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Druckmaschinen-Abwärme heizt energieoptimiertes Verpackungswerk

Zukunftsorientiertes Fabrikmodell

    Dieses anspruchsvolle Demonstrativobjekt wurde deshalb aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Freistaat Bayern gefördert. In der berechtigten Annahme, dass die hier entwickelten Lösungen Eingang in die Planung und Konzeption zukünftiger Industriebauten finden werden.

    Die Hertel & Co. GmbH wurde 1951 von Friedrich Hertel gegründet und hat sich als mittelständisches Unternehmen mit etwa 50 Mitarbeitern bis heute zu einem leistungsfähigen und kundenorientierten Verpackungsunternehmen entwickelt. Der ehemalige Firmensitz, der bereits in der dritten Generation geführt wird, war logistisch, wirtschaftlich und von den organisatorischen Betriebsabläufen her nicht mehr zeitgemäß und dass obgleich das Gebäude im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlich erweitert und modernisiert wurde.

    Unabhängig davon waren die Heizkosten zur Schaffung annehmbarer und für die Produktion erforderlicher klimatischer Bedingungen im Winter mittlerweile so gestiegen, dass berechtigte Bedenken bestanden, bei weiter steigenden Energie­kosten wettbewerbsfähig produzieren zu können. Um in diesem Punkt Klarheit zu schaffen, holte sich das Unternehmerehepaar Hertel fachlichen Rat beim renommierten Fraunhofer Institut. Es ging darum, realistische Potenziale des Workflows zu ermitteln. Das Ergebnis ergab allerdings, dass ein Neubau die optimale Lösung sei, um die Produktionsabläufe dauerhaft und nachhaltig zu optimieren.

    Wettbewerbsfähigkeit durch niedrige Energiekosten

    Als mittelständischer Betrieb wechseln wir nicht ständig den Standort, sondern müssen und wollen längerfristig planen, und die Energiekosten sind nun einmal in unserem Gewerbe eine wichtige Kalkulationsgröße, erklärt Geschäftsführer Gunther Hertel. Daraus entwickelte sich der Gedanke, ein energieeffizientes Gebäude für die langjährige Nutzung zu erstellen, das die optimalen raumklimatischen Bedingungen für Produktion und Verwaltung gewährleistet. Als Betrieb, der im grafischen Gewerbe zu Hause ist, müssen hier nämlich ganzjährig annähernd gleiche klimatische Bedingungen herrschen, um die Produktqualität zu gewährleisten.

    Konkret hieß dies, eine bestimmte Luftfeuchte und eine bestimmte Temperatur sollten stetig eingehalten werden, um Papiere und Pappen vor Feuchtigkeit oder dem Austrocknen zu schützen. Wichtig ist vor allem, dass keine zu großen Schwankungen innerhalb kurzer Zeit stattfinden. Beispielsweise wird die Luftfeuchte mit einem Draabe-Luftbefeuchtungssystem reguliert. Dieses ist mit Fühlern ausgestattet, welche regelmäßig den Luftfeuchtegehalt abfragen. Sobald ein eingestellter Sollwert unterschritten wird, wird aufbereitetes Wasser mit Düsen eingestäubt, um die Produktionsverhältnisse optimal zu halten.

    In der bisherigen Produktionsstätte kam es besonders bei hohen Außentemperaturen im Sommer aufgrund suboptimaler klimatischer Bedingungen überproportional oft zu Ausschussraten und Produktionsstillstandzeiten. Vor diesem Hintergrund planten die Bauherren die Errichtung der neuen Produktionsstätte zur Optimierung der Produktionsabläufe sowie zur Senkung der Energiekosten. Baubeginn war im Juni 2010. Die Fertigstellung fand bereits am 21. Dezember desselben Jahres statt. Damit war die Bauzeit für ein Projekt dieser Größenordnung das neue Gebäude hat eine Nutzfläche von gut 5000 m2 und eine aufwendige technische Gebäudeausrüstung außerordentlich kurz.

    Unabhängig von fossilen Energieträgern

    Für die Planung vor allem des Verwaltungstraktes zeichnete das Architekturbüro Wagner aus Bayreuth verantwortlich. Den energieberatenden Teil übernahm u. a. das Ingenieurbüro für Haustechnik Zeuschel aus Eckersdorf. Ebenfalls beratend tätig und als ausführendes Fachhandwerksunternehmen maßgeblich an der Weiterentwicklung der Konzepte des Energieberaters beteiligt war die WEGA Gebäudetechnik GmbH aus Brandenburg. Da die Entwicklung und Herstellung von Verpackungen über den Druck bis zum Endprodukt ein sehr energieintensiver Prozess ist, lag es nahe, die in der Produktion entstehende Abwärme vor allem der Druckmaschine für die Beheizung zu nutzen. Dies stellte zugleich auch eine große Herausforderung dar, erklärt Friedrich Wildeis, technischer Betriebsleiter der WEGA Gebäudetechnik GmbH.

    Die Hülle der Produktionsstätte, der Lagerhalle und des Verwaltungsgebäudes wurden hochwirksam gegen Wärmeverluste gedämmt. Die Kompressorenwärme und die Wärme der Druckmaschine, die im Zweischichtbetrieb läuft, sind mit Abstand die größte Wärmequelle. Hinzu kommt noch eine recht große EDV-Anlage, deren Abwärme ebenfalls genutzt wird. Dabei kann die Abwärmeleistung von 8 kW über ein Deckenkühlgerät in einen Wärmepuffer geleitet werden, der in das Wärmeverteilsystem zum Heizen eingebunden ist und bei Bedarf umgeleitet werden kann. Wenn dies nicht erforderlich ist, wird die Abwärme aus dem Sekundärkreis über ein Rückkühlwerk auf dem Dach abgeführt. Dieser wird nur dann betrieben, wenn mehr Abwärme vorhanden ist, als den beiden Pufferspeicher mit einem Volumen von jeweils 1250 Litern entzogen werden kann.

    Wenn die Druckmaschine mehr Leistung erbringt, fährt ein Mischventil auf und speist mit der Wärme einen dritten Speicher. Erst dann wird die überschüssige Wärme über Dach abgeführt. So vielseitig und individuell die Wärmeerzeugung und -nutzung ist, so differenziert fällt die Wärmeabgabe in den unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen aus. Der Büroteil wird über Kühl- und Heizdecken klimatisiert. Der Bereich der Produktionsvorstufe, also der Formenbau, wird mit Radiatoren geheizt, im Foyer sorgt eine Fußbodenheizung für die angenehme Verteilung der Wärme. Und in der Produktions- sowie in der Lagerhalle sorgen Umluft-Deckengeräte für angenehme Temperaturen.

    Wärmepumpen-Kaskade deckt Spitzenlast ab

    Als Grundkonzept der technischen Gebäudeausrüstung stellen die Kompressoren sowie die Druckmaschine aber nur die Grund- und Mittellast für die Gebäudeheizung zur Verfügung. Für die Versorgung zu Spitzenlastzeiten reichte die Nutzung der Abwärme trotz der hervorragenden Dämmwerte jedoch nicht aus, sodass weitere Wärmeerzeuger erforderlich waren. Da Öl für die Bauherren keine zukunftsfähige Option darstellte und auch Flüssiggas aus unterschiedlichen Gründen auf Ablehnung stieß, kommen hier zur Abdeckung der Spitzenlast deshalb zehn Luft/Wasser-Wärmepumpen vom Typ PUHZ-HRP200YKA mit Zubadan-Technologie und einer Heiz- bzw. Kälteleistung mit 22,4 bzw. 19,0 kW von Mitsubishi Electric zum Einsatz.

    Die Wärmepumpen übertragen die Wärme über einen integrierten Kondensator auf die patentierten Direktkondensations-Speicher, sodass bei der Übertragung keine Umwälzpumpe erforderlich ist. Bei den eingesetzten Speichern handelt es sich um Spezialanfertigungen des Herstellers Zeeh. Darüber hinaus sind die Wärmepumpen reversibel, d. h. sie schalten automatisch vom Heiz- in den Kühlbetrieb um und können ihre Leistung auch hier in einem Bereich von 30 bis 100 Prozent modulieren. So können sie im Sommer auch für die Kühlung genutzt werden. Die zehn Maschinen sind in Reihe geschaltet, bei der das erste Gerät bis auf 50 Prozent seiner Leistung hochfährt und sich dann das nächste Aggregat hinzuschaltet. Erst wenn alle zehn Aggregate ihren optimalen Betriebspunkt erreicht haben, beginnt die erste Wärmepumpe ihre Leistung stufenlos zu erhöhen.

    Um eine optimale Leistungszahl zu erreichen, erfolgt die Wärmeversorgung im Niedertemperaturbereich mit einer Vorlauftemperatur von ca. 45 °C. Die Abwärme der Druckmaschine, die eine Temperatur von bis zu 48 °C Vorlauftemperatur erreicht, kann also voll genutzt werden kann, ohne im Dauerbetrieb auf die zusätzlichen Wärmeerzeuger angewiesen zu sein. Die Betriebsweise im Niedertemperaturbereich eignet sich sehr gut, um mit den eingesetzten Luft/Wasser-Wärmepumpen einen überdurchschnittlichen COP zu erzielen. Obgleich die Wärmepumpen technisch so ausgelegt sind, dass sie auch problemlos ein höheres Temperaturniveau bedienen könnten. Da sie dies aber nicht müssen, liegt der optimale Betriebspunkt der Aggregate niedriger und verbessert so die Energiebilanz, so Wildeis.

    Im Ergebnis wurden sogar die Mindestanforderungen der geltenden EnEV um ca. 50 Prozent unterschritten, ohne die Baukosten wesentlich zu erhöhen. Ein zentraler Gesichtspunkt war dabei die Inanspruchnahme von Zuschüssen bzw. eines vergünstigten Darlehens von der KfW-Bank, für die der Energiebedarf des Gebäudes um mindestens 40 Prozent unter dem EnEV-Niveau liegen musste. Als energieoptimiertes Verpackungswerk wurde hiermit im Industriebau Neuland betreten. Dieses anspruchsvolle Demonstrativobjekt wurde deshalb aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Freistaat Bayern gefördert. In der berechtigten Annahme, dass die hier entwickelten Lösungen Eingang in die Planung und Konzeption zukünftiger Industriebauten finden werden.

    Fazit

    Bei der seit Dezember im Betrieb befindlichen Kartonagefabrik Hertel in Bayreuth ist, mit nur geringfügigen Mehrkosten von rund zehn Prozent im Vergleich zur Standardbauweise solcher Objekte, ein Industriegebäude entstanden, welches aufgrund seines nachhaltigen und energieeffizienten Gesamtkonzeptes eine bundesweite Vorbildfunktion ausübt. Der überwiegende Anteil der benötigten Heizenergie wird aus der Wärmerückgewinnung aus dem Produktionsprozess bzw. der Abwärme aus dem Serverraum gewonnen. Nur bei besonders hohem Wärmebedarf bzw. bei einem Produktionsstillstand schaltet sich automatisch eine 10er Luft/Wasser-Wärmepumpen-Kaskade in modulierender Betriebsweise hinzu, die im Sommer auch für die Kühlung eingesetzt werden kann. Die Komplexität der Gebäudetechnik ist mit höheren Investitionen verbunden als ein herkömmliches Konzept. Die Eigentümer gehen jedoch davon aus, dass sich der Mehraufwand relativ schnell amortisieren wird. -

    Technische Spezifikationen

    • Wärmebedarf für das Gesamtobjekt: 230 kW
    • Kühlbedarf für das Gesamtobjekt: 190 kW
    • Die Wärmeversorgung und Kühlung wird mittels zehn reversibler Luft/Wasser-Wärmepumpen realisiert.
    • Gesamtwärmeleistung: 230 kW
    • Gesamtkühlleistung: 200 kW
    • Die Abwärme aus dem Produktionsprozess wird in die Wärmekreisläufe eingespeist.
    • Abwärme Druckmaschine: 140 kW
    • Abwärme Kompressoren: 30 kW
    • Abwärme Serverraum: 10 kW

    Kai-Uwe Sörgel

    Regionalleiter Nürnberg bei Mitsubishi Electric LES

    Kai-Uwe Sörgel, Nürnberg

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