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Interview Mit Monika Witt von Eurammon

Natürliche Kältemittel als Alternative

KK-Redaktion: Ab 2010 dürfen EU-weit nur noch wiederaufbereitete HFCKW verwendet werden, fünf Jahre später sind alle HFCKW wie z.B. das R22 ohne Ausnahme verboten. Ist die Kälte- und Klimabranche darauf vorbereitet?

Witt: Die Branche ist zwar darauf vorbereitet und in der Lage, maßgeschneiderte Konzepte anzubieten, jedoch reagieren viele Kunden noch sehr abwartend und schieben das Thema zurück.

KK-Redaktion: Welche Kunden der Kälteanlagenbauer sind von diesem Ausstiegsszenario besonders betroffen und wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf?

Witt: In der Industriekälte sind natürliche Kältemittel schon allein aus Gründen der Energieeffizienz Ammoniak ist das anerkannt wirtschaftlichste Kältemittel überhaupt immer bevorzugt eingesetzt worden. Es gibt aber auch eine Reihe industrieller Kälteanlagen, die noch mit HFCKW betrieben werden. Das gilt insbesondere für Frankreich. In der Gewerbekälte werden ebenfalls häufig noch synthetische Kältemittel eingesetzt.

KK-Redaktion: Hierbei muss jedoch ergänzt werden, dass chlorfreie, synthetische Kältemittel nicht mit Verboten belegt sind. Allerdings gilt beispielsweise bei HFKW dafür die F-Gase-Verordnung. Es muss also scharf unterschieden werden. Welche Alternativen bieten sich nun den Kälteanlagenbauern, Betreibern und Planern?

Witt: Das passende Anlagenkonzept muss in jedem Einzelfall gesondert entwickelt werden pauschal kann hier keine Aussage getroffen werden. Ammoniak, Kohlendi­oxid und Kohlenwasserstoffe bieten aber in vielen Fällen die bessere Alternative.

KK-Redaktion: Wie werden sich Angebot und Preise recycelter HFCKW entwickeln?

Witt: Aufgrund der bekanntermaßen recht hohen Leckraten von Anlagen mit HFCKW gehen wir nicht von einem großen Angebot an recycelten HFCKW aus. Dementsprechend hoch wird wohl auch der Preis ausfallen.

Es gibt für nahezu jede Anwendung eine Lösung mit natürlichen Kältemitteln. Wichtig ist nur, dass Kälte­anlagenbauer, Betreiber und Planer offen dafür sind.

KK-Redaktion: Was müssen Anlagenbauer und Anwender berücksichtigen, die sich für HFKW entscheiden?

Witt: Aufgrund des hohen Treibhauspotenzials (Global Warming Potential, GWP) ist auf eine besonders dichte Ausführung der Kälteanlage zu achten. Hinzu kommt, dass sich Leckagen nur schwer lokalisieren lassen. Der Gesetzgeber sieht daher eine wiederkehrende Prüfung alle sechs beziehungsweise zwölf Monate je nach Größe der Kälteanlage vor. Zusätzlich müssen die nachgefüllten Kältemittelmengen genau dokumentiert werden.

Langfristig ist jedoch mit einem Verbot von HFKW zu rechnen. Schon jetzt forscht die chemische Industrie an Ersatzkältemitteln, die aber nicht unproblematisch sind. Das derzeit in der Entwicklung befindliche Kältemittel HFO 1234 yf ist außerdem in der Herstellung wesentlich teurer als natürliche Kältemittel.

KK-Redaktion: Für wen lohnt sich der Umstieg auf natürliche Kältemittel?

Witt: Wer eine nachhaltige und energie­effiziente Kälteanlage sucht, ist bei natürlichen Kältemitteln richtig. Ammoniak, Kohlendioxid und Kohlenwasserstoffe bewahren die Erdatmosphäre vor Überhitzung und schützen die Ozonschicht. Natürliche Kältemittel sind effizient und sorgen für niedrige Betriebskosten. Außerdem sind sie preisgünstig und in großen Mengen verfügbar. Am Ende der Laufzeit einer Anlage lassen sich natürliche Kältemittel einfach entsorgen.

KK-Redaktion: Können natürliche Kältemittel für alle HFCKW-Anwendungen eingesetzt werden?

Witt: Es gibt für nahezu jede Anwendung eine Lösung mit natürlichen Kältemitteln. Wichtig ist nur, dass Kälteanlagenbauer, Betreiber und Planer offen dafür sind.

KK-Redaktion: Lassen sich HFCKW-Anlagen auf natürliche Kältemittel umrüsten?

Witt: Eine Umrüstung ist in der Regel schwierig, da entweder die verwendeten Materialien nicht geeignet sind (z.B. eignet sich Kupfer nicht für Ammoniak) oder die Drücke höher als in der bestehenden Anlage liegen (z.B. werden Kohlendioxidanlagen mit Verdampfungstemperaturen von etwa 10 °C für 40 bar ausgelegt). Daher bieten sich natürliche Kältemittel vorwiegend für Neuanlagen an. Aber in Einzelfällen ist auch eine Umrüstung möglich.

Wir gehen nicht von einem großen Angebot an recycelten HFCKW aus. Dementsprechend hoch werden wohl auch die Preise ausfallen.

KK-Redaktion: Welches natürliche Kältemittel bietet sich für welche Anwendung besonders an?

Witt: Bei tiefen Temperaturen ist Kohlen­dioxid häufig eine gute Wahl, während sich Ammoniak besonders für industrielle Zwecke über 35 °C eignet. Propan wird gern in der chemischen Industrie verwendet und ist gut bei moderaten Temperaturen einsetzbar. Darüber hinaus gibt es auch noch Gemische wie das Azeotrop R 723, das aus Ammoniak und Dimethylether besteht und beispielsweise den Einsatz von luft­gekühlten Verflüssigern auch in unseren Breiten erlaubt.

KK-Redaktion: Welche Vorschriften müssen beim Einsatz natürlicher Kältemittel beachtet werden?

Witt: Die DIN EN 378 Kälteanlagen und Wärmepumpen sicherheitstechnische und umweltrelevante Anforderungen gilt für alle Kälteanlagen innerhalb Europas gleichermaßen. Darüber hinaus gibt es regional unterschiedliche Vorschriften für das Betreiben von Kälteanlagen. Eurammon setzt sich deshalb in Brüssel dafür ein, dass diese Vorschriften innerhalb der EU vereinheitlicht werden.

KK-Redaktion: Wie geht es nach 2015 mit den Kältemitteln weiter?

Witt: In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Leckraten von Kälteanlagen mit geruchlosen Kältemitteln deutlich über den geschätzten 13 % liegen, Raten von 10 % sind durchaus üblich und im Pkw-Bereich liegen sie sicherlich noch deutlich höher. Werden die Anlagen nicht dichter ausgeführt, ist deshalb schon jetzt absehbar, dass Kältemittel mit einem hohen GWP-Wert ab 2015 verboten werden. Es ist jetzt Aufgabe der Politik, klare Ziele vorzugeben. Wir sind uns sicher, dass zur Erreichung dieser Ziele Alternativen zur Verfügung gestellt werden können. Es gibt immer einen Weg, wenn das Ziel klar definiert ist!-

Links

https://www.eurammon.com/

Kommentar

Die bekanntermaßen recht hohen Leckraten von Anlagen mit HFCKW und deren Quantifizierung mit 10 % per anno wird nicht jeder widerspruchslos stehen lassen wollen. Es fehlen jedoch immer noch ­verlässliche Messwerte in ausreichender Menge, um hier zu einem fundierten Urteil zu kommen. Die Folgen sind absehbar: Auch ohne Grundlage werden sich die Eurokraten nicht davon abhalten lassen, irgendwann irgendwelche Verbote zu erlassen. Bestes Beispiel aus der jüngsten Zeit ist das Glühbirnenverbot. Ob dieses unterm Strich tatsächlich Ressourcen einspart, ist umstritten. Fest steht nur, dass jede Menge quecksilberhaltiger Giftmüll erzeugt wird, der sicher zum größten Teil im Hausmüll landet. Wahrscheinlich hatte ein Lobbyist der Leuchtstoffröhrenhersteller einfach nur zur richtigen Zeit das richtige Ohr zum Einsagen gefunden. U.B.

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