Überfluss zur Verfügung und musste in reduziertem Umfang mit den Außenverflüssigern „weggeblasen“ werden. Es ist davon auszugehen, dass die WRG in der kälteren Jahreszeit einen beträchtlichen Anteil zur Heizungsunterstützung liefern wird.

Leider ist keine separate Messung des Stromverbrauchs für die Kälteanlagen vorhanden. Beim Verbrauchsvergleich mit den Vorjahren zeigte sich indes eine deutliche Minderung und das bei gesteigerter Produktion und vergrößerter Kühlfläche.

Fazit

Das dokumentierte Projekt kann als Leuchtturmprojekt gelten. Es konnte gezeigt werden, dass bei Investitionen, die zur Minderung der Betriebskosten dienen, alle Energieverbraucher betrachtet werden müssen. Häufig zeigen auch kleinere Investitionen, beispielsweise Bedarfsabtauung, schon eine spürbare Wirkung. Leicht wird übersehen, dass Investitionen in die Kälteanlage und die WRG Investitionen an anderen Stellen vermeiden. In diesem Fall konnte auf die Vergrößerung der Kälteanlage und das geplante BHKW verzichtet werden. -

Dipl.-Ing. Robert Baust

Technische Beratung und Verkauf, Robert Schiessl GmbH, Oberhaching

Robert Baust, Oberhaching

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