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TWK Karlsruhe und Institut für Fertigungstechnik und Produktion

Thermische Stabilisierung von Produktionsprozessen

Werkzeuge halten länger, Bearbeitungszyklen werden kürzer, die Bauteilgenauigkeit steigt. Das sind Effekte, die durch Kälteanwendung in Produktionsprozessen erreicht werden. Aber auch Druckmaschinen laufen schneller oder chemische Prozesse werden überhaupt erst möglich, wenn Kälte zur Verfügung steht. Die Anwendung von künstlicher Kälte in Produktionsprozessen ist in einem weiten Bogen gespannt. Einen Einblick in diese vielfältigen und nur wenig miteinander verknüpften Anwendungen zu geben, war das Ziel des Symposiums mit dem Titel Thermische Stabilisierung von Produktionsprozessen mit Kältemaschinen, das vom TWK Karlsruhe in Verbindung mit dem Institut für Fertigungstechnik und Produktion der Hochschule Karlsruhe am 18. September 2008 durchgeführt wurde. Namhafte Referenten aus den genannten Bereichen legten den neuesten Stand der Entwicklung und die Perspektive der Kälteanwendung dar.

Das Symposium wurde in bewährter Weise von Prof. Dr.-Ing. Johannes Reichelt moderiert, wobei ihn am Vormittag bei den Werkzeug- und Werkzeugmaschinenthemen Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Haas, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Produktion der Hochschule Karlsruhe, unterstützte.

Im ersten Komplex standen die Werkzeuge und die Werkzeugmaschinen mit ihren Kühlprozessen im Mittelpunkt. Ein interessantes Thema wurde von Markus Munz vom mitveranstaltenden Institut für Fertigungstechnik und Produktion in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Stemke Kunststofftechnik GmbH aus Döbeln bearbeitet und vorgestellt. Ausgangspunkt war dabei die Wärmeentwicklung am Werkstück und Werkzeug beim Spritzgießen von Kunststoffteilen, dem wichtigsten Verfahren der Herstellung von Kunststoffartikeln. Je schneller die eingebrachte Wärme abgeführt wird, umso kürzer ist die Zykluszeit. Dabei sind Bauteilverzug, Eigenspannungen und Schwindungen zu berücksichtigen. Die konventionelle Kühlung mit Wasser in den mitunter sehr engen Kanälen innerhalb der Werkzeuge führt nach und nach zu einer Verringerung der verfügbaren Strömungsquerschnitte durch Verkalkung und andere Ablagerungen, was in anschaulichen Bildern gezeigt werden konnte. Deshalb wurde nach Wegen gesucht, die Kühlung mittels verdampfenden Kältemittels durchzuführen. Für den Einsatz des Kältemittels R404a gibt es schon Beispiele, aber auch der CO2-Einsatz wird erwogen. In der dargestellten Anwendung mit R404a beträgt dabei die Kühlleistung 8kW, die Regelung erfolgt durch getaktetes Einspritzen des Kältemittels in den Kühlkanal und wird von einem Temperatursensor an der Kühlstelle gesteuert. Das Kältemittel ist dabei in einen geschlossenen Kältekreislauf eingebunden, wobei nur beim Werkzeugwechsel minimale Lecks entstehen. Diese würden bei CO2 als Kältemittel zudem bedeutungslos. Der Spritzgussprozess erfährt durch diese Technologie eine Reihe von qualitativen und quantitativen Verbesserungen, die im gezeigten Beispiel die Kühlzeit um 55% und die Zykluszeit um 32% reduzieren würden. Mithilfe der Kältemittelkühlung können dabei Bereiche in Werkzeugen gekühlt werden, die mit Wasser nur schlecht oder gar nicht erreicht werden. Der Aufbau der Kälteanlage und der Regeleinrichtung konnte vor Ort besichtigt werden. Dabei konstatierten die Kältetechniker die Einfachheit der Anlage und bestaunten das Know-how, das in den Werkzeugen steckt, waren aber überzeugt, dass wegen der Restlecks beim Werkzeugwechsel die Verwendung eines Kältemittels ohne Umweltbelastung erforderlich sein würde.

Hohe Präzision bei Fräsmaschinen

Über die Produktionsstabilität im Mikrometer-Bereich durch das Temperaturmanagement von Hochpräzisions-Fräsmaschinen berich­tete Ekkehard Alschweig am Beispiel des aktuellen Entwicklungsstandes beim traditionsreichen Kern-Werkzeugmaschinenbau. Die hochpräzise Fräsmaschine Kern-Pyramid Nano erreicht eine Positionsstreubreite von ±0,3μm, eine Präzision am Werkstück in drei Achsen von 1μm und eine Oberflächengüte Ra von 0,05μm. Solche Ergebnisse könnten nur durch ein umfassendes Temperaturmanagement an der Maschine erreicht werden, was durch mehrere Kühlkreisläufe mittels Wasser oder Öl realisiert wird.

Aus den bisherigen Erfahrungen resultieren ganz konkrete Wünsche an die Kältetechnik, zum Beispiel die Entwicklung von Kältemaschinen, die in die Werkzeugmaschinen integriert sind, oder dezentrale Kühlgeräte, die eine genau geregelte Kühlmitteltemperatur zur Verfügung stellen. Die Werkzeugmaschine ihrerseits darf keine Temperaturdifferenz zur Umgebung aufweisen. Hier haben die Kältetechniker ein Betätigungsfeld, das weit über das der jetzt tätigen Kühltechniker hinaus geht.

Ein Werkzeug der Kältetechniker in dieser Richtung ist die Simulation der zeitlichen und räumlichen Temperaturprofile, womit sich Jörg Hildenbrand von der Peter Huber Kältemaschinenbau GmbH aus Offenburg beschäftigte. Ohne die Einzelheiten der ­physikalischen Zusammenhänge des Simulationsmodells hier ­darzustellen, sieht er die Vorteile der Simulation in schnell verfügbaren Ergebnissen, in gezielter durchführbaren Experimenten, kürzerer Projektdauer, geringeren Projektkosten und, nicht zu ­unterschätzen, in einer Ungefährlichkeit gegenüber einem Erst­experiment. Natürlich bedarf eine gut funktionierende Simulation möglichst exakt definierter Randbedingungen und Ausgangsgrößen, wozu wiederum eine gewisse Erfahrung vonnöten ist. Eine Erst­simulation ist meist nur begrenzt korrekt, aber dennoch nicht trivial erstellbar.

Den ganzen Komplex der Werkzeugmaschinenkühlung einschließlich der Steuerung behandelte Daniel Fuchs von der BKW Kälte-Wärme-Versorgungstechnik GmbH, Wolfschlugen. Aus diesem Unternehmen kommen spezifische Lösungen für jeden Anwendungsfall. Dazu gehören Wasserrückkühler, Durchlaufrückkühler, Eintauchrückkühler, Kühlplatten und Kühltunnel. Die Lösungen entstehen oft nebenher zum Anwendungsfall und weniger wirklich integriert. Es ist oft unklar, welche Kälteleistung erforderlich ist, wie viel Platz für das Kälteaggregat zur Verfügung steht, wo die Abwärme hingehen soll oder welches Kältemittel verwendet wird. Die steigenden Energiekosten beflügeln jedoch die vermehrte Nutzung der Wärmerückgewinnung.

Kunden wünschen Komplettlösungen Kältetechnik inklusive

Einen umfassenden Einblick in die Bedeutung der Wärmeentstehung und der Wärmeflüsse bei Hochgeschwindigkeitsfräsmaschinen und bei Erodiermaschinen gab Joachim Mayer von der Exeron GmbH aus Oberndorf. Er betonte ebenfalls den Trend zu immer genaueren Werkzeugmaschinen, was infolge der thermisch bedingten Formänderungen Kühlmaßnahmen unumgänglich macht. Die Kundenforderungen für entsprechende Maschinen liegen zunehmend bei Paketlösungen, teilweise mit gemeinsamer Automatisierung und übergreifenden Softwarekonzepten. Dabei legen immer mehr Unternehmen Wert darauf, diese Konzepte aus einer Hand angeboten zu bekommen. Aus dieser Aufgabenstellung resultiert, dass der Systemlieferant auch die thermischen Probleme lösen muss. Neben der Wahl von Werkstoffen mit geringen Temperaturausdehnungskoeffizienten und der grundsätzlichen Reduzierung bzw. Vermeidung von Wärmequellen spielen die geeigneten Temperierungsmaßnahmen die wichtigste Rolle. Mit den Trennkühlmaßnahmen wird die Wärme zwischen Wärmequelle und Bauteil abgeführt und mittels der Strukturtemperierung wird die Maschine gegen äußere Temperaturschwankungen geschützt. Während die erforderliche Kühlleistungsbereitstellung als eine Selbstverständlichkeit betrachtet werden kann, ist das bezüglich der Temperaturgenauigkeit des Kühlmediums, des zeitlichen Temperaturverhaltens und der energetischen Effizienz durchaus nicht so klar. Darauf bezieht sich deshalb der Entwicklungsbedarf bei aktuellen Anwendungen. Der Referent bezeichnete die Heißgasbypassregelung der Kältemaschinen als geeignete Technik für die heutigen Anforderungen, schränkte das aber richtigerweise für Teillastbetrieb als wenig wirtschaftlich ein. Bei neuen Anlagen wird die Abwärme möglichst rohrleitungsgebunden abgeführt, um den Raum vor diesem Wärmefluss zu schützen und Wärmerückgewinnungskonzepte werden zunehmend interessant.

Großer Nachholbedarf bei Werkzeugmaschinen

An diesem Beispiel wird deutlich, was sich durch den gesamten ersten Teil des Symposiums zog: Offenbar hat die Kühl- und Kältetechnik selbst bei modernsten Werkzeugmaschinen einen Nach­holbedarf. Was im Einzelnen geleistet wird, sind Insellösungen. Bei den beiden zurückliegenden Symposien des TWK zur Kraft­fahrzeugklimatisierung und zu Wärmepumpen konnte man von einer Branche sprechen, die sich intensiv um Innovationen bemüht und weitgehend einerseits im Wettbewerb steht, andererseits aber viel voneinander lernt. Von einer Branche der Werkzeugmaschinenkühlung zu sprechen, ist dagegen weit verfrüht. In diesem Bereich gibt es ein hohes Innovationspotenzial! Das sollte in der nahen Zukunft erschlossen werden. Vielleicht liefert das Symposium einen Beitrag dazu.

Die Kühlung der Werkzeugmaschinensteuerung gehört heute zu den wichtigen Aufgaben bei der Aufstellung von neuen Maschinen mit hoher Produktivität, vor allem wenn sie 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche betrieben werden. Die Anzahl der Steuerungsfunktionen erfordert den Einsatz von elektronischen und elektrischen Baugruppen und Bauelementen, deren Lebensdauer wesentlich vom Kühlprozess abhängig ist. Diesem Kapitel widmeten sich Andreas Berberich von der Pfannenberg GmbH in Hamburg und Michael Böhm von der Rittal RSC GmbH & Co. KG in Rennerod. In voneinander unabhängigen Vorträgen gingen sie auf die umfassenden Wärmequellen bei Werkzeugmaschinen und Bearbeitungszentren ein, die mit einfacher Luftkühlung, mit Wasserkühlung in Rückkühlsystemen oder mit Kältemaschinenkühlung auf dem erforderlichen geringen Temperaturniveau gehalten werden. Bei großen Temperaturdifferenzen sind aktive Kühlgeräte mit Kompressionskältemaschinen unumgänglich und ihre Integration in die Steuerung sollte von Anfang an berücksichtigt werden.

Sehr unterschiedliche Lastbedingungen bei diesen Kühlgeräten zwischen 0 und 100% erfordern gut geregelte Kältemaschinen. Dabei ist der FU-Antriebstechnik sowohl für den Verdichter als auch für Lüfter und Pumpen in Verbindung mit einem elektronisch geregelten Einspritzventil der Vorzug zu geben. Bei den Gesamtenergiekosten der Kühlung beträgt der Anteil für den Verdichterantrieb immerhin 79%. In der Praxis ist oft festzustellen, dass Verschmutzung der Wärmeübertrager, hohe Umgebungstemperaturen und mangelnde Wartung zu zusätzlichen Kosten führen. Dabei bietet die nanotechnologische Beschichtung der Wärmeübertrager eine Möglichkeit, die Verschmutzungsanfälligkeit zu verringern.

Kältebedarf für Druckereimaschinen ist rasant gestiegen

Dem Bedarf der Druckindustrie an Kältetechnik waren die Vorträge von Thomas Haas von der Technotrans AG in Sassenberg (Bogendruck) und Wolfgang Prem von der Baldwin Germany GmbH in Friedberg (Rollenoffsetdruck) gewidmet. Es ist beeindruckend, welche rasante Steigerung der Kältebedarf in dieser Sparte erfahren hat. Im Bereich der Bogendruckmaschinen benötigte man in den 1980er Jahren noch 8kW Kälteleistung, zehn Jahre später rund 50kW und gegenwärtig 350kW. Diese Leistung wird zum großen Teil für die Kühlung der Peripheriegeräte benötigt, aber auch für die Feuchtmittelkühlung (bis 15kW) und Raumtemperierung (bis 50kW) sind die Werte nicht vernachlässigbar. Damit wird sowohl eine hohe Druckgeschwindigkeit möglich als auch die Erfüllung besonders hoher qualitativer Ansprüche. Eine effiziente Lösung für mittlere und große Druckereibetriebe liegt in der zentralen Wasserkühlung. Dabei wird die Abwärme der Peripheriegeräte und der Druckmaschinen zentral über einen Wasserkreislauf nach außen abgeführt. Die Beeinflussung von Temperatur und Feuchte im Drucksaal wird damit genau so ausgeschlossen wie unerwünschte Verunreinigungen durch Schmutzpartikel.

Moderne Rollenoffsetdruckmaschinen mit Druckgeschwindigkeiten von 18m/s, mit 2860mm breiten Papierbahnen und einem 24-Stunden-Dauerbetrieb beeindrucken mit Kälteleistungen von bis zu 1MW. Damit werden die Kühlaufgaben für das Feuchtwasser, die Farbwalzen, die Farbduktoren, das Öl, die Motoren, die Kühl­walzen, die Schaltschrankkühler und die Blasluftkühler erfüllt. Unterschiedliche Temperaturniveaus, Durchflussmengen und Kühlleistungen werden benötigt, die entsprechend der Anforderungen des Maschinenherstellers von einer zentralen Großkälteanlage und entsprechend gekoppelter Pumpenausstattung versorgt werden.

Großkältetechnik in der Chemieindustrie

Den Abschluss des Symposiums bildete der Vortrag von Johannes Wilhelmi von der Currenta GmbH & Co. OHG, Leverkusen, dem Kälteversorger für die Chemiewerke Bayer Leverkusen. Ausgehend von der langen Tradition der ständig steigenden Kälteanwendung in der chemischen Industrie erklärte Wilhelmi, warum es heute die zentrale Kälteversorgung mit Ammoniak als direkt verdampfendes Kältemittel gibt. Die Kälteenergie wird im Chemiebetrieb flächendeckend über die Latentwärme des Ammoniaks verteilt. Die Hochdruckseite der Verdichteranlage speist dazu nach der Verflüssigung direkt in das umfangreiche Rohrnetz ein. Da das Flüssigkeitsnetz auf dem Niveau des Verflüssigungsdruckes betrieben wird, ist keine Wärmedämmung der Rohrleitungen erforderlich. Bei hohen Umgebungstemperaturen wird mittels Druckerhöhungspumpen die notwendige Unterkühlung aufrechterhalten, ohne das Druckniveau der Verdichter weiter anheben zu müssen. Auch saugseitig kann auf eine Rohrleitungsdämmung verzichtet werden, da durch einen inneren Wärmeübertrager das gasförmige Kältemittel mittels des Flüssigkeitsstroms wieder bis in die Nähe der Umgebungstemperatur überhitzt wird. Für die Verdichtung stehen große Turbomaschinen zur Verfügung. Die Kälteanwendungen im Chemieunternehmen sind sehr vielfältig und resultieren aus den speziellen verfahrenstechnischen Aufgaben. In Leverkusen sind 72MW Kälteleistung installiert, die auf einer Fläche von etwa 3km2 rund 150 Verdampfersysteme unterschiedlichster Ausprägung bedienen. Auch in Zukunft wird die Kältetechnik in der Chemieindustrie immer wieder zu wirtschaftlichen, stoffspezifischen, prozessoptimierenden, ökonomischen und ökologischen Lösungen beitragen.

Fazit

Mit diesem interessanten Vortrag über eine beeindruckende Großkälteanlage mit Ammoniak als Kältemittel ging das Symposium zu Ende. Dem TWK und Prof. Reichelt war es gelungen, unterschiedlichste Kälteanwendungen in Produktionsprozessen darstellen zu lassen. Leider gab es für diese außerordentlich differenzierten Themen keine einheitliche Besuchergruppe, so dass die Gesamtzahl der Teilnehmer hinter der anderer Symposien zurückblieb. Das ist bedauerlich, ergibt sich aber aus dem bereits genannten Fehlen eines verbindenden roten Fadens in der Kälteanwendung dieser unterschiedlichsten Prozesse. Rückblickend kann jedoch zumindest das Streben nach höherer Effektivität in allen Bereichen als Tendenz ausgemacht werden.U.A. -

Links

http://www.twk-karlsruhe.de

Dr. Ulrich Adolph, Leipzig

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