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Wärmepumpen-Tagung der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz – Teil 1

Lärmprobleme verursachen Imageschaden

Luft / Wasser-Wärmepumpen (L / W-WP) zählen zu den umsatzstärksten Wärmepumpentypen in Europa. Sie sind vergleichsweise kostengünstig, benötigen wenig Platz und lassen sich einfach installieren. Für nicht wenige Installateure und Anlagenbauer ist die Luft/Wasser-Wärmepumpe jedoch auch ein unkalkulierbares Risiko, denn erst im laufenden Betrieb tritt die typische Schwachstelle dieser Bauart auf: störende Geräusche.

Lärmreduktion und ihre Folgen

Wissenschaftler des Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien beschreiben die akustischen Probleme durch Luft/Wasser-Wärmepumpen in ihrem Forschungsbericht „Silent Air HP“ wie folgt:

„Neben den störenden Geräuschen des Verdichters, entstehen, aufgrund des hohen benötigten Luftvolumenstroms der L/W-WP, oftmals störende Geräusche beim Ventilator und Verdampfer. Vor allem während der Übergangsjahreszeit kommt es aufgrund der Vereisung des Verdampfers zu einer zusätzlichen Geräuschbelastung. All diese störenden Geräusche lösen oftmals Nachbarschaftskonflikte mit gesundheitlichen, psychischen und finanziellen Folgen aus, und können damit zukünftig zu einem Wettbewerbsnachteil der Technologie werden, und deren breiten Einsatz insbesondere in Siedlungsgebieten hemmen.

Die derzeit in der Literatur, in den Akustikleitfäden von Wärmepumpenverbänden, etc. vorgeschlagenen Maßnahmen zur Minimierung der störenden Schallemissionen umfassen konstruktive, komponenten-spezifische, regelungstechnische sowie aktive Maßnahmen, wobei deren Effekt auf die Schallemission meistens nur qualitativ bewertet wird.

Die simultanen Auswirkungen dieser Schallreduktionsmaßnahme(n) auf Leistung, COP, Schallemission und psychoakustische Wahrnehmung, werden derzeit nicht quantitativ bewertet, womit der Wärmepumpen­branche (insbesondere WP-Herstellern, Installateuren, Planern) nicht bekannt ist, welche der gängigen Maßnahmen für das Wärmepumpensystem als Ganzes betrachtet jeweils am Optimalsten ist.“

Quelle: https://energieforschung.at/projekt/fortschrittliche-methoden-zur-bewer…

Schallausbreitung digital visualisieren

Mit der gerätespezifischen schalltechnischen Optimierung ist das Problem der Schallausbreitung in der Nachbarschaft allerdings noch nicht gelöst. Deshalb entwickelt das AIT-Team um Andreas Sporr und Christian Köfinger ein Tool, das die virtuelle Platzierung Lärm emittierender Geräte und deren Schalldruckpegel in räumlicher Darstellung ermöglicht. Das Besondere daran ist der RAARA-Ansatz, mit dem Lärmquellen virtuell in quasi realer Umgebung mittels Augmented Reality (AR) sichtbar und hörbar gemacht werden können.

RAARA steht für Residential Area Augmented Reality Acoustics. Grundlage für die Beurteilung der technischen Auswirkungen von Luft / Wasser-Wärmepumpen auf die Umgebung sind die Daten aus virtuellen Stadtmodellen, wie beispielsweise CITY GML (City Geography Markup Language), die in unterschiedlichen Detailstufen dreidimensional verfügbar sind bzw. verfügbar sein werden.

Die Bayerische Vermessungsverwaltung beschreibt die Detailstufen, die sogenannten Level of Details (LoD), folgendermaßen:

  • LoD 0: Digitales Geländemodell mit den darauf liegenden Gebäudegrundrissen;
  • LoD 1: Gebäudemodell mit Flachdach, auch Block- oder Klötzchenmodell genannt;
  • LoD 2: Gebäudemodell mit standardisierten Dachformen;
  • LoD 3: Gebäudemodell mit detaillierten Dach- und Wandformen. Fenster und Türen sollen explizit repräsentiert sein;
  • LoD 4: Gebäudemodell mit detaillierten Dachformen sowie Innen- und Außenraumgestaltung.
  • Quelle: https://www.ldbv.bayern.de/file/pdf/6723/Kundeninformation_LoD2.pdf

    Wichtig für die realitätsnahe schalltechnische Beurteilung von Wärmepumpen ist der Abgleich der spezifischen schalltechnischen Daten der gewählten Wärmepumpen mit dem Georaumbezug, wie beispielsweise Gebäude, Straßen, Brücken und Bäume sowie die in LoD 3 und LoD 4 genannten Details, wie Fenster, Türen, Außenraumgestaltung und Dachformen. Allerdings sind die letztgenannten LoD 3 und 4 aktuell noch nicht verfügbar.

    Über das von AIT erstellte Visualisierungsprogramm können Luft/Wasser-Wärmepumpen beliebig im 3 D–Modell platziert und variiert werden. Die Schallausbreitung wird dabei farbig auf den Bildschirm bzw. über die AR-Brille angezeigt. Aktuell ist das Programm noch in der Testphase. Wichtig sei, die Benutzerfreundlichkeit so zu gestalten, dass die geplante App ohne Vorkenntnisse genutzt werden kann, so die Autoren.

    Polyurethan anstatt Gummi-Asonatoren

    Mit zunehmender Urbanisierung und der damit verbundenen Lärm-entwicklung ist auch die Sensibilität, sprich das Lärmbewusstsein der Bewohner, gestiegen. Deshalb könnte durch die Dekarbonisierung der Gebäudeheizung mittels Wärmepumpe das nachbarschaftliche Konfliktpotenzial zunehmen. Bei vielen Menschen suggeriert bereits der Anblick einer außenstehenden Luft / Wasser-Wärmepumpe ein womöglich nerviges Schallproblem, insbesondere wenn der Ventilator sichtbar ist (Stichwort Psychoakustik).

    Während die Hersteller von Luft / Wasser-Wärmepumpen die gerätespezifischen Schallprobleme weitgehend im Griff haben (primärer Luftschall) und das Attribut „Silent Mode“ quasi von allen Wärmepumpenherstellern marketingtechnisch eingesetzt wird, ist die professionelle Schwingungsentkopplung am Aufstellungsort für viele Installateure und Anlagenbauer noch Neuland. Laut Deutschem Umweltbundesamt (UBA) spielt die Übertragung von Körperschall in der Umgebung von Wohnbebauungen bei Klagen über Lärm heutzutage eine ganz wesentliche Rolle. Neben ungeeigneten Aufstellungsorten und unzeitgemäßen Befestigungen ist nach Ansicht von Thomas Marte, Produktmanager Getzner Werkstoffe GmbH, Bürs / Österreich, die Materialwahl bei der Schwingungsentkopplung ganz entscheidend.

    Seine Botschaft an die Branche: Der klassische Gummi-Asonator hat ausgedient, da das Material mit der Zeit härter werde und sogar verspröde. Deshalb widme sich Getzner ganz der Entwicklung von Schwingungsdämpfern auf der Basis von Polyurethan (PUR). Der Vorteil der anwendungsbezogen entwickelten PUR-Schwingungsdämpfer sei die Eigenschaft des Werkstoffs, während der dynamischen Belastung weicher zu werden, was zu einer höheren Schwingungsisolation und Geräuschreduzierung führt. Zudem sei das von Getzner entwickelte PUR-Material frei von Weichmachern und damit gegen Versprödung gefeit.

    Auch bei kritischen Aufstellungsorten von Luft / Wasser-Wärmepumpen, beispielsweise auf Flachdächern oder an Außenwänden, bietet Getzner gezielte Lösungen an. Wichtig sei es darauf hinzuwirken, dass die Gerätehersteller auf die preisgünstige aber nicht effektive Gummilagerung zugunsten von PUR-Materialien verzichten. Werde der komplette Innenaufbau einer Wärmepumpe, also Kompressor, Wärmeübertrager und Kondensator, auf einen Stahlrahmen montiert und dann mittels Isotop-Federn oder Isotop-MSN-Elementen gelagert, sei bei einer Störfrequenz von 25 Hz und 1500 U/min eine Effizienz des Asonators von 96 Prozent erreichbar. Die gute Nachricht: Auch Wärmepumpen ohne herstellerseitige Vibrationsentkopplung können nachgerüstet werden, so Marte.

    Mit “Elefantenohren” gegen Nachbarschaftsstreit

    Mangelhafter Schallschutz bei Luft / Wasser-Wärmepumpen kostet Geld, egal ob als präventive Maßnahme, als Reaktion auf Nachbarschaftsklagen oder bei Rückbau der Anlage aufgrund gerichtlicher Verfügungen. Welche Abgründe sich bei Verstößen gegen die Lärmschutzverordnung, TA-Lärm-Grenzwerte oder den Praxisleitfaden „Tieffrequente Geräusche im Wohnumfeld“ auftun, zeigt ein Blick auf die Homepage www.laerm-luftwaermepumpe.de. Wer Luft / Wasser-Wärmepumpen propagiert und installiert, tut gut daran, sich dort über mögliche Folgen Lärm emittierender Geräte zu informieren.

    Spezialunternehmen, wie die schweizerische Tech AG, Herzogenbuchsee, die auch im süddeutschen Raum und im Vorarlberg aktiv ist, haben sich auf präventive Schallschutz-Maßnahmen rund um innen wie auch außen aufgestellte Wärmepumpen spezialisiert. Das Produktspektrum reicht von der Standard-Luftkanalanlage für innen aufgestellte Geräte über ein Kanalsystem für eine 5er-Kaskade bis hin zur Lichtschachtauskleidung mit Kulissen und nachträglich angebrachter Schalldämmhauben, auch Elefantenohren genannt, mit anpassbarer Einfügungsdämpfung. Nachträglich an die Außeneinheit angebrachte Schallschutzkabinen mit einer Schallreduktion von 11 bis 13 dB(A) gibt es ebenso wie eine ansaugseitige Schalldämmwand für ein frei aufgestelltes Außengerät und 3,5 dB(A) Einfügungsdämpfung.

    Resümee der Referentin Laura Thöni: Das Thema Schallschutz bei Luft / Wasser-Wärmepumpen brennt der Branche unter den Nägeln. Mit zunehmender Urbanisierung nimmt das Problem Schallschutz weiter zu. Durch Lärm geplagte Bauleute wenden sich womöglich von der Idee der Wärmepumpe ab.  

    Gebäudekanten, Wände, Grünzonen und Bodenbeschaffenheit beeinflussen die Schallausbreitung von Wärmepumpen. Durch die Visualisierung über die App „HVAC Positioner“ wird der Planer in die Lage versetzt, eine Wärmepumpe in einer quasi-realen Umgebung zu platzieren.

    Bild: Sporr, Köfinger/AIT

    Gebäudekanten, Wände, Grünzonen und Bodenbeschaffenheit beeinflussen die Schallausbreitung von Wärmepumpen. Durch die Visualisierung über die App „HVAC Positioner“ wird der Planer in die Lage versetzt, eine Wärmepumpe in einer quasi-realen Umgebung zu platzieren.
    Schwingungsreduktion von Kältemittelverdichter und Wärmepumpen-Gerät mittels hochdämpfenden Polyurethans und Stahlfeder. Die offene Bauweise der Asonatoren ermöglicht eine einfache Belastungskontrolle.

    Bild: Getzner

    Schwingungsreduktion von Kältemittelverdichter und Wärmepumpen-Gerät mittels hochdämpfenden Polyurethans und Stahlfeder. Die offene Bauweise der Asonatoren ermöglicht eine einfache Belastungskontrolle.
    Schalldämmmaßnahmen an der Wärmepumpenanlage zur Reduzierung von Primär- und Sekundär-Luftschall.

    Bild: Getzner

    Schalldämmmaßnahmen an der Wärmepumpenanlage zur Reduzierung von Primär- und Sekundär-Luftschall.
    Nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen bei Luft / Wasser-Wärmepumpen treiben die Kosten in die Höhe. Beispiel dafür ist eine ansaugseitige ­Schalldämmwand sowie eine Aufbauzarge mit schallisoliertem ­Wetterschutzgitter.

    Bild: Tech AG

    Nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen bei Luft / Wasser-Wärmepumpen treiben die Kosten in die Höhe. Beispiel dafür ist eine ansaugseitige ­Schalldämmwand sowie eine Aufbauzarge mit schallisoliertem ­Wetterschutzgitter.

    Lärmrechtliche Beurteilung von Luft /Wasser-Wärmepumpen in der Schweiz

    In der Schweiz muss in allen Kantonen gemeinsam mit der Baueingabe ein Lärmschutznachweis vorgelegt werden. Aufgrund der Lärmemissionen sind außen aufgestellte Luft / Wasser-Wärmepumpen in der Schweiz generell bewilligungspflichtig. Nur Anlagen, die die entsprechenden Lärmimmissions-Planungswerte und kumulativ auch das Vorsorgeprinzip (Berücksichtigung einer nachträglichen Bebauung) gemäß Umweltschutzgesetz (USG) einhalten, werden genehmigt.

    Die maßgebliche Institution zur Förderung der Lärmbekämpfung ist die Vereinigung der kantonalen Lärmschutzfachleute, Cercle Bruit (CB) genannt. Der CB ist in verschiedene Fachgruppen gegliedert mit dem Ziel, die überkantonalen Vollzugshilfen zu den diversen Themen zu erarbeiten. Eine der Fachgruppen befasst sich mit Industrie- und Gewerbelärm, worunter nach Anhang 6 der Lärmschutzverordnung auch Wärmepumpen fallen.

    Verbindliche Richtlinien zur lärmrechtlichen Beurteilung von Luft /Wasser-Wärmepumpen ist die Vollzugshilfe 6.21, ein 16 Seiten starkes Kompendium mit digitaler Anbindung (https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/bau-und-umwel… bzw. PDF “Vollzugshilfe 6.21”). Damit können beispielsweise die Wärmepumpendaten der in der Schweiz maßgeblichen Hersteller abgerufen werden (Heizleistung, Schallleistungspegel). Die schalltechnische Berechnung erfolgt über ein gemeinsam entwickeltes Programm der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz und Cercle Bruit.

    Von allgemeinem Interesse ist der graphisch anschauliche Maßnahmenkatalog zur Vorbeugung gegen Lärm mit den Angaben der erzielbaren Regelreduktionen. Interessant ist auch die Aussage, dass nicht jedes Geräusch bei gleicher Lautstärke als störend empfunden wird. Deshalb seien Regelkorrekturen, definiert nach Lärmart, Tongehalt und Impulsgehalt, sowohl bei der Berechnung als auch bei Messungen zu berücksichtigen.

    Wolfgang Schmid, 
    freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München.

    Bild:  Dertinger-Schmid

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