Zwei Hochtemperatur Wasser/Wasser-Wärmepumpen von Carrier wandeln die Abwärme des Rechenzentrums in nutzbare Heizenergie für das kommunale Fernwärmenetz um.
Zur Dekarbonisierung ihrer Energie- und Wärmeversorgung haben die Stadtwerke Norderstedt eine umfassende Zukunftsstrategie entwickelt. Ein wichtiger Baustein ist die Sektorenkopplung zur Nutzung von anfallender Abwärme des eigenen Rechenzentrums für das kommunale Fernwärmenetz. Dafür kommen zwei Wärmepumpen von Carrier zum Einsatz.
Die Einsparungen sowohl bei den Kosten als auch bei CO2-Emissionen sind erheblich. Seit Inbetriebnahme im April 2024 hat die Anlage bereits 6,8 Mio. kWh Wärme ins Netz eingespeist – das entspricht dem Jahresbedarf von etwa 350 Vier-Personen-Haushalten. Jährlich lassen sich damit mindestens 3800 t CO₂ einsparen.
Deutschland plant, Norderstedt agiert
Deutschland will bis 2045 Klimaneutralität erreichen. Die Dekarbonisierung erfordert jedoch einen umfassenden Umbau der Energieversorgung. Eine Schlüsselrolle spielt die kommunale Wärmeplanung. In den meisten Kommunen basiert die Fernwärmeversorgung noch größtenteils auf fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas. Um das Potenzial der Fernwärme voll auszuschöpfen, müssen nachhaltige und emissionsfreie Wärmequellen wie Abwärme aus industriellen Prozessen genutzt werden.
Norderstedt, viertgrößte Stadt Schleswig-Holsteins mit 84 000 Einwohnern, hat bereits in den 1980er Jahren den Grundstein für sein Fernwärmenetz gelegt. Bis 2040 soll die Wärmeversorgung der Stadt vollständig klimaneutral erfolgen. Dazu muss sie neben dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Zukauf von grünem Strom aus schleswig-holsteinischen Windkraftanlagen auch bisher ungenutzte Energiequellen durch intelligente Sektorenkopplung erschließen.
Rechenzentren als verlässliche Wärmequellen
Eine Möglichkeit ist dabei die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren. Diese kann in Fernwärmenetze eingespeist werden und bedeutet somit eine nachhaltige Energiequelle für nahegelegene Wohn- und Geschäftsgebäude.
Energiekosten haben einen erheblichen Anteil an den Betriebskosten eines Rechenzentrums. Nach Berechnungen des Branchenverbandes Bitkom ließe sich mit der Abwärme deutscher Rechenzentren der jährliche Wärmebedarf von rund 350 000 Wohnungen decken. Das entspricht etwa dem gesamten Wohnungsbestand der Stadt Bremen. Mit einer starken Zunahme der Zahl der Rechenzentren bis 2030 steigt auch deren Abwärmepotenzial erheblich. Die Abwärme von Rechenzentren ist daher eine sichere und zuverlässige Wärmequelle, die es zu nutzen gilt.
Die beiden Hochtemperatur-Wasser / Wasser-Wärmepumpen arbeiten mit R-1234 ze.
Kühlen durch Abwärmenutzung
Die Stadtwerke Norderstedt betreiben sowohl das kommunalen Fernwärmenetz wie auch ein Rechenzentrum auf dem eigenen Gelände und damit quasi direkt über dem Fernwärmenetz. Da lag es nahe, diese bisher ungenutzte Abwärme für die Wärmeversorgung der Stadt zu nutzen.
Um eine Überhitzung der Server und damit Systemausfälle und Datenverluste zu vermeiden, ist die Infrastruktur eines Rechenzentrums kontinuierlich zu kühlen. Dabei wird ein Großteil der Energie in Abwärme umgewandelt. Die Idee der Stadt Norderstedt war es, die benötigte Kühlleistung künftig mit Wärmepumpen zu erzeugen, die gleichzeitig das Temperaturniveau der Abwärme so weit anheben, dass sich diese für das Fernwärmenetz nutzen lässt.
Das beauftragte Planungsbüro FC-Planung GmbH aus Hamburg hat diese Idee im Zuge Ihres Planungsauftrages verfeinert und zur technischen Machbarkeit geführt. Eine Senkung der Energiekosten und CO2-Emissionen war damit möglich geworden.
Die Herausforderung lag in der großen Temperaturdifferenz von 68 K zwischen der Kälteleistung (13 °C) für das Rechenzentrum und der benötigten Wärme (81 °C) für das Fernwärmenetz. Wenn das Rechenzentrum seine Serverkapazitäten voll ausschöpft, ist eine maximale Kälteleistung von 1200 kW zu bewältigen.
Bereits aktuell lassen sich mit der Abwärme deutscher Rechenzentren 350 000 Wohnungen heizen.
Doppelrolle für die Wärmepumpen
Bei der Umsetzung dieses Abwärmekonzepts setzen die beteiligten Projektpartner FC-Planung GmbH und Kraftanlagen Energies & Services SE für die Stadtwerke Norderstedt auf Produkte von Carrier Klimatechnik. Zwei Wärmepumpen des Herstellers übernehmen dabei die Mittlerfunktion zwischen den beiden Sektoren – der Kühlung des Rechenzentrums und der kommunalen Fernwärmeversorgung.
Anfang 2024 wurden zwei Hochtemperatur-Wasser / Wasser-Wärmepumpen für industrielle und gewerbliche Heizanwendungen des Typs AquaForce 61 XWH-ZE 10 installiert. Sie arbeiten mit dem Low-GWP-Kältemittel R-1234 ze mit einem Treibhauspotenzial nahe Null (GWP 1,37) und sind für eine Vielzahl erneuerbarer Energiequellen wie Abwärme aus Rechenzentren und industriellen Prozessen ausgelegt.
Nach einem Probelauf nahmen die Stadtwerke Norderstedt die beiden Wärmepumpen Ende April 2024 in Betrieb. Bei einer Leistungsaufnahme von 652 kW stellen sie bei voller Serverauslastung jeweils eine maximale Kälteleistung von rund 1200 kW und eine maximale Heizleistung von über 1800 kW bereit.
Ein Umluftkühler in der neuen Energiezentrale sorgt für eine konstante Raumtemperatur von etwa 30 °C und erhöht zusätzlich die nutzbare Abwärme durch eine direkte Anbindung an den Kältemittelkreislauf. Die Wärmepumpe führt die Abwärme aus der Kühlung dem Fernwärmenetz zu und entlastet damit die bisher ausschließlich mit Erdgas betriebene Fernwärmeversorgung. Langfristig kann so aus der Abwärme des Rechenzentrums eine maximale Leistung von 1,8 MW gewonnen werden.
Seit der Sektorenkopplung des Rechenzentrums mit dem Fernwärmenetz und der Inbetriebnahme der Wärmepumpen hat die Anlage bereits 6,8 Mio. kWh Wärme in das Fernwärmenetz eingespeist. Die Wärmepumpen von Carrier unterstützen damit die Grundlastversorgung der Stadt mit Wärme. Als frei verfügbare und emissionsfreie Wärmequelle trägt die Abwärme zur Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung bei. Jährlich können durch das Projekt mindestens 3800 t CO₂ eingespart werden.
Fazit
Mit den beiden Carrier-Wärmepumpen ist es den Stadtwerken Norderstedt gelungen, zwei Prozesse – die Kälteversorgung eines Rechenzentrums und die Wärmeerzeugung für das Fernwärmenetz – zu koppeln, was deutliche Vorteile in Bezug auf Kosten, Effizienz und Nachhaltigkeit erschließt. Die Einsparung an Energiekosten ist so groß, dass sich die Investition in die Wärmepumpentechnik in vergleichsweise kurzer Zeit in Abhängigkeit der Energiepreise, der Anlagenauslastung und betrieblichen Effizienz amortisiert. Da bis zu 8 Prozent des bisher verbrauchten Gases eingespart werden, sinkt auch der CO₂-Ausstoß deutlich.
In Norderstedt ist die Abwärmenutzung eines weiteren Rechenzentrums in Planung. An mittlerweile vier BHKW-Standorten des Fernwärmenetzes Norderstedt sind jeweils zwei Wärmepumpen installiert, die verschiedene Wärmequellen nutzen. Zum einen die Außenluft und zum anderen Abgas (Abgaswärmeübertrager) und Niedertemperaturquellen innerhalb der BHKW-Anlagentechnik. Aktuell ist die Aufrüstung zweier weiterer Anlagen nach diesem Schema geplant.
Großvolumige Pufferspeicher in der Energiezentrale sorgen für eine hydraulische Entkopplung und optimieren den Wärmepumpenbetrieb. Es erfolgt eine flexible Einspeisung der aufbereiteten Abwärme des Rechenzentrums in das städtische Fernwärmenetz.
BIM-Modell (Building Information Modeling) der Anlagentechnik im Rahmen der digitalen Planung des Abwärmekonzepts.
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