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Absorptionskälteanlagen in der industriellen Energieversorgung

Zehn Jahre Betriebserfahrungen mit Höhen und Tiefen

    Der Produktionsprozess für Halbleiter stellt ganz spezielle Anforderungen an die Stabilität und Verfügbarkeit der Energieversorgung. Die vollautomatisierten, computergesteuerten Produktionsmaschinen erfordern eine extrem stabile Spannungsversorgung. Der Gesamtproduktionsprozess findet in einem Reinraum statt, dessen Luftkonditionen Temperatur und Feuchte in sehr engen Grenzen gehalten werden müssen. Darüber hinaus benötigen die Pro­duktionsmaschinen eine sehr stabile Heiß- und Kühlwasserversorgung. Der gesamte Produktionsprozess bis zum fertigen Prozessor besteht aus mehreren hundert Einzelschritten und erstreckt sich über mehrere Wochen. Dabei ist jeder einzelne Schritt für die Ausbeute relevant.

    Aus diesen Anforderungen werden Toleranzwerte für die Lieferung von thermischen Energien abgeleitet, die ±1 °C, bei Kältelieferungen sogar ±0,5 °C betragen. Die Verfügbarkeit aller Energielieferungen muss zu 100 % sichergestellt sein.

    Die Grundlast der Kälteerzeugung wird von Absorptionskältemaschinen (ein- und zweistufig) übernommen, die die Abhitze von bis zu 18 BHKW in Form von Dampf und Heißwasser nutzen. Da der Kältebedarf des Kunden direkt vom Stromverbrauch abhängig ist (Rückkühlung der im Reinraum erzeugten Abwärme), herrschen ideale Bedingungen für einen Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb, da permanent eine große Wärmesenke zur Verfügung steht hoher Kältebedarf im Sommer und hoher Wärmebedarf im Winter. Der zur Verfügung stehende Dampf aus der Stromerzeugung kann über das ganze Jahr genutzt werden, darüber hinaus leisten die einstufigen Absorber einen Beitrag zur Wirkungsgradoptimierung, indem sie einen möglichen Heißwasserüberschuss ebenfalls zur Kälteerzeugung verwenden.

    Absorptionskälteanlagen decken die Grundlast ab

    Insgesamt sind am Standort sieben zweistufige und vier einstufige Absorptionskältemaschinen (LiBr-H2O) installiert, die eine Gesamtkälteleistung von bis zu 53,4MW liefern können. Grundsätzlich haben sich diese Maschinen als gute und zuverlässige Grundlastmaschinen erwiesen. Bei guten Betriebsbedingungen zeigen sie einen stabilen Betrieb, insbesondere die einstufigen Absorber sind völlig unproblematisch.

    Bei plötzlichen Lastanforderungen reagieren die Maschinen unter Berücksichtigung der genannten Temperaturtoleranzen häufig zu träge, so dass mit den ebenfalls installierten Turbokältemaschinen unterstützt werden muss. Die Absorber haben fast keine rotierenden Maschinenteile und sind damit theoretisch recht wartungsarm über die Lebensdauer der Anlage. Im Fall des EVC wird auch die Abwärme der Kältemaschinen erneut zurückgewonnen, so dass eine gute ­Ausnutzung der vorhandenen Wärme und damit ein hoher Jahreswirkungsgrad des Kraftwerks trotz der stromgeführten Fahrweise erzielt wird.

    Große Qualitätsunterschiede bei Serviceverträgen

    Die zuvor genannten Bedingungen hinsichtlich der Verfügbarkeit der Maschinen gelten naturgemäß auch und gerade für die installierten Kältemaschinen. Um die Versorgung sicherzustellen, wurden mit den Lieferanten der Anlagen Serviceverträge abgeschlossen. Allerdings ließ die Güte der angebotenen Dienstleistungen sehr zu wünschen übrig. Die mit der ersten Lieferung von fünf japanischen Absorptionskältemaschinen im Jahre 1998 mitgelieferte technische Dokumentation war unbrauchbar und auch die Fachkenntnis der für den Service der Maschinen zuständigen Techniker der Fachfirma war völlig unzureichend. Bereits nach 18 Monaten Betriebszeit setzte an den vier zweistufigen Maschinen ein starker Leistungsabfall ein, der zunächst nicht zu erklären war. Nach langwierigen und hilflosen Erklärungsversuchen durch die Fachfirma wurde schließlich festgestellt, dass der innere Korrosionsschutz durch den Korro­sionsinhibitor Li2CrO4 nicht mehr existierte und die Maschine durch Korrosionsangriff und Verschlammung mit Korrosionsprodukten nachhaltig geschädigt war. Es hatte weder in der Dokumentation noch durch die Fachfirma Hinweise darauf gegeben, dass der Korrosionsinhibitor mindestens quartalsweise überprüft und ggf. nachdosiert werden muss. Kurz nachdem Gewährleistungsansprüche geltend gemacht wurden, ging die Servicefirma in die Insolvenz.

    Die Sicherung der weiteren Instandhaltung der Maschinen erwies sich als sehr schwierig. Erst nach langer Suche erklärte sich eine Dienstleistungsfirma bereit, die Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten zu übernehmen, allerdings ohne Garantie und mit Berechnung der Kosten nach Aufwand. Unter Einbeziehung eines japanischen Spezialisten des Herstellers wurden die vier Maschinen durch das Austauschen der völlig durchgerosteten Hochtemperatur-Wärmeübertrager im Jahr 2002 mit einem hohen Kostenaufwand zunächst saniert.

    Parallel hierzu wurde eine lokale Infrastruktur zur Versorgung der Maschinen mit Korrosionsinhibitor aufgebaut. Ein lokales Labor erhielt einen Auftrag für regelmäßige Analysen, ein Lieferant für den Inhibitor wurde gefunden. Darüber hinaus wurde eine eigene Einrichtung für die Dosierung des Inhibitors im laufenden Betrieb sowie eine eigene Solefiltration für die Maschinen entwickelt. Auch die Ersatzteil­versorgung gestaltete sich mit Lieferzeiten von sechs Monaten sehr schwierig, so dass mit der Zeit alle Verschleiß- und Verbrauchsteile mit lokal verfügbaren Komponenten ausgetauscht wurden insbesondere Ventile, Dichtungen, Messinstrumente, Steuerungstechnik, Filter usw.

    Erneuter Zusammenbruch der Kälteleistung

    2005 setzten erneut Leistungseinbußen an den zweistufigen Absorbern ein. Da die Maschinen verfügbar bleiben mussten, wurde eine umfassende Schadensanalyse mit anschließender Reparatur durchgeführt. Mithilfe von umfangreichen endoskopischen Untersuchungen und chirurgischen Eingriffen wurden vielfältige Korrosionsschäden im Inneren und am Außenmantel als Spätfolgen der mangelnden Inhibitordosierung zu Beginn des Maschinenlebens diagnostiziert.

    • Es gab Schlammablagerungen in der gesamten Maschine, die beseitigt wurden
    • Alle Hochtemperatur-Wärmeübertrager waren wieder zerstört und mussten erneut ausgetauscht werden
    • Auch in den Niedertemperatur-Wärmeübertragern wurde Lochfraß gefunden und die betroffenen Rohre verschlossen
    • Es gab große Durchrostungen im Inneren, so dass eine Vielzahl von Konstruktionselementen ausgetauscht werden musste
    • Auch an den Außenwänden wurden Durchrostungen aufgedeckt und die betroffenen Behälterbleche ausgetauscht
    • Alle erreichbaren Schadstellen wurden überholt
    • Alle überflüssigen Verschraubungen wurden verschweißt
    • Heliumlecktests wurden an allen Maschinen nach Abschluss der Reparaturen durchgeführt

    2008 wurden die Überholungen schließlich abgeschlossen und erstmalig die Nennleistung der Kältemaschinen erreicht. Seitdem laufen die Maschinen wieder stabil.-

    Praxistipps zum Korrosionsschutz

    Aus unseren bisherigen Erfahrungen sind für Betreiber die folgenden Lehren zu ziehen:

    • Kompetenten Servicepartner auswählen
    • Eigenes Fachwissen und Unterstützung unabhängiger Dritter sichern
    • Für ausreichende technische Dokumentationen wie Schnittzeichnungen, Materiallisten und vollständige R+I Schemata ist unbedingt zu sorgen
    • Keine Inbetriebnahme (Befüllung) ohne anschließenden Betrieb. Die Schutzschichtbildung gegen Korrosion erfolgt nur im kontinuierlichen Betrieb
    • Dichtigkeit hat höchste Priorität, weil der Sauerstoffeintrag Grundvoraussetzung für Korrosion ist. Zu empfehlen ist eine regelmäßige Heliumlecksuche sowie der Austausch aller Vakuumdichtungen (Gummi versprödet!)
    • Regelmäßige Inhibitorkontrolle und zeitnahe Nachdosierung insbesondere bei zweistufigen Absorbern mit niedrigen Kalt­wassertemperaturen (mindestens quartalsweise). Zu berücksichtigen ist ein höherer Verbrauch des Inhibitors bei hohen Generatortemperaturen und hohen Kältelasten
    • Eine steigende Ausgasungsrate ist erstes Alarmzeichen für Leckagen und/oder Korrosion

    Kai Brinckmann

    ist Geschäftsführer der Energieversorgungscenter Dresden- ­Wilschdorf GmbH & Co. KG

    Kai Brinckmann, Dresden

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