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Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Analyseverfahren:

Energetische Einschätzung von Erzeugungssystemen mit Wärmepumpen

    Die in VDI 4650 angegebenen bzw. mit ihr zu berechnenden Werte beruhen vermutlich auf Messungen an Referenzanlagen und idealisierten Versuchsständen. Feldmessungen [5, 6, 7] zeigten jedoch, dass die mit der VDI 4650 bestimmten Jahresarbeitszahlen nicht immer erreicht werden, wobei die Hauptursachen in einer ungenügenden Sorgfalt bei der Planung, Ausführung, Wartung usw. zu vermuten sind. Diese widersprüchlichen Angaben waren ein Grund dafür, dass an der TU Dresden im Rahmen eines größeren Forschungsvorhabens1) [8] eingehende Untersuchungen zur energetischen Bewertung von Wärmepumpenanlagen mittels einer ganzheitlichen numerischen Gebäude- und Anlagensimulation durchgeführt und damit erstmalig

    • wichtige Wärmepumpensysteme mit einem einheitlichen Berechnungsverfahren einschließlich offengelegter Randbedingungen berücksichtigt,
    • die Gesamtanlage einschließlich Anlagenhydraulik, Regelung, Wärmespeicherung, Heizflächenausbildung, Temperaturniveau, Nutzungsprofil einbezogen sowie
    • unterschiedliche Bilanzgrenzen im Hinblick auf die Heizperioden-Arbeitszahl unterschieden wurden.

    Die Ergebnisse dieser Untersuchung können den Literaturangaben [9, 10, 11] entnommen werden und sollen hier nur anhand von zwei typischen Darstellungen (Bilder 1 und 2) vorgestellt werden2). Bild 3 enthält den Vergleich zwischen den Werten von VDI 4650, den o.g. Feldmessungen sowie den eigenen Simulationsergebnissen. Danach ergeben sich sehr gute Übereinstimmungen zwischen den VDI-Angaben und Berechnungsergebnissen für Sole-Wasser-Wärmepumpen (SWWP) und Wasser-Wasser-Wärmepumpen (WWWP), die größeren Abweichungen vom Mittelwert sind auf die umfangreiche rechnerische Variation der Anlagenparameter (Speichergrößen, Pumpenauswahl usw.) zurückzuführen. Eine deutliche Abweichung ist für die Luft-Wasser-Wärmepumpe (LWWP) gegeben. Bei einer Analyse der Ursachen müssen die verwendeten Randbedingungen der Simulationsrechnung betrachtet werden. In diesem Zusammenhang sind

    • das Wärmeschutzniveau des Gebäudes: Niedrigenergiehaus (hochwärmegedämmtes Gebäude) sowie
    • die Wärmequelle: unkonditionierte Außenluft

    hervorzuheben. Analysiert man die Verteilung der Betriebsstunden, so zeigt sich nach Bild 4 eine mittlere Außenlufttemperatur von etwa 2 °C während der Betriebszeit der Wärmepumpe (TRY 04 Potsdam). Diese Einsatzverhältnisse sind für Niedrigenergiehäuser typisch, die Randbedingungen zur Erzielung hoher Arbeitszahlen damit vergleichsweise ungünstig.4)

    Nachfolgend soll eine Kommentierung der Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt veränderter Einsatzbedingungen erfolgen.

    Einfluss des Wärmeschutzniveaus

    • Gebäude mit weiter verbessertem Wärmeschutzniveau weisen nochmals verringerte Heizgrenztemperaturen auf, so dass das Absinken der mittleren Außenlufttemperatur zu einer weiteren Verschlechterung der Heizperioden-Arbeitszahlen führt. Dieser Effekt wird sich mit der Einführung der EnEV 2009 und der angekündigten weiteren Verschärfung der EnEV im Jahr 2012 im gesamten Neubaubereich bemerkbar machen.
    • Gebäude mit geringerem Wärmeschutzniveau weisen grundsätzlich günstigere Verhältnisse bezüglich der mittleren Außenlufttemperaturen in der Heizperiode auf, die aber aufgrund der schlechteren sonstigen Betriebsbedingungen (z.B. höhere Vorlauftemperatur) letztlich kaum positive Auswirkungen haben.

    Einfluss der Wärmequelle

    Positiv kann sich der Einsatz von Luft-Wasser-Wärmepumpen im Zusammenhang mit Abluftanlagen auswirken. Die Abluft kann dabei als Wärmequelle mit relativ hohem Temperaturniveau genutzt oder der Außenluft zur Temperaturerhöhung beigemischt werden.

    Günstigen Einfluss haben weiterhin folgende Maßnahmen:

    • Verwendung eines Spitzenlasterzeugers, beispielsweise in Form eines Kessels. Die mittlere Außenlufttemperatur für den WP-Betrieb wird aufgrund der bivalenten Betriebsweise deutlich erhöht.
    • Verwendung von optimierten Anlagenkomponenten, Anlagenschaltungen sowie Betriebsbedingungen (vgl. hierzu [9, 10, 11]) wie

    möglichst niedriges Anlagentemperaturniveau (vgl. Bild 5),

    Verwendung eines Pufferspeichers auch bei der Fußbodenheizung,

    Anordnung des Pufferspeichers in Form einer Parallelschaltung,

    Verwendung möglichst großvolumiger Pufferspeicher (vgl. Bild 6),

    Erhöhung der Schalthysterese beim Reihenpufferspeicher,

    Optimierung der Anordnung der Temperatursensoren beim Parallelpufferspeicher,

    differenzierte Anwendung der Anlagenfahrweise (intermittierende Betriebsweisen).

    Einfluss der Trinkwassererwärmung

    Die Trinkwassererwärmung wurde bei den bisher dargestellten rechnerischen Untersuchungen nicht berücksichtigt. Grundsätzlich führt die Trinkwassererwärmung bei Wasser- und Sole-Wärmepumpen zu einer Verringerung der Arbeitszahlen, da die Trinkwassererwärmung höhere Temperaturen erfordert als der Heizbetrieb, die Quellentemperatur hingegen im Jahresverlauf vergleichsweise geringen Schwankungen unterliegt. Bei Wärmepumpen mit Außenluft als Wärmequelle ergeben sich zwei gegenläufige Tendenzen:

    • Die bei der Trinkwassererwärmung erforderlichen hohen Vorlauftemperaturen wirken sich negativ auf die Arbeitszahlen aus.
    • Die Trinkwassererwärmung findet näherungsweise ganzjährig statt. Damit sind die Quellentemperaturen im Mittel höher als im Heizbetrieb, was zu einer Verbesserung der Arbeitszahlen führt.

    Bild 6 zeigt die beschriebenen Tendenzen an einem Beispiel einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Fußbodenheizung. In Bild 7 sind die Ergebnisse für eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe dokumentiert.

    Grundsätzlich günstig wirkt sich auch die solare Unterstützung von Wärmepumpensystemen auf die Jahresarbeitszahl aus. Bild 8 zeigt für ein System mit LWWP und warmwasserseitiger Unterstützung erste tendenzielle Ergebnisse.

    Luft-Wasser-Wärmepumpen und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz

    Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz fordert für Luft-Wärmepumpen eine Jahresarbeitszahl von 3,5 ohne bzw. 3,3 mit Warmwasserbereitung. Diese Kennwerte können anhand der VDI 4650 in der Planungsphase für energieeffiziente Geräte rechnerisch nachgewiesen werden. Außerdem fordert das EEWärmeG den Einbau von Wärme- und Stromzählern, deren Messwerte die Berechnung der Jahresarbeitszahl ermöglichen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse kann man davon ausgehen, dass die in der Praxis erreichten Arbeitszahlen häufig schlechter als im EEWärmeG-Nachweis sein werden. Unmittelbare Auswirkungen auf die Erfüllung des EEWärmeG ergeben sich daraus nicht, da das Gesetz einen rechnerischen Nachweis der Jahresarbeitszahl auf Basis anerkannter Regeln der Technik fordert, die Einhaltung im praktischen Betrieb jedoch kein Bestandteil der gesetzlichen Anforderungen ist.

    Analog sieht es mit der Bewilligung von Fördermitteln durch KfW oder BAFA aus. Auch hier wird ein rechnerischer Nachweis auf Basis aktueller anerkannter Regeln der Technik gefordert. Eine Rückzahlung von Fördermitteln bei Nichterreichung der Jahresarbeitszahlen im realen Betrieb ist nicht vorgesehen. Eine Rückforderung von Fördermitteln ist ebenso ausgeschlossen, wenn die technischen Regeln nach Beantragung geändert und in der Folge schlechtere rechnerische Arbeitszahlen ausgewiesen werden würden.

    Unabhängig von EEWärmeG und Förderung sind Auseinandersetzungen zwischen Kunden (Bauherr oder Betreiber) auf der einen und Anlagenbauer, Planer und Gerätehersteller auf der anderen Seite vorprogrammiert, wenn die Arbeitszahlen im Praxisbetrieb deutlich von den Planungswerten abweichen. Wer in einem Rechtsstreit als Sieger hervorgeht, dürfte wesentlich von der Vertragsgestaltung abhängig sein. An der VDI 4650 ergibt sich daher ein gewisser Erweiterungs- bzw. Änderungsbedarf. Die in den Berechnungen verwendeten Faktoren sollten, ebenso wie die sonstigen Randbedingungen des Verfahrens, überprüft werden. Es wäre schön, wenn die Ergebnisse der VDI-Berechnungen auf der einen Seite einem Abgleich mit Feldtests und detaillierteren rechnerischen Bewertungsverfahren standhalten würden.

    Bei der Überarbeitung der VDI 4650 sind die Rückkopplungen zum EEWärmeG und zu den Förderprogrammen im Auge zu behalten, da sich gravierende Auswirkungen auf die Marktpräsenz von Luft-Wärmepumpen ergeben können. Auf der anderen Seite sollte darauf geachtet werden, dass ein Abgleich zwischen allen zulässigen Berechnungsverfahren vorgenommen wird, so dass die Algorithmen auf nationaler und europäischer Ebene tendenziell gleiche Ergebnisse liefern. -

    1) Dieses Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unter dem Förderkennzeichen 0327370R gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Autor.

    2) Die Angaben der Arbeitszahlen erfolgen entsprechend der angegebenen Definitionen.

    3) In Ermangelung genauerer Angaben sind die Daten der Feldmessungen im Bereich der Systemtemperaturen von 35 ... 40 °C angeordnet.

    4) Die Arbeitszahlen werden etwas höher, wenn beispielsweise aus Komfortgründen Fußbodenheizungen länger und damit bei höheren Außentemperaturen betrieben werden. Trotz der besseren Arbeitszahlen steigt in diesem Fall der Energieverbrauch.

    Literatur

    [1] DIN V 4701-10: Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen Teil 10: Heizung, Trinkwassererwärmung, Lüftung (2007), Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin

    [2] DIN V 18599: Energetische Bewertung von Gebäuden (2007), Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin

    [3] DIN EN 15316-4-2: Heizungsanlagen in Gebäuden Verfahren zur Berechnung der Energieanforderungen und Nutzungsgrade der Anlagen Teil 42: Wärmeerzeugung für die Raumheizung, Wärmepumpensysteme (2008), Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin

    [4] VDI 4650: Berechnung von Wärmepumpen Kurzverfahren zur Berechnung der Jahresaufwandszahlen von Wärmepumpenanlagen Elektro-Wärmepumpen zur Raumheizung (Entwurf September 2008), VDI-Gesellschaft Energietechnik

    [5] Miara, M.: Wärmepumpen-Feldtest Mit Sorgfalt effizient, TGA Fachplaner (2008) Bd. 7, Nr. 10, S. 6870

    [6] Auer, F.; Schote, H.: Nicht jede Wärmepumpe trägt zum Klimaschutz bei Erdreich-Wärmepumpen mit positiver Ökobilanz Kritische Bewertung von Luft-Wärmepumpen, Forschungsbericht, Lokale Agenda 21 Gruppe Energie in Lahr 2008

    [7] Ewert, M.: Feldtest bestätigt hohe Effizienz von Wärmepumpen, HLH (2005), Bd. 56, Nr. 3, S. 2429

    [8] Richter, W.; Seifert, J.; Knorr, M. et al.: Heizen und Kühlen mit Niedrigexergie (LowEx) Systemintegration, Regelung, Betriebsoptimierung, Energieeinsparung mittels informationsvernetzter Heiz- und Kühlsysteme für Neubau und Sanierung, TU Dresden, Forschungsbericht BMWi, 2008

    [9] Seifert, J.; Knorr, M.; Richter, W.: Energetische Analyse von Systemen mit Wärmepumpen für hoch wärmegedämmte Gebäude. HLH (2009), Bd. 60, Nr. 5, S. 2027

    [10] Seifert, J.; Knorr, M.; Richter, W.: Hydraulische Einbindung von Wärmepumpensystemen eine vergleichende Analyse. KI Kälte Luft Klimatechnik (2009), Bd. 45, Nr. 6, S. 2731

    [11] Seifert, J.: Ein Beitrag zur Einschätzung der energetischen und exergetischen Einsparpotentiale von Regelverfahren in der Heizungstechnik, Habilitationsschrift, TU Dresden, November 2009

    INFO

    Abkürzungen

    • FBH Fußbodenheizung
    • HK Heizkörper
    • LWWP Luft-Wasser-Wärmepumpe
    • PPS Parallelpufferspeicher
    • SWWP Sole-Wasser-Wärmepumpe
    • RPS Reihenpufferspeicher
    • TRY Testreferenzjahr
    • WWWP Wasser-Wasser-Wärmepumpe

    Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert

    TU Dresden, Institut für Energietechnik, Professur für Heizungs- und Raumlufttechnik

    Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz

    ITG Dresden, Institut für Technische Gebäudeausrüstung

    Prof. Dr.-Ing. habil.Wolfgang Richter

    TU Dresden, Institut für Energietechnik, Professur für Heizungs- und Raumlufttechnik

    Joachim Seifert, Bert Oschatz, Wolfgang Richter, Dresden

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