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Energetische Optimierung eines Tegut Lebensmittelfachmarkts

Kohlendioxid sorgt für Kälte und Wärme im Supermarkt

    In den letzten Jahren erlebt Kohlendioxid (R744) als natürliches Kältemittel eine Renaissance und bietet mittlerweile auch in der Gewerbekälte eine echte Alternative zu HFKW-Kältemitteln. Sowohl im Tiefkühl(TK)- als auch im Normalkühl(NK)-Bereich kann heute Direktexpansion (DX) eingesetzt werden. Die höheren Drucklagen im Vergleich zu herkömmlichen Kältemitteln sind heute technologisch gut beherrschbar und stellen kein größeres Risiko dar.

    So werden bei Cooltec-Kälteanlagen durch eine Prozessführung mit zweistufiger Expansion Drucklagen von bis zu 100bar nur außerhalb der Verkaufs- und Lagerräume erreicht und das auch nur bei hochsommerlichen Außentemperaturen, bei denen ein transkritischer Betrieb erforderlich ist.

    Das vereinfachte RI-Fließbild zeigt beispielhaft die Kälteanlage im Tegut-Markt Lorsch mit den auftretenden Druckniveaus. Die Aufstellungsbereiche sind farblich hervorgehoben.

    Kälteleistung bei reduziertem Volumen

    Die höheren Drucklagen resultieren aus den physikalischen Eigenschaften des Kältemittels CO2. Seine um vier- bis sechsfach erhöhte volumenbezogene Kälteleistung im Vergleich zu HFKW-Kältemitteln wie R404a erlaubt deutlich reduzierte Rohrdurchmesser.

    Bei der gewählten Prozessführung ist das Produkt aus Druck und Volumen als Kenngröße für das Gefährdungspotenzial durch Überdruck nicht größer als bei R404a- oder R134a-DX-Anlagen bei deutlich niedrigerer Füllmenge. Zudem besitzt CO2 sehr gute Wärmeübertragungs-Eigenschaften, wodurch die Verdampfungstemperatur durchschnittlich um 2K angehoben werden kann.

    Kälte und Wärme mit System

    Neben der Prozessführung und den eingesetzten Komponenten selbst spielt die elektronische Regelung eine zentrale Rolle, um solche Anlagen sicher und effizient betreiben zu können. Die regelungstechnische Verknüpfung von Kältetechnik und Gebäudeautomation bietet den zusätzlichen Vorteil eines integrierten Energiemanagements.

    Ein interessanter Aspekt ist hierbei die Nutzung der Abwärme des Heißgases nach der Verdichtung, z.B. um Trinkwasser zu er­wärmen. Dazu eignet sich CO2 in besonderer Weise aufgrund seiner thermodynamischen Eigenschaften im unterkritischen wie auch im transkritischen Betrieb. Im Folgenden wird beleuchtet, welche speziellen regelungstechnischen Anforderungen dies an der Schnittstelle zwischen Kältetechnik und Wärmerückgewinnung erfordert.

    Als Beispiel dient ein Tegut-Lebensmittelfachmarkt, den die ­Carrier Kältetechnik Deutschland GmbH und die Eckelmann AG Ende letzten Jahres mit einer transkritischen CO2-Kälteanlage inklusive Wärmerückgewinnung sowie einer durchgängigen Gebäudeautomation ausgestattet haben. Neben der Kälteanlage werden Beleuchtung, Klimaanlage, Heizung und Lüftung zentral überwacht und geregelt.

    Der kompakte Verbundkältesatz kühlt 49m Kühlregale, 17m Theken, 19m Tiefkühlschränke, 10m Tiefkühlinseln sowie drei Kühlräume und einen TK-Raum. Die Kälteleistung beträgt für NK etwa 70kW und für TK rund 20kW.

    Konzepte für mehr Energieeffizienz

    Innovative Kälte- und Regelungstechnik ist bei weitem nicht alles, was in einem Lebensmittelmarkt für mehr Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit getan werden kann. Die eingesetzten Kühlregale für Normalkühlprodukte verfügen über rahmenlose Isolierglastüren, die alle temperaturempfindlichen Produkte vor störenden Umwelteinflüssen schützen. Die Glastüren verhindern das Herausfallen von kalter Luft und beugen so der Entstehung kalter Gänge vor.

    Gleichzeitig wird der Fremdlufteinfall in die Kühlregale erheblich reduziert, was die Standzeit der Verdampfer verlängert und so die Anzahl der Abtauungen senkt. In der Summe reduziert sich der Energiebedarf durch den Einsatz von Glastüren, LED-Beleuchtung und energieeffizienter EC-Ventilatoren um etwa 49%, wie es grafisch im Diagramm zu Ecube, einem Maßnahmenpaket von Carrier für Kühlmöbel zur Energieeinsparung, dargestellt ist.

    Die Energieeinsparung durch die Glastüren von 38% bezieht sich auf eine Türöffnungsfrequenz nach DIN-ISO23953 von sechs pro Stunde. Für die hier eingesetzten Möbel bedeutet dies sechs Öffnungen für jede der zwölf Glastüren im zeitlichen Versatz. So hätte das Möbel in Summe 72 Öffnungen pro Stunde, im zeitlichen Abstand von weniger als einer Minute. In der Praxis kann bei umsatzstarken Produktgruppen eine höhere Türöffnungsfrequenz auftreten, so dass die Energieeinsparung niedriger ausfällt.

    Für die Tiefkühl-Glastürschränke kommen zusätzlich Antikondensat-Scheiben zum Einsatz. Eine spezielle Beschichtung absorbiert die Luftfeuchtigkeit und verhindert das Beschlagen der Scheiben beim Öffnen der Türen. Hierdurch kann auf die Antikondensatheizung der Scheiben verzichtet werden. In der Summe reduziert sich der Energiebedarf hier um etwa 25%.

    Die technischen Maßnahmen werden durch Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergänzt, denn der Faktor Mensch bleibt bei aller technischer Innovation und Automatisierung immer eine entscheidende Größe im System Lebensmittelmarkt.

    Heißwassererzeugung mit Abwärme

    Bekanntlich entdeckte Thomas Andrews in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass oberhalb der sog. kritischen Temperatur der Unterschied zwischen flüssig und gasförmig verschwindet man spricht wegen der für ein Gas ungewöhnlich hohen Dichte gelegentlich auch von einem überkritischen Fluid.

    Dass oberhalb des kritischen Punktes keine Kondensation mehr stattfindet und man bei der Verdichtung hohe Endtemperaturen erreicht (flach verlaufende Isentropen), schafft ideale Voraussetzungen für die Wärmerückgewinnung im transkritischen Kreisprozess. Im logp,h-Diagramm ist der NK-Kreisprozess einmal transkritisch mit einem Hochdruck (HD) von 95bar und einmal unterkritisch mit einem HD von 55bar dargestellt. Die TK-Verdichter arbeiten in einer Booster-Schaltung. Bei Verdichtungsenddrücken von 95bar kann das transkritische Fluid Temperaturen von 120°C erreichen.

    Entscheidend für die Wärmerückgewinnung ist, dass im trans­kritischen Betrieb die Wärmeabgabe anders als bei gewöhnlichen Kältemitteln nicht unter Kondensation bei konstanter Temperatur stattfindet, sondern dass die Wärme bei der isobaren Abkühlung unter stark gleitender Temperatur an ein anderes Medium übertragen werden kann. Die hervorragenden Wärmeübertragungseigenschaften von CO2 wirken sich zusätzlich positiv aus. Wasser lässt sich in einem Wärmetauscher damit von 10 auf 60 bis 90°C erwärmen. Ein vergleichbarer Temperaturgradient kann mit anderen Kältemitteln nicht realisiert werden. Allerdings wird die Kälteanlage nur an heißen Sommertagen trans­kritisch betrieben, in Mitteleuropa jedoch 85% des Jahres unterkritisch.

    Der charakteristische Verlauf der Isentropen des CO2 ist dafür verantwortlich, dass auch bereits im unterkritischen Betrieb hohe Verdichtungsendtemperaturen erreicht werden. Außerdem und das ist ein entscheidender Vorteil von CO2 bei der Wärmerückgewinnung steht ein größerer Anteil an Wärme des überhitzten Gases für die Wärmerückgewinnung zur Verfügung. Denn die Wärme wird auch im unterkritischen Betrieb zunächst unter stark gleitender Temperatur an ein anderes Medium abgegeben, bevor es in den Nass-Dampf-Bereich eintritt und unter konstanter Temperatur kondensiert.

    In der Praxis kann so bei Verflüssigungstemperaturen zwischen 18°C und 30°C ohne eine Anhebung der Verflüssigungstemperatur, welche zusätzliche elektrische Energie benötigen würde, ein etwa dreifach höherer Anteil der Abwärme genutzt werden als bei den Kältemitteln R404a und R134a.

    Kältemittel im Vergleich

    Die Grafik zur Wärmerückgewinnung zeigt den Anteil der nutzbaren Abwärme für 100kW Kälteleistung. Die Verhältnisse bei R404a und R134a sind ungefähr gleich. Der Anteil nutzbarer Abwärme für die Trinkwassererwärmung steigt von etwa 8kW (6%) bei tc=20°C auf rund 19kW (14%) bei tc=30°C.

    Zu erwähnen ist auch, dass die gewünschte Speichertemperatur von 60°C nicht erreicht werden kann. Es muss nachgeheizt werden, da die Verdichtungsendtemperaturen zu niedrig sind.

    Demgegenüber sehen die Verhältnisse mit CO2 wesentlich günstiger aus. Der Anteil nutzbarer Abwärme steigt von 22kW (18%) bei tc=18°C auf etwa 58kW (43%) bei tc=28°C. Die Verdichtungs­endtemperaturen sind mit 60 bis über 80°C ausreichend, um den Speicher vollständig aufzuheizen.

    Die regelungstechnische Aufgabe

    Bei dem Tegut-Markt in Lorsch entschied man sich für einen 750-Liter-Trinkwasser-Wärmespeicher mit innenliegender, doppelwandiger Rippenrohrwendel vom System DK, der über ein Bypassventil in den Kältekreislauf integriert ist. Das verdichtete Gas kann sowohl direkt zu dem Gaskühler außerhalb des Gebäudes geleitet werden als auch zuvor noch den speziell für hohe Drücke ausgelegten Wärmetauscher passieren. Im Speicher angeordnete Wärmetauscher haben gegenüber externen Wärmetauschern einen höheren Wirkungsgrad und eine bessere Wasserschichtung.

    Das Wasser wird auf einen Sollwert von 60°C temperiert. Zur Legionellenbekämpfung wird das System jeden Sonntag mit einem elektrischen Heizstab auf 70°C hochgeheizt. Es wäre jedoch denkbar, die Legionellenschaltung auch durch eine temporäre leichte Erhöhung des Verdichtungsenddruckes zu realisieren, was einer Verflüssigungstemperatur von etwa 28°C entspräche.

    Die Regelung und Überwachung der Temperatur des Wassers übernimmt eine frei auf Basis IEC 61131 programmierbare GLT-Steuerung aus der ELDS-Serie von Eckelmann.

    Welches sind nun die regelungstechnisch relevanten Größen? Die Leistungszahl ist von der Austrittstemperatur des Kohlendioxids nach der Enthitzung durch den Wärmetauscher abhängig: Je niedriger die Endtemperatur bei der isobaren Abkühlung, desto höher ist die Leistungszahl. Deshalb wird im Wärmerückgewinnungs-Betrieb für Heizungszwecke zusätzlich TWRG-Austritt gemessen und zur Berechnung des optimalen Hochdrucks herangezogen. Der Sollwert für TGaskühler-Austritt bleibt mit und ohne Wärmerückgewinnung derselbe und wird zur bedarfsgerechten, kontinuierlichen Regelung der Gaskühlerventilatoren herangezogen.

    Der Sollwert für die Gaskühleraustrittstemperatur wird über die Außentemperatur geschoben. Er kann so möglichst niedrig gehalten werden, damit der Anteil der für die Kühlung nutzbaren Enthalpie möglichst hoch ist und der Verflüssigungsdruck über das Hochdruckregelventil möglichst niedrig ausgeregelt werden kann. Aufgrund der hohen Drucklage des CO2 kann die Verflüssigungstemperatur bis auf 10°C gesenkt werden. Dies wird auch durch die elektronischen Expansionsventile (EEV) an den Kühlstellen unterstützt.

    An der Schnittstelle zwischen Kälte- und Gebäudeleittechnik übergibt die Verbundsteuerung ein digitales Signal, ob der Verdichter läuft. Umgekehrt übergibt die GLT an die Verbundsteuerung ein Signal, ob Bedarf für Wärmerückgewinnung besteht. Damit kann der optimale Hochdruck für den WRG-Betrieb für Heizzwecke angepasst werden.

    Regelungstechnische Integration

    Insbesondere bei der regelungstechnischen Umsetzung von Schnittstellen zwischen Kälteanlage und Gebäudeautomation wie hier bei der Wärmerückgewinnung bietet eine flexible Regelungselektronik aus einer Hand zahlreiche Vorteile: Die Vernetzung aller Steuerungsgeräte und Sensoren kann einfach und flexibel über CAN-Bus-Technologie bewerkstelligt werden.

    Für die Verbundkälteanlage kommt ein neu entwickelter Regler zum Einsatz, welcher alle notwendigen Funktionen für den transkritischen Betrieb integriert hat. In den Kühlstellen selbst sorgt jeweils ein Kühlstellenregler über elektronische Expansionsventile (EEV) für einen energieoptimierten Betrieb und überwacht die Temperaturen. Auch die Rahmen- und Scheibenheizungen werden über den Kühlstellenregler angesteuert.

    Das System wird durch einen Marktrechner inklusive Fern­überwachung abgerundet, welcher die Marktleitung beim Energiemanagement unterstützt und vielleicht auch Ideen für weitere Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz gibt. Der Lebensmittelmarkt ist thermodynamisch und energetisch betrachtet ein komplexes Gebilde. Intelligente Hard- und Software hilft, es zu begreifen und zu beherrschen.

    Fazit

    Die zentrale Schnittstelle zwischen Gebäudeleittechnik und Kältetechnik ist die Wärmerückgewinnung. Die Hersteller Carrier und Eckelmann haben eine innovative Software-Lösung für die Regelungstechnik im Tegut-Markt in Lorsch realisiert auf Basis von Regler-Hardware aus dem ELDS-System. Die Betriebskosten werden durch solche zukunftsweisenden Kältekonzepte in Verbindung mit intelligenter Steuerungstechnik signifikant gesenkt. Die Technologien helfen, die direkten und indirekten Emissionen des Lebensmittel­einzelhandels effektiv zu reduzieren und führen so zu einem nachhaltigen, ressourcen- und umweltschonenden Wirtschaften. -

    Links

    http://www.carrier-kt.de

    https://www.eckelmann.de/

    http://www.tegut.de

    Felix Berthold M.A.,

    Wissenschaftsjournalist, ­Pressebüro Schwitzgebel, ­Oppenheim

    Dipl.-Ing. Bernd Heinbokel,

    PE Energy Consulting, Natural Refrigerants Carrier Kälte­technik Deutschland GmbH, Köln

    Dr. Frank Uhlemann,

    Leiter des Geschäftsbereichs Kälte- und Gebäudeleittechnik Eckelmann AG, Wiesbaden

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