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Smart Grid

Offenheit beim Wärmepumpenverband Skepsis bei Kältetechnikern

Wie groß ist das Potenzial von kältetechnischen Anlagen, um fluktuierenden Strom aus regenerativen Energiequellen zu absorbieren und wie groß ist das Abschalt- und Verschiebepotenzial von Kälteanlagen, um elektrische Lastspitzen abzubauen bzw. Lasttäler zu füllen? Wer auf der Chillventa eine Antwort auf diese Frage suchte, wurde eher enttäuscht. Die Diskussion um die Integration von Smart Grid-Funktionen in die Regelung und Steuerung von Kälteanlagen ist von Ausnahmen abgesehen in der Kältebranche noch nicht eröffnet. Dazu seien die Anlagen zur Lebensmittelkühlung kaum geeignet bzw. das zu kühlende Gut zu temperatur­sensibel, so eine gängige Antwort.

Es gibt bereits Projekte

Dabei gibt es bereits Projekte, die zeigen, wie man Kälteanlagen in diesem Fall ein gewerbliches Kühlhaus in ein virtuelles Kraftwerk mit fluktuierendem Energieangebot aus Biogasanlage, Windpark und PV-Solaranlage integriert. Voraussetzung für diese Art des Betriebs ist ein Abgleich der Windprognose mit der Prognose des Energiebedarfs des Kühlhauses. Derzeit wird dieses Konzept im Rahmen des eTelligence-­Projektes vom Energieversorger EWE, Oldenburg, im Raum Cuxhaven erprobt. Ziel ist, Überan­gebote an Windstrom durch schaltbare Energieabnehmer mit Speicherpotenzial zu nutzen. Vorbild ist das EU-geförderte Nightwind-Projekt. Gefrier-Experten der staatlichen niederländischen Forschungsorganisation TNO (The Nederlands Organization for Applied Scientific Research) haben hoch­gerechnet, dass man in den großen Kühlhäusern Europas rund 50000 MWh an Energie zwischenspeichern kann, wenn man die Temperatur des Kühlgutes um ein Grad Celsius absenkt ( https://www.sainttrofee.nl/ ).

Auch im Süden Deutschlands laufen erste Projekte mit Kälte als Puffer zur Netzstabilisierung. EnBW testet dort, wie mit- hilfe eines intelligenten Stromzählers und einer Steuerbox speziell entwickelte Gefriergeräte des Hausgeräteherstellers Liebherr die Belastung im Stromnetz vergleichmäßigt werden kann.

Thema offensiv angehen

Doch die Kältebranche kommt nicht umhin, das Thema offensiver anzugehen. Aus Sicht des Fraunhofer-Anwendungszentrums für Systemtechnik (AST), Ilmenau, liegt in den installierten kälte- und klimatechnischen Anlagen ein enormes Potenzial, das dazu genutzt werden könne, Stromnetze intelligent zu stabilisieren und den Energiebedarf kältetechnischer Anlagen über Preisanreize zu beeinflussen. Die Fraunhofer-Forscher geben an, dass sich allein im Sektor Haushalt rund 26,660 TWh Strom durch eine direkte Steuerung von kälte- und klimatechnischen Endgeräten beeinflussen lassen, im gewerblichen Bereich seien es 6,274 TWh. Am geringsten sei das Schalt- und Verschiebepotenzial im Sektor Industrie. (Quelle: http://www.forum-netz­integration.de ). Die Chillventa-Aussteller Wurm, Remscheid, und Eckelmann, Wiesbaden, sehen das Thema Smart Metering/Smart Grid trotz der defensiven Haltung der Branche dennoch als wichtige Zukunftsaufgabe. Bei Wurm ist man der Auffassung, dass bei Kälteanlagen grundsätzlich mehr Anlagenwerte überwacht werden müssten, um die Gesamtenergieeffizienz einer Anlage zu verbessern und um energetische Schwachstellen aufzudecken. Auch wäre eine permanente Überwachung der Leistungszahl sinnvoll. Ein intermittierender Betrieb von Kälteanlagen durch zeitvariable Preisanreize müsse von Fall zu Fall geprüft werden, da spe­ziell bei der Lebensmittelkühlung bestimmte Temperaturen aus lebensmittelhygienischen Gründen eingehalten werden müssen. Am einfachsten könne man derzeit steckerfertige TK-Truhen in ein Smart Grid-Konzept integrieren, da diese aufgrund ihrer Bauart am ehesten die vorgegebenen Temperaturen einhalten, auch bei längeren Abschaltzeiten.

Eckelmann gibt aber zu bedenken, dass der prädiktive Betrieb von Kälteanlagen mit zeitvariablen Tarifen im Lebensmittelbereich durch die veränderten Kühlgut-Temperaturen, die tiefer sind als notwendig, zu höheren Betriebskosten führt. Tiefere Lagertemperaturen in der Kühllogistik könnten aber auch dazu führen, dass die in Lebensmittel eingespeicherte zusätzliche Energie von den stationären Kühlhäusern auf Kühltransporte verlagert werde, ohne dass dafür ein Kostenausgleich erfolgt. Eckelmann räumt ein, dass die Kältebranche und Energieversorger mit den Auswirkungen von zeitvariablen Tarifen, Lastverschiebungen oder tarifbezogenen Lastabschaltungen noch keine Erfahrungen hätten. In jedem Fall seien zur Realisierung von Demand Side Management-Funktionen in der Lebensmittelkälte mehr und komplexere Regelungs-, Steuerungs- und Monitoring-Systeme notwendig als bisher.

Smart Grid-Positionspapier für Wärmepumpen

Während die Kältebranche im Smart Grid derzeit noch eher Risiken sieht, geht der Bundesverband Wärmepumpen (BWP) eher positiv mit dem Thema um. In einem in Oktober 2010 veröffentlichen Positionspapier ( https://www.waermepumpe.de/meta/404/ )sieht der Verband in der Wärmepumpe ein erhebliches Potenzial, Strom aus erneuerbaren Energien in Abhängigkeit von Angebot, Netzbelastung bzw. Preissignal zu nutzen. Fluktuierende Stromkontingente könnten damit besser genutzt und die Netze somit entlastet werden. Allerdings müssten Wärmepumpenanlagen und Gebäude speziell auf Speicherfunktionen optimiert werden, damit deutlich längere Schaltzeiten als bisher möglich sind. Wichtig seien Schalt- und Regelungsfunktionen, die Wärmepumpen prädiktiv einschalten, um Heiz- bzw. Trinkwarmwasserspeicher preisstrategisch zu laden. Der Kunde soll von den variablen Abschaltzeiten möglichst wenig bemerken, aber von den Preisangeboten der Versorger profitieren.

Der Bundesverband geht davon aus, dass die aktuell etwa 350000 Wärmepumpen in Deutschland über eine Anschlussleistung von rund 1400 MW verfügen. Dieser weiter wachsende Bestand bis 2020 rechnet der BWP mit rund 1,2 Mio. Wärmepumpen mit einer Anschlussleistung von rund 4400 MW biete somit ein enormes Ausgleichspotenzial für fluktuierende Energieangebote aus Sonne und Wind. Denkbar seien auch haushaltsbezogene virtuelle Einheiten aus Wärmepumpe, Haushaltskühlgeräten und Elektroautos, um die Netze zu stabilisieren. -

Wolfgang Schmid

freier Fachjournalist für Technische Gebäude­ausrüstung, München

Wolfgang Schmid, München

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