Phillip Handschuh ist „Director HighSpeed“ im gleichnamigen Technikum bei ebm-papst
ebm-papst betritt ein neues Feld: die Turbo-Kompressoren. In diesem exklusiven Gespräch erklärt Philipp Handschuh, wie das Unternehmen seine Kernkompetenzen in Aerodynamik, Motorik und Elektronik nutzt, um einen hocheffizienten, öl- und magnetfreien Turbo-Kompressor zu entwickeln. Wir waren in Mulfingen und konnten einen Blick hinter die Kulissen in das High-Speed-Technikum werfen.
Vor allem als Ventilatorenhersteller kennt man ebm-papst. Aber seit Neuestem hat das Unternehmen auch Turbo-Kompressoren im Programm. Wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen?
Philipp handschuh: Ganz ehrlich, wir haben unsere drei Kernkompetenzen aus dem Ventilatorgeschäft übernommen: Aerodynamik, Motor und Elektronik. Diese haben wir um das Thema ölfreie Lagerung erweitert und sind so zu den Turbo-Kompressoren gekommen – in dem Fall ölfrei und für denselben Kundenstamm, den wir mit den Ventilatoren auch schon bedienen.
KältenKlub: Das heißt, da ein Turbo ja klassische Schaufeln hat, mit denen er arbeitet, habt ihr in dem Bereich quasi jede Menge Erfahrung.
Philipp handschuh: Die Physik dahinter ist dieselbe. Wir können also mit denselben Auslegungs-Tools und demselben Know-how dieses Thema bearbeiten.
Schweben auf Gas: kontakt-, öl- und verschleißfrei.
KältenKlub: Über welche Leistungsgrößen reden wir hier eigentlich? Wo setzt man den Kompressor ein?
Philipp handschuh: Wir haben ihn ganz klar für unser jetziges Kundenspektrum gedacht. Wir sind im Leistungsbereich von 3 kW elektrisch, also 12 kW thermisch, bis aktuell ungefähr 30 kW thermisch unterwegs und möchten das dann sukzessive noch bis in den Bereich von 150 kW thermisch erweitern.
KältenKlub: Wir haben hier zwei Modelle liegen. Kannst du kurz erklären, was das genau ist?
Philipp handschuh: Genau. Der kleine hier ist unsere Variante, die wir letztes Jahr entwickelt haben: ein 12 kW thermischer Kompressor, 3 kW elektrisch, 240.000 Umdrehungen, ölfrei, mit einem einstufigen Turboverdichter. Die zweite Variante, die wir aktuell entwickeln und die gerade im Prüfstand ist, ist eine zweistufige Ausführung mit 30 kW thermisch, 10 kW elektrisch und ungefähr 160.000 Umdrehungen.
KältenKlub: 160.000 Umdrehungen klingt wahnsinnig schnell, aber wenn man es mit anderen Bauarten vergleicht, läuft der Turbo ja wahnsinnig ruhig.
Philipp handschuh: Genau, wir haben überhaupt keinen Körperschall, also kein NVH. Natürlich gibt es eine gewisse Geräuschentwicklung durch die Strömung des Gases, aber die ist sehr gering. Wir liegen ungefähr 10 Dezibel unter einem vergleichbaren Silent-Scroll und arbeiten daran, das noch weiter zu reduzieren. Man kann diese hohen Frequenzen im jeweiligen Geräteaufbau relativ gut wegdämpfen. Der Turbo wird ja nie allein verbaut, sondern immer in einem Gehäuse, und da gibt es bereits Dämmung für den üblichen Scroll. Von daher glaube ich, können wir da sogar noch Material einsparen.
Das Herzstück: Die aerodynamische Gaslagerung
KältenKlub: Philipp, du hast hier ein Bauteil in der Hand. Was ist das genau?
Philipp handschuh: Das ist eine Welle von dem kleinen Kollegen mit 3 kW elektrisch, und ich habe auch das zugehörige Verdichterrad mitgebracht. Das hat eine Leistung von 12 kW thermisch. Und die dreht dann eben mit den besagten 240.000 Umdrehungen. Das Lager ist dabei ein keramischer Werkstoff. Wir haben eine Materialwahl getroffen, die mit möglichst wenig unterschiedlichen Materialien auskommt, was den Aufbau sehr simpel macht. Hier sieht man auch sehr schön, und das war ja das Intro: Wir haben keine Magnetlager, sondern aerodynamische Gaslager, sogenannte Spiralrillenlager. Die Welle dreht sich in diesen eingeprägten Kanälen und baut dadurch ein entsprechendes Druckpolster auf. Sie schwebt auf diesem Gaspolster und hat deshalb bei diesen hohen Drehzahlen keinerlei Kontakt zum Außengehäuse und auch keinen Verschleiß während des Betriebs.
160.000 U/min bei null Vibration.
KältenKlub: Das heißt, die Lagerung erfolgt immer durch das Medium, das gerade durch den Verdichter geht. Jedes Gas hat ja seine eigenen Eigenschaften. Wie verhält er sich bei unterschiedlichen Kältemitteln?
Philipp handschuh: Grundsätzlich müssen wir das jeweilige Lager anpassen. Bei sehr ähnlichen Kältemitteln können wir dieselbe Struktur verwenden. Bei Kältemitteln, die stärker abweichen, gehen wir auf eine andersartige Struktur, um die Rotordynamik der Welle sicherzustellen. Was wir aktuell nicht in Betracht ziehen, ist CO₂, da die hohen Drücke für diese Lagerung zwar lauffähig sind, aber keine Effizienzvorteile bringen. Alles andere – von R 290 über R 600 a bis hin zu sämtlichen A2L-Kältemitteln – können wir hiermit verdichten. Im Moment fokussieren wir uns aufgrund der F-Gas-Verordnung und im Kontext der PFAS-Diskussion ganz klar auf R290. Wir haben aber auch Verdichter, zum Beispiel für Rechenzentren oder die Märkte in den USA und APAC, wo wir mit R 1234 ze als A2L-Kältemittel ins Rennen gehen. Das ist sehr turbofreundlich und erreicht sogar noch bessere Effizienzen als mit R290.
KältenKlub: Ihr konkurriert ja direkt mit dem Scroll-Verdichter. Wie sieht es denn mit der Effizienz aus?
Philipp handschuh: Aufgrund dieser Lagerung mit den sehr kleinen Spalten, die wir fahren können, haben wir sehr effiziente Verdichter. Wir gehen davon aus, dass wir den vergleichbaren Scroll mit variabler Drehzahl im Feld um ungefähr 20 bis 30 Prozent übertreffen. Wichtig zu betonen ist: Der Verdichter selbst hat eine gewisse Effizienz, die wir an das physikalisch mögliche Maximum schrauben. Aber der wirkliche Effizienzsprung kommt im Kontext mit der Ölfreiheit im Kältekreislauf. Man muss kein Öl mitbewegen, man muss nicht schauen, dass es zurückkommt, und Themen wie „Oil Fouling“ fallen natürlich weg.
Vom Ventilator-Know-how zum Turbo-Kompressor.
KältenKlub: Wenn ihr den Verdichter ausschaltet, muss er ja anhalten. Dann liegt die Welle auf dem Lager auf. Gibt es da nicht Reibung?
Philipp handschuh: Doch, natürlich. Die Welle legt sich in dem kleinen Spalt zwischen Gehäuse und Welle schlichtweg ab. Durch die Materialpaarung – wir hatten es vorhin von Keramik – haben wir den Teil, auf den sie sich ablegt, ebenfalls hart ausgeführt. Dadurch haben wir zwar eine Verschleißsituation, die aber so gering ausfällt, dass wir davon ausgehen, auch nach einer Million Start-Stopps keinen nennenswerten Verschleiß feststellen zu können. Gemessen haben wir das im Moment bis 890.000 Zyklen.
Einblick ins Technikum: Vom Prototyp zur Serie
Philipp handschuh: Wir sind jetzt hier in unserem High-Speed-Technikum. Das ist unsere Laseranlage, auf der wir die Rillen, die wir uns vorhin angeschaut haben, auf die jeweiligen Teile aufbringen. Alle Prozesse, die wir hier im Technikum haben, sind serienadäquate Prozesse. Wir nutzen sie nicht nur für die Prototypenerstellung, sondern auch für die Kleinserie und die Prozessentwicklung für die Großserie. Wir haben von Anfang an die Kostensituation im Auge und achten bereits bei der Konzeption der Maschine darauf, sie auf Serientauglichkeit auszulegen.
KältenKlub: Dadurch, dass ihr hier in Kleinserie fertigt, habt ihr kurze Dienstwege, wenn ihr eine Änderung ausprobieren wollt?
Philipp handschuh: Genau. Gleichzeitig haben wir auch eine Verfügbarkeit für Kunden. Wir machen das nicht im stillen Kämmerlein, sondern entwickeln begleitend und haben Kundenmuster zur Verfügung. Ausgewählte Kundenprojekte laufen jetzt mit R 290 und R 1234 ze an. Jeder interessierte Kunde, der da mit uns zusammenarbeiten möchte, ist hiermit herzlich eingeladen.
Wir optimieren unsere Produkte in Abstimmung mit den Kunden
KältenKlub: Das heißt, ihr baut das Kundenfeedback direkt in die Entwicklung mit ein?
Philipp handschuh: Exakt. Wir optimieren unsere Produkte in Abstimmung mit den Kunden und schauen, dass wir eine bestmögliche Lösung für den Markt und für die Zukunft zur Verfügung stellen können.
KältenKlub: Wenn man mehr von euch wissen will, wo kann man da hinschauen?
Philipp handschuh: Standardmäßig natürlich auf unserer ebm-papst Homepage oder über die jeweiligen Vertriebskollegen. Ich würde mich natürlich freuen, wenn sich der eine oder andere nach diesem Video direkt bei uns meldet.
KältenKlub: Vielen Dank für das Gespräch und die Tour.
Bild: KältenKlub
Die Beschichtung in Rillenform leitet das Kältemittel in einen konzentrierten Bereich. Dadurch bildet sich das Gaslager.
Bild: KältenKlub
In der Laseranlage wird graviert. Natürlich nach Geheimrezept.
Bild: KältenKlub
In diesem kleinen Rad stecken 12 kW thermische Leistung.