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natürliche Kältemittel beim Brauprozess

Kühles Bier für heiße Tage

    Diese können heute nicht nur energieeffizient realisiert werden. Kommen darüber hinaus in den Anlagen natürliche Kältemitteln wie etwa Ammoniak zum Einsatz, sind sie außerdem besonders umweltfreundlich, weiß Georges Hoeterickx, Vorstandsmitglied von eurammon, der europäischen Initiative für natürliche Kältemittel. Denn natürliche Kältemittel haben kein oder lediglich ein vernachlässigbar geringes globales Erwärmungspotenzial.

    Gerade das natürliche Kältemittel Ammoniak hat für die Brauer eine lange Tradition. Sie beeinflussten die Entwicklung von Kälteanlagen im neunzehnten Jahrhundert entscheidend bereits 1876 ermöglichte eine Ammoniak-Kälteanlage es einem bayrischen Brauer, überall und zu jeder Jahreszeit Bier zu brauen. Aufgrund der positiven Eigenschaften von natürlichen Kältemitteln wechselten viele Brauereien nicht zu synthetischen Kältemitteln. Nachfolgend werden einige Fallbeispiele aus der jüngeren Vergangenheit vorgestellt.

    Höhere Leistung und reduzierte Energie­kosten für Bierbrauerei in England

    Die Brauerei Daniel Thwaites in Blackburn ist seit ihrer Gründung im Jahr 1807 ein unabhängiges, familiengeführtes Unternehmen mit Sitz in Blackburn. Sie zählt zu den Top-Ten-Brauereien in England. Um die Kühlleistung zu verbessern und Energiekos­ten einzusparen, beauftragte das Unternehmen die Kältefachleute von Star Refrigeration mit der Optimierung der bestehenden Kälteanlage. Bereits in vorherigen Projekten waren Wärmeübertrager und Abscheiderbehälter ersetzt worden. Ein neu eingesetzter GEA Grasso Kolbenverdichter mit Wechselrichterantrieb und dem umweltfreundlichen natürlichen Kältemittel Ammoniak vergrößert die Leistung von vorher 310 auf nun 400 kW und reduziert gleichzeitig die laufenden Betriebskosten. Die verbesserte Energieeffizienz ergibt sich dabei zum großen Teil durch den Einsatz des neuen wechselrichtergesteuerten Kolbenverdichters anstelle der ursprünglich immer auf gleicher Drehzahl laufenden Maschine sowie der Installierung eines neuen Steuerungssystems für den Verdichter. Energiemessungen zeigen, dass die Brauerei durch die neu installierten Komponenten wöchentlich etwa £ 2 000, rund 2 500 Euro, an Elektrizitätskosten einspart und sich die Investitionskosten in weniger als 18 Monaten amortisieren.

    Umweltfreundliche Bierkühlung mit Möglichkeit zum Anschluss einer Wärmepumpe

    Das Herzoglich Bayerische Brauhaus Tegernsee in den Alpen gilt als eine der ältesten, noch bestehenden Brauereien in Bayern. Jährlich produziert sie rund 120000 Hektoliter Bier. 2010 realisierte die Firma Th. Witt eine umweltfreundliche Kälteanlage zur Kühlung des Brauwassers. Bis zum Zeitpunkt der Umbaumaßnahmen wurde die Würzekühlung (vier Sude pro Tag) klassisch über eine Eisspeicheranlage realisiert. Bedingt durch die geplante Kapazitätssteigerung der Brauerei auf neun Sude wurde nach einer neuen kältetechnischen Lösung gesucht. Die Aufgabe bestand darin ein System zu planen, welches über den Tag verteilt mit nahezu konstanter Leistung betrieben werden kann. Außerdem sollte die Möglichkeit bestehen, später eine Wärmepumpe an das System anzubinden und von dort aus angrenzende Gebäude wie etwa die Gaststube Braustüberl mit Wärme zu versorgen. Während des Kühlvorgangs müssen 190 Liter Brauwasser innerhalb von 2,5 Stunden von +16 °C auf +2 °C abgekühlt werden. Bei der neuen Anlage sollte der Kühlwasserverbrauch für die Verflüssiger so weit wie möglich reduziert werden. Th. Witt installierte ein NH3-System mit Abscheider und Plattenverdampfer als Schwerkraftanlage. Damit die Versorgung mit Kälte zu jeder Zeit sichergestellt ist, wurden zwei Kolbenverdichter installiert, von denen einer ständig in Betrieb ist. Der zweite befindet sich auf Stand-by. Um gänzlich auf Kühlwasser zu verzichten, setzten die Anlagenbauer zur Kältemittelverflüssigung auf einen luftgekühlten Verflüssiger. Die Anlage kühlt einen Kälteträgerkreislauf mit Glykol auf -2 °C ab. Über einen zweiten Wärmetauscher, der mit Glykol betrieben wird und mit einer Austrittstemperaturregelung versehen ist, wird dann das Brauwasser auf die gewünschte Temperatur von +2 °C heruntergekühlt und in einem isolierten Becken zwischengespeichert. Die Kälteleistung der Anlage beträgt 124 kW. Als Kältemittel kommen rund 100 kg Ammoniak zum Einsatz.

    Moderne Bierkühlung mit R 723 Kälte­lösung für den kleinen Leistungsbereich

    Seit 1609 braut die Ottenbräu-Brauerei aus Abendsberg in der Hallertau ihr Bier und ist damit eine der ältesten Brauereien in Deutschland. Im Jahr 2011 entschied sich Besitzer Robert Neumaier, Brauer in siebter Generation, eine komplett neue Brauanlage nach aktuellem Stand der Technik zu installieren. Denn obwohl zwischenzeitlich Anlagenteile erneuert wurden, war die letzte Generalsanierung bereits im Jahr 1906 durch seinen Urgroßvater erfolgt.

    Für die professionelle Umsetzung der Kühlung sorgte die HKT Huber-Kälte-Technik GmbH aus Halfing und stattete Sudhaus und Malzlager mit modernster Kälteanlagentechnik aus. In der neuen Brauerei können zwei Sude am Tag mit insgesamt 4000 Litern verarbeitet werden. Für den kompletten Brauvorgang werden etwa 8 Stunden benötigt. Ein Plattenwärmeübertrager als Würzekühler hat dabei die Aufgabe, die heiße Würze von Kochtemperatur (95 °C) auf eine Anstelltemperatur von 7 °C in den Gärtanks zu kühlen. Die Hauptgärung durch Zugabe von Hefe bei 7 bis 9 °C dauert acht Tage. Anschließend kommt das Bier für acht bis zehn Wochen in die Reifelagerung. Jährlich werden so etwa 2000 Hektoliter Bier gebraut.

    Bei der Konzeption der neuen Brauerei ­standen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im Fokus. Im Rahmen der Kältelösung fiel die Wahl des Kältemittels bei einem Leistungsbereich zwischen 3 bis 15 kW mit Direktexpansion bei 8 °C auf das Gemisch Ammoniak-Dimethylether (R 723). Durch die Beimischung des DME zum Ammoniak wird die Verdichtungstemperatur um bis zu 25 K reduziert und eine Öllöslichkeit erzielt. Damit ist es möglich, zuverlässige direkt expandierende Kältesätze mit luftgekühltem Verflüssiger zu bauen, auch bei einer Umgebungstemperatur von 35 °C. Im speziellen Fall entschied man sich aufgrund der unmittelbaren Nähe zu den Nachbarn für einen extrem leise arbeitenden Verflüssiger von Güntner aus Edelstahl mit einem Schalldruckpegel von 36 dB(A) auf 10 m, der zur Vermeidung von Schall­emissionen über die Verdichter saugend auf einen Spezialgrundrahmen montiert wurde. Die höhere Sauggasdichte von R 723 führt zu einer 3 Prozent höheren Effizienz als bei reinem Ammoniak. Auf diese Art lassen sich auch Kälteanlagen mit einer Leistung unter 20 kW sinnvoll mit einem natürlichen Kältemittel betreiben. Durch die Umstellung von eingemauerten Gärbottichen auf frei im Raum stehende, direkt gekühlte Edelstahlgärtanks, die Umstellung von Raumkühlung der Lagertanks auf direkte Mantelkühlung durch Glykol und die Umstellung von Eisbankspeichern auf den einstufigen Plattenwärmeübertrager mit vorgekühltem Brauwasser sowie die Umstellung auf das Kältemittel R 723 erzielt die Brauerei eine Energieeinsparung von rund 40 Prozent.

    Die Beispiele zeigen, dass sich Anlagen mit natürlichen Kältemitteln heute für Brauereien jeder Größe auch für kleinere Leistungsbereiche energieeffizient und umweltfreundlich realisieren lassen, so eurammon-Vorstandsmitglied Georges Hoeterickx. Dabei kommt es immer auf das Gesamtkonzept einer Anlage an. Die Wahl des Kältemittels ist dabei ein Aspekt. -

    Ammoniak (NH3)

    Ammoniak wird als Kältemittel seit über 130 Jahren erfolgreich in Industriekälteanlagen eingesetzt. Es ist ein farbloses, unter Druck verflüssigtes Gas mit stechendem Geruch. Als Kältemittel ist Ammoniak unter der kältetechnischen Bezeichnung R 717 (R = Refrigerant) bekannt und wird für die Verwendung in der Kältetechnik synthetisch hergestellt. Ammoniak hat kein Ozonabbaupotenzial (ODP = 0) und keinen direkten Treibhauseffekt (GWP = 0). Aufgrund der hohen Energieeffizienz ist auch der Beitrag zum indirekten Treibhauseffekt vergleichsweise gering. Ammoniak ist bedingt brennbar. Die erforderliche Zündenergie ist jedoch 50-mal höher als die von Erdgas, und ohne Stützflamme brennt Ammoniak nicht weiter. In Verbindung mit der hohen Affinität des Ammoniaks zur Luftfeuchtigkeit hat das zur Einstufung als schwer entzündlich geführt. Ammoniak ist giftig, besitzt aber einen charakteristischen, stechenden Geruch mit hoher Warnwirkung und ist bereits ab einer Konzentration von 3 mg/m³ in der Luft wahrnehmbar, was bedeutet, dass die Warnwirkung lange vor einer gesundheitsschädlichen Konzentration (> 1750 mg/m³) eintritt. Ammoniak ist des Weiteren leichter als Luft und steigt deshalb schnell auf.

    Über R 723

    Das im kältetechnischen Sprachgebrauch unter der Bezeichnung R 723 bekannte Kältemittel wurde in mehrjähriger Forschungsarbeit entwickelt. Die Bezeichnung ergibt sich aus dem mittleren Molekulargewicht von 23 g/mol und der Zuordnung zu den natürlichen Kältemitteln (700er Reihe). Eine offizielle Klassifizierung nach ASHRAE steht noch aus. R 723 ist ein farbloses, unter Druck verflüssigtes Gasgemisch mit stechendem Geruch. Es besteht zu 60 Masseprozent aus Ammoniak (R 717) und zu 40 Masseprozent aus Dimethylether (RE170) einem Treibmittel, das als Kältemittel dem Isobutan ähnlich ist. Das Gemisch lässt sich aufgrund seines azeotropen Siedeverhaltens wie ein Einstoffkältemittel handhaben. Das bedeutet, dass bei Verdampfung und Kondensation keine Konzentrationsverschiebung auftritt. R 723 hat kein Ozonabbaupotenzial (ODP = 0) und einen minimalen direkten Treibhauseffekt (GWP = 8). Es besitzt die energetischen Vorteile von Ammoniak, wodurch auch sein Beitrag zum indirekten Treibhauseffekt vergleichsweise gering ist. Hinsichtlich der Giftwirkungen sind die für Ammoniak geltenden Angaben zu beachten. Spezifische toxikologische Wirkungen der Gemischkomponente Dimethylether sind nicht bekannt. Weitere Informationen zu R 723 sind im eurammon Informationspapier Nr. 12 auf der Website der Initiative erhältlich.

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