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Kältetechnik für Katar - Teil drei

Ein wüstes Ende

Jede Menge Kältemittel. Kleine Flaschen wären hier einfach nicht sinnvoll gewesen.

Bild: P&P

Jede Menge Kältemittel. Kleine Flaschen wären hier einfach nicht sinnvoll gewesen.

Alles runterfahren und nochmal von vorn. Mit diesen Worten schalten wir das große Pumpengestell ab, sperren Ventile zu und öffnen die Filtergehäuse. Es ist August und wir sind mitten in der heißen Phase der Inbetriebnahme. Im Maschinenraum ist es gewohnt laut, die Kältekreise sind alle in Betrieb und nun fehlt noch die Versorgung der Kühlstellen mit Kaltsole. Keine 15 Minuten läuft der NK-Solekreis, bevor die Differenzdruckschalter wieder Alarm schlagen. Schon zum dritten Mal in Folge befreien wir die Siebfilter von einer Mischung aus grobem Schmutz, Metallspänen, Abfall und schlimmeren Dingen. Der Geruch bestätigt eine Vermutung: Während der Installationsphase nutzten Unbekannte das noch unfertige Rohrsystem als Alternative zu weit entfernten Müllbehältern und Toiletten. So ein 136 mm Edelstahl-Rohrende ragt dann scheinbar doch zu verlockend aus dem Boden. Wir fotografieren den Fang des Tages und spülen die Siebe mit Wasser aus. Pumpen an, fertig.

Doch die Anlage ist groß und es gibt viele Filter. Mittlerweile ist ein Zweimann-Team ausschließlich damit beschäftigt, von einem Pumpengestell zum nächsten zu laufen, sobald sich ein entsprechender Druckschalter meldet. Das macht die Inbetriebnahme nicht einfacher. Diese zieht sich gerade mehr in die Länge, als uns lieb ist und einige Schritte müssen auf andere warten. So können wir zwar die Kältekreise füllen und starten, aber nicht Leistung und Sicherheitsketten prüfen und einstellen. Dafür brauchen wir Wärme und Bewegung in den Solekreisen. Diese stehen alle Viertelstunde wieder still und damit auch der Rest des Gesamtsystems. Ein Teufelskreis. Denn auch dieser Rest soll nach dem sogenannten Inspection and Testing Plan (ITP) geprüft werden. Und dieser sieht verstopfte Filter nicht vor. Nach einigen Tagen laufen nun endlich die Pumpen dauerhaft durch, mehr oder weniger. Das ist auch gut so. Denn ein neues Problem zeichnet sich bereits am Horizont ab.

Die Sekundärkreise der Kälteanlagen sind mit insgesamt 121 Tonnen Sole gefüllt. Davon entfallen 87 Tonnen F 20 auf NK, 17 Tonnen F 30 auf Schnellabkühler und 21 Tonnen F 40 für die Tiefkühler. Der Schockfroster verdampft direkt. Das Gebäude selbst ist rund 150 Meter lang. Das macht Dehnungsfugen und damit Dehnungskompensatoren und -bögen für die Hauptleitungen notwendig. Diese wurden bei + 45 °C installiert und im Fall der Tiefkühler mit - 32 °C Sole gefüllt. Dadurch schrumpfen die Rohrleitungen um satte 61 mm auf der längsten Strecke. Die einzelnen Kühlstellen sind je nach Größe und Typ mit Dreiwege- oder Magnetventilen ausgestattet. Kälteleistung liegt so immer direkt an.

Der Fang des Tages, oder zumindest der Stunde. Die Siebfilter der ­Solepumpen können eine ganz eigene Geschichte erzählen.

Bild: P&P

Der Fang des Tages, oder zumindest der Stunde. Die Siebfilter der ­Solepumpen können eine ganz eigene Geschichte erzählen.

Cabinets

Ein Bäcker legt seine Brötchen nicht einzeln in den Ofen. Dafür hat er sogenannte Stikkenwagen. Diese sind grob 1,8 m hoch und kommen mit ihren 20 Blechen komplett in den Ofen. Tolle Sache. Dieses Konzept nutzen auch die sogenannten Cabinets. Das sind Ein- und Durchfahrkühlschränke, in die genau ein Wagen komplett hineinpasst und gekühlt wird. Dazu befinden sich die Cabinets direkt hinter einem Arbeitsplatz, an dem gerade Essen präpariert, geschnitten, belegt oder sonst irgendwie verarbeitet wird. Das hat gewisse Vorteile für den Arbeitsablauf. Der Weg in die Kühlung ist nur einen Handgriff entfernt, die Kälteleistung pro m³ ist enorm und die Wägen können schnell ausgetauscht und neu bestückt werden. Bei einem Kontrollgang vor der Sichtabnahme finden wir allerdings auch einige Nachteile: Polierte Oberflächen und Unachtsamkeit vertragen sich scheinbar nicht. Vor ein paar Tagen glänzten die Edelstahl-Flanken der Cabinets noch. Jetzt gibt es überall kleinere Kratzer und Dellen. Während wir noch spekulieren, wie das passieren konnte, trägt eine Gruppe Hilfsarbeiter ihre Leitern an uns vorbei. Diese stellen sie an einigen Cabinets an und klettern daran hoch. Denn durch die Wartungsklappen der Cabinets kommt man bequemer in die Zwischendecke, als mit einer offiziellen Anfrage, jene Decke öffnen zu lassen. Der Schaden ist da, die Täter auf frischer Tat ertappt. Unsere Kamera steht derweil nicht still, denn an solchen Beweisfotos hängt oftmals viel Geld. Mit unserem mittlerweile ganz brauchbaren Englisch sprechen wir sie darauf an, bekommen aber nur Fragezeichen und Zeichensprache zurück. Zeit für Plan B.

Die Sache wird offiziell und es beginnt einer dieser Email-Kriege, bei dem die Verantwortung für Schaden und Ersatz wie eine heiße Kartoffel herumgereicht wird. Und am Ende zahlt einer die Zeche. Die beschädigten Cabinets abzubauen, steht jedoch außer Frage, also bekommen die Oberflächen eine zweite Haut. Ein paar Wochen später sind diese Ersatzverkleidungen auch schon da und wir verteilen meterweise Zweikomponenten-Kleber. Das ist eine Menge Arbeit und bindet uns für einige Wochen. Aber immerhin will man uns den Schaden ersetzen. Versprochen.

Die Cabinets sind für das Cook-and-Chill - Verfahren optimierte Ein- und Durchfahrkühlschränke. Sie sind eigenständige Kühlstellen, inklusive Sole-Luftkühler, vollwertiger Steuerung und Vernetzung. Sie wurden für den Präparier- und Umschlagbetrieb von Lebensmitteln mit großem Volumendurchsatz entwickelt und fügen sich in die Logistik eines Catering - Betriebs ein. Insgesamt sind in der Catering Facility 102 Cabinets im Einsatz. Sie variieren zwischen 1,7 und 6 kW Kälteleistung pro Einheit und kühlen bis zu vier Wägen pro Stunde auf Solltemperatur herunter.

Durch die Wartungsklappe in die Zwischendecke. Dumm nur, dass dabei die Edelstahlverkleidung zerkratzt und eingedellt wrd.

Bild: P&P

Durch die Wartungsklappe in die Zwischendecke. Dumm nur, dass dabei die Edelstahlverkleidung zerkratzt und eingedellt wrd.

Ein Stück Heimat

Donnerstag, sechzehn Uhr, endlich Wochenende. Im arabischen Raum ist der Freitag so etwas wie ein Sonntag und damit frei, dafür wird samstags und sonntags gearbeitet. An diese Zeitrechnung haben wir uns längst gewöhnt. Auch daran, dass ein Feierabendbier in dem islamisch geprägten Land nicht so einfach zu bekommen ist, und dann auch nicht für kleines Geld. Erlaubt sind alkoholische Getränke überhaupt nur in den hoteleigenen Bars und Restaurants. Genau da finden wir uns auch ein paar Stunden später wieder. Wir laufen durch die Lobby an einem Klavier vorbei zum Sicherheitsdienst, der Besucherausweise für die Bar erstellt. Geduldig, aber durstig warten wir in der Schlange und beschließen, dass der Eingang und das Atrium des Sheraton Grand Hotel zu dezent und seriös für einen Wochenausklang sind. Eine Etage tiefer fühlen wir uns im Irish-Harp dann schon eher heimisch. Ein paar Handzeichen und eine Bestellung später genießen wir unser Bier für umgerechnet 7,50 Euro pro Glas. Das wird wieder einmal kein günstiger Abend.

Endspurt

Einige Wochen später sind wir dann auf der Zielgeraden. Die Anlagen kühlen, auch die Solekreise sind mittlerweile sauber und der Rest funktioniert ebenfalls. Es fehlt noch ein wenig kosmetische Arbeit und Dokumentation. Doch dann kippt die Stimmung ins Negative. Ein Projekt in dieser Größe lässt sich ohne Zwischenrechnungen und -zahlungen nicht finanzieren. Seit einiger Zeit jedoch wurden diese immer später vom Auftraggeber beglichen. Nun blieb die letzte Zahlung komplett aus. Für einen relativ kleinen Betrieb kann das schnell das Ende bedeuten, also steht kein Telefon still und das Büro in Deutschland setzt alle Hebel in Bewegung, die es finden kann. Wir versuchen derweil, so viele Punkte wie möglich auf der Abnahmeliste zu schließen. Wir ersetzen abgerissene Schalter, ziehen Silikonfugen nach oder füllen stapelweise Prüfprotokolle aus. Aber es ist bereits Mitte Dezember und die meisten Kollegen sind schon Richtung Weihnachtsurlaub geflogen. Sie gehen davon aus, den Rest im Januar fertigzustellen. Aber Rechnungen sind offen, das Geld bleibt aus. Und wir kommen nach Weihnachten nicht mehr wieder. Zwischen den Feiertagen überschlagen sich die Ereignisse und womit niemand ernsthaft gerechnet hatte, tritt nun ein. Die Firma ist insolvent.

Trotz gelieferter Arbeit und erfülltem Vertrag. Der Auftraggeber beschloss, nicht mehr zu zahlen und hat dafür eine zu 99 Prozent fertiggestellte Anlage bekommen. Uns beschleicht das Gefühl, dass dies Teil eines Plans war, oder zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Die Firma Prause & Partner konnte an diesem Punkt nicht mehr genug Kapazität aufbringen, um dem Kunden im Ausland etwas entgegenzusetzen. Scheinbar ist es möglich, nichts falsch zu machen und dennoch zu verlieren.

Diese Reportage entstand in Zusammenarbeit mit der P² Kältesysteme GmbH aus Goslar. Der Kältefachbetrieb ist der geistige und fachliche Nachfolger von Prause & Partner und beherbergt einen essenziellen Teil der früheren Belegschaft und damit des Know-Hows.

OB 

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