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F-Gase in Europa: Drehen die EU-Politiker jetzt völlig durch?

Noch längst nicht aller Tage Abend

Der folgende Artikel soll dabei helfen, den Kontext besser zu verstehen und damit gleichzeitig etwas zu entschärfen, auch wenn das Signal der Umweltpolitiker im Europaparlament selbstverständlich ernst genommen werden muss und sofortiges Handeln erfordert.

Warum eine Überarbeitung?

Warum wird die F-Gase-VO überhaupt überarbeitet? Schließlich wird sie erst seit ein paar Jahren in ganz Europa umgesetzt, und manche Länder hinken mit der Implementierung noch immer hinterher. Tatsächlich ist die Revision bereits unter Artikel 10 der Verordnung vorgesehen. Hier heißt es, dass die EU-Kommission bis Mitte 2011 prüfen muss, ob die F-Gase-VO ihren Zweck erfüllt und die Emissionen reduziert. Genau das hat die EU-Kommission getan und ist zu dem Schluss gekommen, dass weitere Reduzierungen erforderlich sind, um die Zielsetzungen der EU für eine kohlenstoffarme Wirtschaft bis 2050 zu erfüllen. Ergebnis: der neue Gesetzesentwurf, den die EU-Kommission Ende 2012 vorgelegt hat, und der als wichtigste Neuerung einen Phase-down der HFKWs um 79 Prozent bis 2030 in Europa vorsieht.

Die Position der EU-Kommission

Warum solch drastische Maßnahmen, mag sich der Ingenieur jetzt fragen, obwohl die F-Gase doch weniger als zwei Prozent zu den Gesamtemissionen beitragen und obwohl der Löwenanteil der Emissionen durch den Energieverbrauch und nicht etwa durch die direkten Leckagen verursacht wird. Die Antwort darauf ist für manch einen schwer zu akzeptieren: hier ist die Politik am Werk. Nordamerika, Mexiko und Mikronesien fordern seit nunmehr fünf Jahren einen Phase-down der HFKWs im Rahmen des Montrealer-Protokolls. Die EU unterstützt diese Forderung in diesem Forum. Es wäre schlichtweg nicht glaubhaft gewesen für EU-Klimakommissarin Hedegaard, in der EU von einem Phase-down abzusehen, während sie diese Maßnahme in der internationalen Arena unterstützt. Hinzu kommen der Flop des Kopenhagener Klimagipfels 2009 und die nur schleppenden Fortschritte unter dem Kyoto-Protokoll. Die Revision der F-Gase-VO der EU ist für Connie Hedegaard eine goldene Gelegenheit, der internationalen Gemeinde mit einem Phase-down in Europa „den Weg zu weisen“ und die Rolle Europas als „Leader“ in klimapolitischen Angelegenheiten zu untermauern.

Die Position des Umweltausschusses

Das dürfte den Ansatz der EU-Kommission zur Revision der F-Gase-VO erklären. Warum gibt sich das EU-Parlament mit diesem Ansatz nicht zufrieden? Auch hier ist die Erklärung in der Politik zu finden. Der EU-Gesetzgebungsprozess sieht vor, dass die Kommission einen Gesetzesvorschlag ent­wickelt, der als Grundlage für die Verhandlungen zwischen EU-Parlament und -Rat dient. Im Rat sitzen alle 28 EU-Mitgliedsstaaten. In diesem Prozess können beide Institutionen extrem weitreichende Änderungen einbringen. Im Endeffekt müssen sich jedoch alle Beteiligten auf einen Kompromiss einigen. Je nachdem, wie weit die Meinungen von Parlament und Rat auseinandergehen, kann dies sehr schnell gehen oder sehr lange dauern.

Im aktuellen Fall der F-Gase-VO befinden wir uns noch am Anfang dieser Verhandlungen. Bislang hat lediglich der Umweltausschuss im Parlament d. h. gerade mal neun Prozent der über 700 Abgeordneten über mehr als 400 Änderungsvorschläge von Parlamentariern aus ebendiesem Ausschuss abgestimmt. Das Ergebnis ist bekannt: Die Umweltpolitiker haben sich für eine Steilvorlage entschieden und fordern (u. a. mit klarer Mehrheit), ein HFKW-Verbot in stationären Kälte- und Klimaanlagen ab 2020. Außerdem haben sie mit der Abstimmung dem niederländischen Abgeordneten Bas Eickhout (die Grünen) ein Mandat erteilt, direkt die Verhandlungen mit dem Rat aufzunehmen. Die restlichen rund 600 Abgeordneten des Parlaments werden erst später bei der Plenarabstimmung involviert. Was ist der Grund für diese Steilvorlage?

Die Position des Rates

Die EU-Mitgliedsstaaten beraten derzeit über ihre Position zum Entwurf der EU-Kommission und zu den Änderungsvorschlägen des Umweltausschusses. Die Parlamentarier können jedoch erwarten, dass ihre Forderungen in den Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten, von denen viele mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen haben, abgeschwächt werden. Gleichzeitig haben sie ein Interesse daran, die Verordnung möglichst schnell zu einem Abschluss zu bringen, denn im Juni 2014 sind Parlamentswahlen und eine ehrgeizige F-Gase-VO kann ein attraktives Argument für ihre Wiederwahl sein. Aus diesen Gründen ist es im Interesse des Umweltausschusses, die Messlatte so hoch wie möglich zu legen und außerdem die Verhandlungen mit dem Rat, zunächst ohne Einbeziehung des gesamten Parlaments, zu führen. Mit anderen Worten: Die Umweltpolitiker dürften von vornherein damit kalkulieren, dass nicht alle Vorschläge des Umweltausschusses die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten „überleben“ werden und dass das gesamte Parlament in der Plenarsitzung dann über eine abgespeckte Version abstimmen wird.

Was heißt das für die Branche?

Es ist noch längst nicht aller Tage Abend! Vielmehr wurde das politische „Machtspiel“ mit der Abstimmung des Umweltausschusses jetzt erst richtig eröffnet. Die nächsten Wochen sind entscheidend für die Positionsfindung der Mitgliedsstaaten, der Start der offiziellen Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission dürfte in diesem Herbst zu erwarten sein. Im Klartext heißt das:

1. Eine neue F-Gase-VO ist frühestens für Anfang 2014 zu erwarten, vorausgesetzt, die EU-Institutionen nähern sich in ihren Positionen einander an. Alle bislang vorliegenden Positionen sind reine, teilweise hochpolitische Verhandlungspositionen, keine endgültigen Texte.

2. Konstruktive Verbandsarbeit auf nationaler und europäi­scher Ebene ist wichtiger denn je, denn gerade jetzt ist ein kritischer Moment, um den nationalen Regierungen erneut den Standpunkt der Branche klarzumachen und technischen Realismus in die Debatte zu bringen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Umweltausschuss vorgeschlagenen Verbote.

3. Das Phase-down-Prinzipder HFKWs dürfte fester Be-standteil der kommenden Verordnung sein aber es sind noch viele Fragen offen, wie zum Beispiel: auf welchem Level wird der Phase-down starten, welche Reduktionsschritte sind machbar, wo wird er enden etc. AV -

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