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WÄRMEPUMPENTECHNIK

Von der Werkstatt zur Fabrik

Nach mehr als drei Jahren Projektdauer konnte Fischer Kälte-Klima im September 2020 die neue Firmenzentrale beziehen, wo neben 4000 m² an Büroflächen für die Verwaltung vor allem auch ca. 7500 m² Hallenfläche für den Bereich Systemtechnik, also die Fertigung und Montage von kundenindividuellen Verbundkälteanlagen, zur Verfügung stehen. Keine Frage, dass bei der technischen Umsetzung des Gebäudes in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit auch eigene Produkte und Ideen zum Zuge kamen.

Für über 40 Jahre war die Augsburger Straße 289 in Stuttgart der Firmensitz – eine innerstädtische Lage mit allen Vor- und Nachteilen. Der Standort hatte drei Generationen erlebt, war durch zahlreiche An- und Umbauten mit gewachsen und ermöglichte das Wachstum, das jetzt sowohl Ursache als auch Grundlage für die Erschaffung einer neuen Basis außerhalb der City war.

Nachdem bereits im Jahr 2008 aufgrund akuten Platzmangels das Handelsgeschäft – also Lager, Logistik und die regionale Verkaufsniederlassung – nach Fellbach verlagert und die freiwerdenden Flächen für den Bereich Systemtechnik genutzt wurden, stieß auch diese Lösung bald an ihre Grenzen.

Die Suche nach geeigneten Objekten oder Bauland im Großraum Stuttgart gestaltete sich schwierig, aber Anfang 2017 konnte dann in Kernen im Remstal im Ortsteil Rommelshausen endlich ein ehemaliges Fabrikgelände eines Medizingeräteherstellers mit ca. 25 000 m² Fläche erworben werden. Das Grundstück befand sich allerdings im Zustand einer Industriebrache mit zahlreichen verfallenen Gebäuden und verschiedenen Altlasten, was durch eine exzellente Lage, ausgezeichnete Verkehrsanbindung und Nähe zum Fischer-Standort Fellbach, allerdings mehr als aufgewogen wurde.

In Zusammenarbeit mit der Gemeinde wurde ein entsprechendes Bebauungskonzept entwickelt, sodass Mitte 2017 mit dem Bau bzw. zunächst der Sanierung des Geländes begonnen werden konnte.

Mit einem Investitionsvolumen von rund 30 Mio. Euro entstand dann innerhalb einer dreijährigen Bauphase ein moderner und nachhaltiger Komplex aus Bürogebäude, Werkhalle und weitläufigen Außenanlagen. Besonderes Augenmerk wurde seitens Fischer und der Gemeinde Kernen auch auf die optische Attraktivität der Liegenschaft gelegt, da sich das Gelände relativ prominent direkt an der Ortseinfahrt aus Richtung Waiblingen befindet.

Eines der wichtigsten Themen in der Umsetzung des Projekts waren aber die hohen Ansprüche an Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Qualität des Raumklimas im Gebäude, für deren Umsetzung man bei Fischer bereit war, im Bereich Gebäudesubstanz und Haustechnik auch über das gewöhnliche Maß hinaus zu investieren.

Kältemittellösung: NH3

So entstand in enger Zusammenarbeit der [CF] Systems Systemtechnik Experten von Fischer mit dem ortsansässigen Haustechnikspezialisten Wilhelm Schetter GmbH eine integrierte Gesamtlösung. Herzstück dieser Gebäudetechnik-Gesamtlösung im Fischer Neubau ist eine NH3-Wärmepumpe zur kontinuierlichen Heizung und Klimatisierung der Büro- und Fertigungsgebäude.

Um einen ganzjährig zuverlässigen Betrieb des Systems unter allen klimatischen Bedingungen sicherzustellen, wurde die NH3-Wärmepumpe als zweistufiges NH3-System ausgeführt. Durch die höhere Druckgas-Temperatur von NH3 im Vergleich zu anderen Kältemitteln, mussten dabei besondere Maßnahmen zur Druckgaskühlung getroffen werden. Am Ende konnte dieser vermeintlich negative Effekt von NH3 im Projekt aber optimal zur Erwärmung von Brauchwasser, des Abtauspeichers, Heizwasser-Rücklaufs und zur Regenerierung des in die Gesamtlösung integrierten Erdsondenfeldes genutzt werden.

Als Wärmequelle für den Heizbetrieb dienen zwei große Güntner Wärmetauscher, die auf dem Dach der Fertigungshalle aufgestellt sind und die Umgebungsluft abkühlen bzw. dieser Wärme entziehen und über einen Solekreislauf der Wärmepumpe zuführen. Die Wärmepumpe hebt die Heizkreistemperatur auf ein brauchbares Temperaturniveau an, im Tagbetrieb ca. 45 °C.

Ein luftgekühlter Verflüssiger sorgt während der Sommerperiode im Kühlbetrieb für die Abfuhr der überschüssigen Wärme, die weder zur Regenerierung des Erdsondenfeldes noch zur Brauchwasser-erwärmung genutzt werden kann.

Auf dem Firmengelände wurde zur Nutzung von geothermischer Energie bereits während der Bauphase ein Erdsondenfeld mit ca. 80 m tiefen Erdsonden errichtet, das ebenfalls mit dem Wärmepumpenkreislauf verbunden ist und hauptsächlich im Nachtbetrieb zur Aktivierung der im Bürogebäude verbauten Betondecken eingesetzt wird. Unter Aktivierung wird hier je nach Jahreszeit bzw. Betriebsmodus das Heizen oder Kühlen der Betondecken verstanden.

Ein Erdsondenfeld lässt sich besonders effizient nutzen, wenn nicht nur die natürlich nachfließende Erdwärme entzogen wird, sondern das Feld in Phasen mit überschüssiger Energie (z. B. bei Klimatisierung des Gebäudes im Sommer) zusätzlich wieder „aufgeladen“ wird, sodass, über den Jahreszyklus gesehen ein annähernd identischer Wärmestrom zwischen Entladen und Beladen (Regenerieren) erreicht wird.

Daher wurde eine Lösung realisiert, die die jeweiligen Wärmeströme für das Entladen und Beladen mittels Wärmemengenzähler erfasst, registriert, steuert und gleichzeitig für die Vor- und Rücklauftemperaturen ein entsprechendes Temperaturfenster kontrolliert.

Als Wärmeträger kommt innerhalb der Gebäude Wasser zum Einsatz. Der innere Kreis der Wärmepumpe arbeitet mit Ethylen-Glykol als Wärmeträger. Die Systemtrennung zwischen Ethylen-Glykol und Wasser erfolgt mittels hocheffizienten Plattenwärmetauschern von Alfa Laval.

Alles im Fluss – Cleveres Energiemanagement für maximale Effizienz

Das Wärmepumpensystem im Fischer Neubau sorgt durch die Steuerung und Kombination verschiedener Energiequellen und Verbraucher für eine maximale Systemeffizienz. Das System erlaubt es, dass die meisten Anlagenteile je nach Anforderung sowohl als Wärmequelle als auch als Wärmenutzer fungieren, wie z. B. die im Bürogebäude installierten Roller HKN 4-Wege Klimatruhen. Der Wärmestrom fließt innerhalb des Systems stets vom höheren zum tieferen Temperaturniveau.

Für das Management dieser Energieströme besitzt das System eine Vielzahl an hydraulischen Kreisläufen, die über eine eigens für das Projekt entwickelte SPS entlang definierter Wechselwirkungen und Abhängigkeiten geregelt werden.

Da die beiden Wärmeströme „Heizen“ und „Kühlen“ der Wärmepumpe immer nur gleichzeitig generiert werden, können durch die Leistungsregelung der Kompressoren auch immer nur beide Wärmeströme erhöht oder verringert werden. Es ist unwahrscheinlich, dass der Kühl- und Heizbedarf auf der Gebäudeseite genau zur bereitgestellten Kühl- und Heizleistung der Wärmepumpe passt. Daher greift der Regelmechanismus des Systems ein und steuert externe Wärmequellen bzw. externe Wärmenutzer (Verbraucher) zu, um das richtige Verhältnis der Wärmeströme sicherzustellen.

Hierzu stehen das bereits erwähnte Erdsondenfeld, das ebenfalls sowohl als Wärmequelle als auch als Wärmenutzer verwendet werden kann, sowie zwei Rückkühler zur Verfügung, die in den Wintermonaten als Wärmequellen genutzt werden können. Für den „Klima“-Betrieb in den Sommermonaten verfügt das System über einen luftgekühlten Verflüssiger, da die Speichermöglichkeiten durch das Aufladen (Regenerieren) des Erdsondenfeldes begrenzt sind. Dieser – in konventionellen Systemen typische – Zustand stellt den einzigen Betriebszustand dar, in dem Energie ohne weitere Nutzung an die Außenluft abgeben wird.

Das Wasservolumen in Rohrleitungen und Wärmetauschern, beträgt im Kühl- und Heizkreis jeweils 4 bis 5 m³. Somit besitzt das System auch ohne zusätzliche Tanks eine ausreichende Puffermenge, um die Regelstrecken beherrschen zu können. Auf den Leitungen mit Temperaturen von -20 bis +140 °C wurden ArmaFlex Ultima und HT/ArmaFlex eingesetzt.

Das Gebäude als Energieträger nutzen – Betonkernaktivierung im Bürokomplex

Die Bauteilaktivierung (Kühlen oder Heizen der Betondecke im Büro­gebäude) erfolgt ausschließlich im Nachtbetrieb, als Wärmequelle bzw. Wärmenutzer für die Versorgung wird das Erdsondenfeld genutzt. Im Kühlmodus ist dabei kein Verdichterbetrieb, sondern lediglich der Betrieb verschiedener Umwälzpumpen erforderlich. Bei maximal +18 °C Kaltwasser-Vorlauftemperatur und +22 °C Kaltwasser-Rücklauftemperatur besitzen die Betondecken des Fischer Bürogebäudes eine Kühlleistung bzw. Wärmeentnahmekapazität von ca. 150 kW. Regelungstechnisch kann kein Einfluss genommen werden auf die Vor- und Rücklauftemperaturen des Erdsondenfeldes, die Temperaturen sind durch das Erdreich vorgegeben. Das System justiert allerdings durch die Anpassung der Pumpendrehzahl die Temperaturdifferenz von Vor- und Rücklauf auf 4 K. Die Temperaturregelung am eigentlichen Wärmetauscher (Betonkern) erfolgt über Dreiwegeventile.

Das Herzstück der Anlage

Die NH3-Wärmepumpe ist als Wärmepumpe mit betriebsbedingter Umschaltung auf zweistufigen Betrieb ausgeführt (Booster-Wärme­pumpe). Es ist keine reversible Wärmepumpe, da Heizen/Kühlen immer gleichzeitig zur Verfügung stehen.

Die Wärmepumpe speist zwei hydraulische Weichen (kalt und warm) und passt die erforderliche Heizleistung und Kühlleistung durch Zu- und Abschalten von Verdichtern und Leistungsstufen sowie durch Drehzahlregelung der Verdichter an den erforderlichen Bedarf an.

Es kommen acht Bitzer Kolbenverdichter zum Einsatz, da derzeit verfügbare Schraubenverdichter der erforderlichen Größe bei weitem nicht die Leistungszahlen der eingesetzten Kolbenmaschinen erreichen. Zudem bieten die Kolbenverdichter die Möglichkeit, auch sehr kleine Teillasten im Heiz- und Kühlbetrieb (kleinste Teillast Heizen 30 kW/6 % der Volllast), bei guten Leistungszahlen zu realisieren.

Die Umschaltung auf den Boosterbetrieb erfolgt bei einer Verdampfungstemperatur < -5 °C. Das entspricht etwa einer Außentemperatur von 0 °C. Die Umschaltung auf den Boosterbetrieb ist, bedingt durch die steil ansteigende NH3 Druckgastemperatur, bei sinkender Verdampfungstemperatur erforderlich. Im Boosterbetrieb lassen sich auch bei tiefen Außentemperaturen angemessene Heizleistungszahlen erzielen, die mit keinem anderen Kältemittel erreicht werden können. Das Kältemittel NH3 bietet zudem die Möglichkeit der Brauchwassererwärmung auf +60 °C durch die NH3-Druckgaskühlung.

Büroklimatisierung

In Ergänzung zur vergleichsweise trägen Grundkonditionierung durch die Betonkernaktivierung, führen Lüftungsanlagen dem Bürogebäude vortemperierte Frischluft zu. In den Fluren sorgen Deckenkassetten für angenehmes Klima, sodass keine Temperaturunterschiede beim Verlassen der Büros zu spüren sind. Auch die Lüftungsanlagen und Deckenkassetten beziehen Warm- und Kaltwasser von der NH3 Wärmepumpe.

Roller Wasserkonvektoren in den Fensterbrüstungen eines jeden Büros erlauben darüber hinaus nicht nur die kontinuierliche Feinjustierung der individuellen Raumtemperatur, sondern auch schnelles Abkühlen oder Erwärmen im Bedarfsfall. Außerdem erzeugt die aktive Klimatisierung im Gegensatz zur reinen Betonkernkühlung auch einen angenehmen Entfeuchtungseffekt. Das gewählte 4-Leiter-Prinzip ermöglicht dabei den gleichzeitigen Kühl- oder Heizbetrieb in unterschiedlichen Bereichen bzw. Räumen des Gebäudes.

Eine SPS regelt und steuert die gesamte verbraucherseitige Klima­technik und gibt der NH3 Wärmepumpe die Betriesbsart und Soll-Temperaturen vor. In Abhängigkeit von Uhrzeit und Außentemperatur werden von der SPS Systeme freigegeben und die errechneten Vorlauftemperaturen ausgeregelt.

Solarenergie

Die gesamte Dachfläche der Halle ist mit Photovoltaikmodulen belegt, die eine Leistung von ca. 750 kWP erzeugen und tagsüber, selbst bei nicht optimalen Wetterverhältnissen, meist den gesamten Strombedarf der Liegenschaft abdecken. Der Einsatz der elektrisch betriebenen Wärmepumpentechnik ermöglicht dabei das Heizen und Klimatisieren des Gebäudes mit einem hohen Anteil an selbst erzeugter, regenerativer Energie. Ein 150 kW Batteriespeicher erweitert das Zeitfenster für die Nutzung der Solarenergie um einige Stunden nach Sonnenuntergang.

Eric Frese , 
Mitglied der Geschäftsleitung

Fischer Kälte-Klima